Frage : Nicht gegen einen Angriffskrieg wehren, weil Russland am Ende doch der Stärkere ist …? Papst : Verhandeln, bevor es noch schlimmer wird …

Berliner Morgenpost/​Beschämende Sätze/​Leitartikel von Jan Dörner

Es gibt Men­schen, die in der katho­li­schen Kir­che und dem Papst eine Auto­ri­tät in gewich­ti­gen Fra­gen sehen : in Fra­gen von Moral und Mensch­lich­keit, von Krieg und Frie­den, von Gut und Böse. Und das über die Gren­zen von Staa­ten, Spra­chen und gar Reli­gio­nen hin­weg. Wer im Hei­li­gen Stuhl trotz der zahl­rei­chen Skan­da­le in der Kir­che wei­ter­hin eine mora­li­sche Instanz zu erken­nen ver­moch­te, soll­te sich jetzt fra­gen, ob es dafür noch eine Begrün­dung gibt.

Papst Fran­zis­kus hat sich in einem Inter­view zum Krieg Russ­lands gegen die Ukrai­ne geäu­ßert. Der Argen­ti­ni­er for­dert dar­in den Mut zu Ver­hand­lun­gen. Es sind mehr als zwei Jah­re ver­gan­gen, seit Russ­lands Dik­ta­tor Wla­di­mir Putin die Ukrai­ne über­fal­len hat. Zehn­tau­sen­de sind auf bei­den Sei­ten gestor­ben, Putins Trup­pen haben gan­ze Städ­te in Schutt und Asche gelegt, Land­stri­che ver­wüs­tet und ver­mint, Frau­en ver­ge­wal­tigt, Kin­der ver­schleppt, Män­ner gefol­tert und hingerichtet.

Es ist legi­tim, ein Ende des Krie­ges zu for­dern. Es gibt einen Frie­dens­plan von Ukrai­nes Staats­chef Selen­skyj. Der tür­ki­sche Prä­si­dent Erdo­gan bie­tet sich als Ver­mitt­ler zwi­schen Kiew und Mos­kau an, die Schweiz arbei­tet dar­an, einen Frie­dens­gip­fel aus­zu­rich­ten. Hin­ter den Kulis­sen bemüht sich auch die Bun­des­re­gie­rung um diplo­ma­ti­sche Lösun­gen. Nie­mand wünscht sich Frie­den mehr als die Ukrai­ne­rin­nen und Ukrainer.

Wenn Putin wirk­lich ein Inter­es­se an Frie­den und Ver­hand­lun­gen hät­te, könn­te er die Vor­aus­set­zun­gen dafür schnell schaf­fen. Der Papst for­dert aller­dings nicht den Herr­scher im Kreml auf, sei­nen Sol­da­ten zu befeh­len, das Mor­den zu stop­pen, die besetz­ten Gebie­te zu räu­men, Gefan­ge­ne frei­zu­las­sen oder die Angrif­fe mit Droh­nen und Rake­ten auf ukrai­ni­sche Städ­te unver­züg­lich ein­zu­stel­len. Statt­des­sen schiebt das Kir­chen­ober­haupt der Ukrai­ne die Ver­ant­wor­tung dafür zu, den Krieg auf ihrem Boden zu beenden.

Nicht nur in der Ukrai­ne, auch bei ihren west­li­chen Unter­stüt­zern gibt es die gro­ße Sor­ge, dass die ukrai­ni­schen Trup­pen die Angrei­fer nicht dau­er­haft abweh­ren kön­nen. Putin ver­fügt über mehr Sol­da­ten und wirft sie scho­nungs­los ins Gefecht, der Ukrai­ne gehen Muni­ti­on und Waf­fen aus. „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben zu ver­han­deln“, rät nun der Papst. „Schä­men Sie sich nicht zu ver­han­deln, bevor es noch schlim­mer wird.“ Es sei der­je­ni­ge der Stär­ke­re, „der den Mut der wei­ßen Fah­ne hat zu verhandeln“.

Es sind beschä­men­de Sät­ze. Sie kom­men der Auf­for­de­rung gleich, sich nicht gegen einen Angriffs­krieg zu weh­ren, weil die Ukrai­ne damit alles nur schlim­mer mache, weil Russ­land am Ende doch der Stär­ke­re sei. Fran­zis­kus knickt damit vor Putins Welt­bild ein. Eilig bemüh­te sich der Vati­kan, dem Ein­druck zu wider­spre­chen, der Papst habe die Ukrai­ne zur Kapi­tu­la­ti­on auf­ge­for­dert. Eigent­lich habe er die Chan­ce auf Ver­hand­lun­gen wie­der­be­le­ben wol­len, lie­fer­te ein Spre­cher des Hei­li­gen Stuhls eine Inter­pre­ta­ti­on für die ver­quas­ten Sät­ze des Paps­tes nach.

Es ist jedoch nicht das ers­te Mal, dass Fran­zis­kus es nicht schafft, sich in die­sem Krieg an die Sei­te des Ange­grif­fe­nen zu stel­len, den Aggres­sor klar zu ver­ur­tei­len. Als Argen­ti­ni­er ist er ein Mann des glo­ba­len Südens. Sein Wort hat gro­ßes Gewicht in Staa­ten, die Druck auf Putin machen müss­ten, damit die­ser Ver­hand­lun­gen zustimmt. Statt aber sei­nen Teil bei­zu­tra­gen, redet der Papst jenen das Wort, die dazu bereit sind, für den Wunsch nach Frie­den das Recht des Stär­ke­ren zu akzeptieren.

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Quel­le : BER­LI­NER MOR­GEN­POST, Redaktion
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