EVG-Umfrage zum Thema Sicherheit liefert erschütternde Ergebnisse

EVG-Umfrage zum Thema Sicherheit liefert erschütternde Ergebnisse

Die Sicher­heit unse­rer Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ist uns wich­tig. Des­we­gen haben wir Beschäf­tig­te mit Kun­den­kon­takt zu ihrem Sicher­heits­emp­fin­den befragt. Die Ergeb­nis­se lie­gen vor und sind erschüt­ternd. Die Unsi­cher­heit nimmt zu. 82 % erleb­ten Anfein­dun­gen oder Über­grif­fe. Bei 63 % hat sich das Sicher­heits­emp­fin­den in den letz­ten 5 Jah­ren verschlechtert.

An der Online-Umfra­ge haben sich rund 4.000 Kolleg:innen, die im Kund:innenkontakt arbei­ten, betei­ligt. Das betrifft das Zug­per­so­nal im Fern- und Regio­nal­ver­kehr, das Per­so­nal im Bus, die Ser­vice-Beschäf­tig­ten auf den Bahn­hö­fen, am Tele­fon sowie das Sicherheitspersonal.

Die hohe Betei­li­gung an unse­rer Umfra­ge bestä­tigt uns dar­in, wel­che Wich­tig­keit das The­ma bei den Beschäf­tig­ten hat. Die gute Nach­richt zuerst: Zwei Drit­tel füh­len sich aktu­ell bei der Aus­übung ihrer Tätig­keit NOCH sicher. Das bedeu­tet aller­dings, dass sich ein Drit­tel der Beschäf­tig­ten unsi­cher fühlt. Ins­ge­samt sind die Zah­len alar­mie­rend: Denn das Sicher­heits­emp­fin­den der Kolleg:innen hat in den letz­ten fünf Jah­ren gra­vie­rend abgenommen.

„Ich bekom­me bei die­sen Zah­len wahn­sin­ni­ge Bauch­schmer­zen”, Mario Noack, Mit­glied im EVG-Expert:innenkreis (EK) sowie im AK Secu­ri­ty Fernverkehr.

Die Kurz­form der Stu­die könn­te sich so lesen: Beschäf­tig­te in allen Berei­chen des öffent­li­chen Nah- und Fern­ver­kehrs blei­ben die Blitz­ab­lei­ter unzu­frie­de­ner Fahr­gäs­te. Ten­denz stei­gend. In der Fol­ge nimmt laut Umfra­ge das „Sicher­heits­emp­fin­den der Beschäf­tig­ten im Kun­den­kon­takt“ rasant ab. Die Häu­fig­keit ihrer Über­griffs-Erfah­run­gen liest sich erschre­ckend. Arbeit­ge­ber, Auf­ga­ben­trä­ger und Poli­tik soll­te die­se neu­es­te Aus­wer­tung end­lich auf­rüt­teln. Die EVG und ihre Vor­gän­ger­ge­werk­schaf­ten neh­men das The­ma seit Jahr­zehn­ten extrem ernst. Denn hier herrscht die höchs­te Alarmstufe!

Umfra­ge­aus­wer­tung „Gän­gigs­te Übergriffs-Erfahrungen“:

  • Bespu­cken (43 %),
  • Bewer­fen mit Gegen­stän­den (41 %),
  • Schubsen/​Stoßen (40 %),
  • Fest­hal­ten (35 %).

Acht von zehn Mit­ar­bei­ten­den, die sich in der Umfra­ge anonym geäu­ßert haben, hat­ten bereits einen ver­ba­len oder kör­per­li­chen Über­griff erlebt. Die meis­ten davon in den ver­gan­ge­nen 12 Mona­ten. Frap­pie­rend: Nur 18 Pro­zent der Ziel­grup­pe der Ana­ly­se sind bis­lang von sol­chen Erfah­run­gen ver­schont geblie­ben. Das heißt für uns als EVG, dass die Lat­te für umfang­rei­che Sicher­heits­vor­keh­run­gen sehr weit höher lie­gen müss­te als aktu­ell der Fall. „Ich bekom­me bei die­sen Zah­len wahn­sin­ni­ge Bauch­schmer­zen“, sagt Mario Noack, Mit­glied im EVG-Expert:innenkreis (EK) sowie im AK Secu­ri­ty Fern­ver­kehr. „Das läuft gewal­tig aus dem Ruder!”

Vor allem Frau­en füh­len sich unsicherer

So sind ins­be­son­de­re be- oder ange­trun­ke­ne Fahr­gäs­te schnell und unge­zü­gelt dabei, zu ent­glei­sen. Steht vor ihnen statt eines Kol­le­gen viel­mehr eine Kol­le­gin, fal­len die Hem­mun­gen ver­mut­lich des­we­gen noch eher. Kommt even­tu­ell noch eine Grup­pen­dy­na­mik dazu, wer­den Ticket­kon­trol­len, Kon­troll­gän­ge durch den Zug oder der Platz am Ser­vice­schal­ter für die Per­so­na­le zur unkon­trol­lier­ba­ren Her­aus­for­de­rung. „Die ver­blie­be­ne Schal­ter-Ver­gla­sun­gen aus Pan­de­mie­zei­ten hat so man­chen Über­griff ver­ei­telt“, so Tors­ten Uerz vom EK, ver­ant­wort­lich für Per­so­nen­bahn­hö­fe. Den­noch habe es Fäl­le gege­ben, in denen dickes Sicher­heits­glas von Rei­sen­den in ihrer Wut zer­schla­gen wurde.

Umfra­ge­aus­wer­tung „Art der Bedrohungen“

  • ver­ba­le Beschimp­fun­gen (81 %)
  • ver­ba­le Bedro­hun­gen (74 %)
  • kör­per­li­che Bedro­hung (61 %)
  • ver­ba­le Beschimp­fung mehrfach/​Monat (38 %),
  • ver­ba­le Bedro­hung mehrmals/​Monat (15 %)
  • sexu­el­le Beläs­ti­gung, haupt­säch­lich gegen­über weibl. Beschäf­tig­ten (29 %)

„Die ver­blie­be­ne Schal­ter-Ver­gla­sun­gen aus Pan­de­mie­zei­ten hat so man­chen Über­griff ver­ei­telt”, Tors­ten Uerz, Mit­glied im EVG-Expert:innenkreis (EK).

Auch die Anzahl der Berufs­jah­re spielt eine gro­ße Rol­le für das schwin­den­de Sicher­heits­emp­fin­den. Kurz: Je mehr Dienst­jah­re, umso mehr Unsi­cher­heit. Wer schon ein­mal nega­ti­ve Erfah­run­gen machen muss­te, beginnt sei­ne Schich­ten bereits mit einem ange­knacks­ten Selbst­be­wusst­sein. Auch Sozia­le Medi­en stel­len für die Kolleg:innen eine zusätz­li­che Form der Gewalt dar. Sie wer­den häu­fig von aggres­si­ven und unzu­frie­de­nen Kund:innen unge­fragt foto­gra­fiert und auf Online-Platt­for­men verunglimpft.

Kla­re Sicher­heits­kon­zep­te? Mangelware!

Die EVG unter­stützt mit der neu­es­ten Exper­ti­se die Beschäf­tig­ten in ihren Erwar­tun­gen nach mehr Sicher­heit. So for­dern wir:

  • zusätz­li­ches Sicher­heits­per­so­nal auf Stre­cken und zu Tages­zei­ten mit Sicherheitsrisiken,
  • mehr Prä­senz und bes­se­re Aus­stat­tung des Sicherheitspersonals,
  • die per­so­nel­le Dop­pel­be­set­zung in Bahn­hö­fen, Bus­sen, Ver­triebs­stel­len und in allen Zügen im Nahverkehr.
  • eine umfang­rei­che Video­über­wa­chung in Zügen, auf Bahn­hö­fen sowie eine schnel­le und siche­re (digi­ta­le) Notruf-Option.

Selbst­ver­ständ­lich erhal­ten die­se Vor­fäl­le nur dann die nöti­ge Öffent­lich­keit, wenn sie gemel­det wer­den. Lei­der sind mitt­ler­wei­le vie­le Kolleg;innen von der Untä­tig­keit ihrer Arbeit­ge­ber so frus­triert, dass gut 4 von 10 Betrof­fe­nen ent­spre­chen­de Vor­fäl­le nicht mel­den. Acht von zehn Beschäf­tig­ten haben das Gefühl, dass eine Mit­tei­lung nichts an der Situa­ti­on ändert. Hier kri­ti­sie­ren die befrag­ten Beschäf­tig­ten, dass ent­we­der der büro­kra­ti­sche Auf­wand zu hoch sei (34 %) oder der Arbeit­ge­ber kei­ne Unter­stüt­zung anbie­te (26 %).

Zwar bie­ten eini­ge Arbeit­ge­ber Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men an, den­noch sind die­se über­schau­bar und aus­bau­fä­hig. „Ob Dees­ka­la­ti­ons­trai­nings, Betreu­ung nach Über­grif­fen oder nied­rig­schwel­li­ge Mel­de­sys­te­me: das reicht bei wei­tem nicht aus“, sagt EVG-Vize Kris­ti­an Loroch. Beschäf­tig­te in Zügen, Bus­sen und an Bahn­hö­fen blie­ben in Not­si­tua­tio­nen zu oft sich selbst über­las­sen. „An ihrer Sicher­heit darf nicht gespart wer­den“, so Loroch.

„Die Sicher­heit der Beschäf­tig­ten muss für Arbeit­ge­ber und Auf­ga­ben­trä­ger unver­han­del­bar sein – und sie darf kei­nem EVU zu einem Wett­be­werbs­nach­teil wer­den!”, Kris­ti­an Loroch, Stell­ver­tre­ten­der EVG-Vorsitzender.

EVG lässt nicht locker

Mit unse­rer lang­jäh­ri­gen Kam­pa­gne „Sicher unter­wegs“ kämp­fen wir seit Jah­ren für eure Sicher­heit. Bereits zu Zei­ten unse­rer Vor­gän­ger­ge­werk­schaf­ten hat­ten wir bei die­sem The­ma das Ohr am Gleis. Die neu­es­ten Zah­len bele­gen lei­der ein­drucks­voll, dass wir im Kampf für mehr Sicher­heit der Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen nicht locker­las­sen dürfen.

Wir wer­den wei­ter­hin strikt sen­si­bi­li­sie­ren, infor­mie­ren und for­dern. Die „Beschäf­tig­ten im Kun­den­kon­takt“ haben ein Recht dar­auf, unver­sehrt ihre Arbeit aus­zu­füh­ren. So sind eben­so ande­re Rei­sen­de ange­spro­chen, Zivil­cou­ra­ge da zu zei­gen, wo es not­wen­dig ist. Gera­de erst hat­te die EVG gemein­sam mit dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Digi­ta­li­sie­rung und Ver­kehr eine gro­ße Kam­pa­gne gestar­tet. Ziel der bun­des­wei­ten XXL-Pos­ter­kam­pa­gne ist es, Rei­sen­de für mehr Ach­tung und Respekt gegen­über Bus- und Bahn­be­schäf­tig­ten zu sen­si­bi­li­sie­ren. Immer­hin hat­ten sich in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren die (regis­trier­ten) Über­grif­fe auf Beschäf­tig­te ver­fünf­facht; Kör­per­ver­let­zun­gen verdreifacht.

„Wir legen den Fin­ger damit erneut in die wei­ter klaf­fen­de Wun­de“, Sil­ke Fen­ten, Mit­glied im EVG-Expert:innenkreis

Die Ergeb­nis­se der aktu­el­len Umfra­ge wur­den in die­sen Tagen der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt. Unter­des­sen ana­ly­siert der Expert:innenkreis die Stu­die inten­siv wei­ter. Ziel ist es, ers­te Schrit­te vor­zu­be­rei­ten, um für die Sicher­heit der Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen noch bes­ser zu sen­si­bi­li­sie­ren. „Wir legen den Fin­ger damit erneut in die wei­ter klaf­fen­de Wun­de“, sagt EK-Mit­glied Sil­ke Fen­ten wütend. „Die Hil­fe­ru­fe unse­rer Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, die in ihrem Dienst ange­grif­fen wer­den, dür­fen nicht im Nir­gend­wo ver­san­den. Aber dafür gibt es ja die EVG.”

Fuß­ball-Euro­pa­meis­ter­schaft

Wir befin­den uns ein­ein­halb Mona­te vor der Fuß­ball-Euro­pa­meis­ter­schaft in Deutsch­land. Die Bahn-Beschäf­tig­ten wer­den alles dafür tun, dass sich Fans aus ganz Euro­pa will­kom­men füh­len. Wir freu­en uns auf ein fried­li­ches, fröh­li­ches und siche­res Tur­nier. Sicher­heit ist aber nicht nur ein The­ma in den Sta­di­en oder auf Fan-Fes­ten in den Innen­städ­ten. Unse­re Kolleg:innen wis­sen um ange­spann­te Situa­tio­nen am Ran­de von Fußballspielen.

Des­we­gen for­dern wir ein EM-Son­der­pro­gramm zum The­ma Sicherheit.

  • Für den Bund heißt das: Den Ein­satz von Bun­des­po­li­zei-Kräf­te in den Zügen und ver­stärkt auch auf den Bahnhöfen.
  • Für den Arbeit­ge­ber heißt das: Die Anpas­sung der Per­so­nal­pla­nung anhand der Spiel­plä­ne mit Dop­pel-Beset­zung und mehr Sicherheitspersonal.

Sicher­heits­kon­fe­renz der EVG

Im kom­men­den Novem­ber star­ten wir die nächs­te Maß­nah­me für mehr Respekt und für mehr Ach­tung gegen­über den Beschäf­tig­ten mit Kun­den­kon­takt. Eine Sicher­heits­kon­fe­renz der EVG wird sich mit dem The­ma zwei Tage lang beschäf­ti­gen. Exper­ten aus allen rele­van­ten Berei­chen wer­den dabei sein und ihre Erfah­run­gen sowie Ideen für mehr Sicher­heit unter­wegs ein­zu­brin­gen. Denn wir sagen: Jeder von euch muss ohne Angst um sei­ne Sicher­heit sei­nen Job machen kön­nen. Mel­det jeden Über­griff, denn jeder Angriff, ist einer zu viel!

 

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Quel­le: Anne Jacobs Pres­se­spre­che­rin der Eisen­bahn- und Ver­kehrs­ge­werk­schaft (EVG)
Foto­credits: Eisen­bahn- und Ver­kehrs­ge­werk­schaft (EVG)