„Wir sind da und ihr seid uns nicht egal!“

Win­ter­berg-Total­lo­kal: The­ken­theo­lo­gen dis­ku­tier­ten über unter­schied­li­che Bestattungsformen

win­ter­berg-total­lo­kal: Sied­ling­hau­sen. Vor kur­zem kamen die The­ken­theo­lo­gen wie­der im Kol­ping­haus in Sied­ling­hau­sen zusam­men und dis­ku­tier­ten in gemüt­li­cher Run­de zum The­ma „Unter­schied­li­che Bestat­tungs­for­men.“ Frau Leo­na Rich­artz, freie Red­ne­rin aus Pader­born, Franz – Gerd Lüt­te­ken (Bestat­ter aus Sied­ling­hau­sen), Bernd Höm­berg von der Stadt Win­ter­berg und Pas­tor Nor­bert Lipin­ski (Pas­to­ral­ver­bund Win­ter­berg) stan­den an jenem Don­ners­tag­abend gute zwei Stun­den der Mode­ra­to­rin Hil­de­gard Krä­ling aus Sied­ling­hau­sen und ca. 30 inter­es­sier­ten Zuhö­rern aus­dau­ernd Rede und Antwort.

Bernd Höm­berg von der Stadt Win­ter­berg ver­wies gleich zu Anfang , auf die Fra­ge hin, war­um es über­haupt alter­na­ti­ve Bestat­tungs­for­men gibt (Urnen­bei­set­zun­gen, Ruhe­wald, anony­me Bestat­tun­gen etc.) auf den demo­gra­phi­schen Wan­del hin, der über­all zu spü­ren sei. „Ange­hö­ri­ge sind ver­zo­gen und haben kei­ne Mög­lich­keit und auch kei­ne Zeit mehr, ein Grab zu pfle­gen“, so Höm­berg. Ein wesent­li­cher Grund, war­um die Urnen­bei­set­zun­gen nicht nur im Stadt­ge­biet Win­ter­berg enorm stei­gen. Den ers­ten Vor­stoß zum Ruhe­wald habe es in unmit­tel­ba­rer Umge­bung in Hal­len­berg gege­ben, so Hömberg .

Dar­auf­hin folg­ten bei der Stadt Win­ter­berg poli­tisch oft sehr rege und kon­tro­ver­se Diskussionen.

Vie­les habe dafür, Man­ches aber auch dage­gen gespro­chen. Heu­te sei man sich aber sicher: „Es war der rich­ti­ge Schritt nach vor­ne!“ Seit 2014 wur­den im Ruhe­wald ca. 80 Men­schen beer­digt. Eini­ge Bäu­me sind sogar schon „reser­viert“. Die Grab­pfle­ge wird der Natur über­las­sen! Höm­berg ver­schwieg dabei nicht, dass es auch einen wirt­schaft­li­chen Fak­tor gibt: „ Der Ruhe­wald rech­net sich und dadurch kön­nen wie­der­um die hohen Kos­ten der Fried­hofs­ver­wal­tung ein­ge­dämmt wer­den. Dar­aus resul­tie­ren auch die sta­bi­len Fried­hofs­ge­büh­ren!“ Bestat­ter Franz – Gerd Lüt­te­ken bestä­tig­te eben­falls die star­ke Zunah­me der Urnen­bei­set­zun­gen. Seit dem Jahr 2000 bis heu­te habe sich die Anzahl der Urnen­bei­set­zun­gen mehr als ver­vier­facht. Die Urnen­be­stat­tun­gen wur­den erst 1963 vom Hei­li­gen Offi­zi­um (Vor­gän­ger­be­hör­de der heu­ti­gen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on im Vati­kan) erlaubt – bis dahin ein lan­ger Weg mit gro­ßen Debat­ten. Pas­tor Lipin­ski erklär­te, war­um dies so war: „Der Mensch besteht nicht nur aus dem Leib, son­dern auch aus der See­le und vie­le Jahr­hun­der­te glaub­te man, dass der Leib als Sitz der See­le oder als Tem­pel des Hei­li­gen Geis­tes wür­de­voll bestat­tet und nicht ver­brannt wer­den durf­te. Auch ging es um den Auf­er­ste­hungs­ge­dan­ken der Toten und um den Men­schen wie er zu Leb­zei­ten war, in sei­ner Ein­heit als Leib und See­le und in sei­ner Vollkommenheit.“

Die Kir­che lehn­te die Feu­er­be­stat­tung Jahr­hun­der­te­lang ab, da sie wäh­rend der Auf­klä­rungs­zeit von anti­christ­li­chen Grup­pen pro­pa­giert wor­den war. Die Leug­nung der Auf­er­ste­hung spiel­te hier eine gro­ße Rol­le. Die Kir­che hob das Ver­bot erst auf, als glau­bens­feind­li­che Grün­de in den Hin­ter­grund getre­ten waren. Frau Rich­artz als freie Red­ne­rin hat schon zahl­rei­che freie Bestat­tun­gen mit durch­ge­führt. „Ange­hö­ri­ge wol­len mit eige­nen Ideen Abschied neh­men und suchen immer wie­der des­halb nach Alter­na­ti­ven“, so Rich­artz. „Ich erle­be die Viel­falt von Wün­schen von Ange­hö­ri­gen und ver­su­che die­se nach deren Vor­stel­lun­gen umzu­set­zen.“ Rich­artz beton­te: „Es muss ein­fach zu dem Ver­stor­be­nen passen.“

Die Pader­bor­ne­rin lässt sich auf Ritua­le ein und für sie ist es mög­lich, auch am Gra­be wei­ße Luft­bal­lons stei­gen zu las­sen. Wenn etwas von den Ange­hö­ri­gen kommt, kom­men­tiert sie: „Machen Sie es so, wie Sie es emp­fin­den!“ Angeb­lich sei in der Kir­che für sol­che Din­ge kein Raum! Pas­tor Lipin­ski demen­tier­te dies mit den Wor­ten: „Wir las­sen Vie­les zu, ob bei einer „nor­ma­len“ Sarg­be­er­di­gung oder einer Bei­set­zung im Ruhe­wald! Vie­les ist mög­lich, man muss nur Alles mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren. Es gibt kein Sche­ma A, B oder C! Auch ist allen bewusst, dass der Ort der Bei­set­zung der Fried­hof, der geweih­te Boden ist, wo wir den Glau­ben an die Auf­er­ste­hung erle­ben und spü­ren kön­nen. Es geht aber auch sehr viel mehr um die Hin­ter­blie­be­nen. Wir gehen als Haupt­amt­li­che auch auf Wunsch mit in den Ruhe­wald und spre­chen auch Gebe­te. Bei aller Unter­schied­lich­keit der Argu­men­te ist es ein­fach unse­re Auf­ga­be die Trau­ern­den zu beglei­ten.“ Krä­ling frag­te Lipin­ski, war­um die katho­li­sche Kir­che mit der Bei­set­zung im Ruhe­wald nicht kon­form gehe. Die katho­li­sche Kir­che kri­ti­siert, dass der Tod bei die­ser Bestat­tungs­form oft nur im Zusam­men­hang mit dem Natur­kreis­lauf gese­hen wird. Dies wider­spricht dem christ­li­chen Auf­er­ste­hungs­glau­ben. Es kommt hier dar­auf an, wel­che ideo­lo­gi­sche Vor­stel­lung dahin­ter steht. Lipin­ski:“ Es geht um den Glau­ben, was „danach“ – nach dem Tod pas­siert! Die Rück­kehr zum Natur­glau­ben ist nicht Glau­be der katho­li­schen Kir­che.“ Es müs­se halt kom­mu­ni­ziert wer­den, wel­che Vor­stel­lun­gen bei den Ange­hö­ri­gen oder bei dem Ver­stor­be­nen vorherrschen.

„Wir als Kir­che haben die Auf­ga­be, die Men­schen in der Trau­er zu beglei­ten und auch ein Zei­chen zu setzen:

Wir sind da und ihr seid uns nicht egal! Man soll­te nicht von bei­den Sei­ten mit Vor­ur­tei­len an die Sache her­an­ge­hen. Kom­mu­ni­ka­ti­on unter­ein­an­der ist beson­ders wich­tig!“, so Lipin­ski. Wei­ter­hin ver­wies Lipin­ski noch auf die stei­gen­de Anzahl von „Umbet­tun­gen“. Alter­na­ti­ve Bestat­tungs­for­men kön­nen für Ange­hö­ri­ge auch durch­aus belast­bar sein. Ein Abschied sowohl am offe­nen Sarg als auch auf dem Fried­hof, als ein Ort der Trau­er, der Ruhe und des Frie­dens ist für die Ver­ar­bei­tung von Tod immer wich­tig. Auch die per­sön­li­che Grab­pfle­ge gehört zur christ­li­chen Tra­di­ti­on und kann hel­fen, das Gedächt­nis der Toten zu bewah­ren und die Bezie­hung über den Tod hin­aus zu erhal­ten. Ein wich­ti­ger Punkt in der Trau­er­be­wäl­ti­gung. Die neu­en alter­na­ti­ven Bestat­tungs­for­men haben sicher­lich ihren Reiz: Vie­les ist ein­fa­cher! Letzt­end­lich muss jeder selbst ent­schei­den, was für ihn das Rich­ti­ge ist und bes­ten­falls auch mit Ange­hö­ri­gen und Freun­den kom­mu­ni­zie­ren. Krä­ling been­de­te die inter­es­san­te Dis­kus­si­ons­run­de mit ihren eigen Wor­ten: „Bei all der Viel­falt kann man sicher sagen, dass die Men­schen in den Situa­tio­nen des Todes sehr emp­find­lich sind. Wich­tig ist es sicher­lich, dass wir ihnen Hil­fe anbie­ten und sie beglei­ten, wo es nötig ist. Gera­de in die­sen Situa­tio­nen spie­gelt sich ja etwas von unse­rer Wer­tung und von unse­rem Christ­sein wider!“ Ein über­aus infor­ma­ti­ver Abend, musi­ka­lisch mit­ge­stal­tet von Mathi­as Dicke und Pau­li­ne Theine.

Vie­le Fra­gen von Zuhö­rern konn­ten vor Ort erör­tert und geklärt wer­den! Im Früh­jahr 2016 dür­fen sich alle Inter­es­sier­ten wie­der auf die The­ken­theo­lo­gen mit einem neu­en span­nen­den The­ma freuen!