Zunahme psychischer Erkrankungen : Jugendärztepräsident ruft Eltern zum Schutz der Kinder vor TikTok und Instagram auf

Fischbach : „Bei Kleinkindern vor Tablets stehen mir Haare zu Berge“ – Smartphone für Neunjährige „definitiv zu früh“

Ange­sichts immer mehr psy­chi­scher Erkran­kun­gen hat Kin­der­ärz­te­prä­si­dent Tho­mas Fisch­bach Eltern dazu auf­ge­ru­fen, ihre Kin­der vor sozia­len Netz­wer­ken wie Tik­Tok zu schüt­zen. „Eltern müs­sen dem Medi­en- und Inter­net­kon­sum kla­re Gren­zen set­zen!“, sag­te der Prä­si­dent des Berufs­ver­ban­des der Kin­der- und Jugend­ärz­te (BVKJ) im Inter­view mit der „Neu­en Osna­brü­cker Zei­tung“ (NOZ). „Auf Tik­Tok, Insta­gram oder You­Tube wird teils ein Schlank­heits­wahn zele­briert, nach dem die Teen­ager stre­ben sol­len, und wer nicht mit­macht, ist raus. Da tum­meln sich soge­nann­te Influen­cer, die zahl­lo­se unge­fes­tig­te jun­ge Men­schen nega­tiv beein­flus­sen“, sag­te Fisch­bach. Auch dadurch sei­en die Lebens­be­din­gun­gen für Her­an­wach­sen­de viel kom­pli­zier­ter gewor­den. „Und vie­le macht das psy­chisch krank, das sehen wir in unse­ren Pra­xen ganz deutlich.“

Anlass der Äuße­run­gen sind Zah­len des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes, wonach zehn Pro­zent aller Min­der­jäh­ri­gen unter psy­chi­schen Pro­ble­men lei­den und der Anteil in den ver­gan­ge­nen Jah­ren deut­lich zuge­nom­men hat. „Dass es so schlecht steht um die see­li­sche Gesund­heit unse­rer Jugend, ist hart, weil sie die Zukunft sind“, sag­te Fischbach.

Die exten­si­ve Medi­en­nut­zung sei eine der Ursa­chen. „Wenn ich beob­ach­te, dass schon Klein­kin­der Tablets in die Hand bekom­men und ohne ihre Spie­le und Comic-Seri­en nicht essen wol­len, ste­hen mir die Haa­re zu Ber­ge“, sag­te der BVKJ-Prä­si­dent. „Ein Smart­phone schon für Neun­jäh­ri­ge ist defi­ni­tiv zu früh ! Vor einem Alter von zwölf Jah­ren soll­ten Kin­der kein inter­net­fä­hi­ges Han­dy haben.“

Auch wenn man Kin­der nicht in eine Glas­glo­cke ste­cken und von allem fern­hal­ten sol­le, sei die „Gefahr der Ver­füh­rung“ allen tech­ni­schen Kon­troll­mög­lich­kei­ten zum Trotz sehr groß, erklär­te Fisch­bach sei­nen Auf­ruf und beton­te : „Eltern dür­fen sich nicht aus Bequem­lich­keit davor drü­cken, Gren­zen zu set­zen. Ein wenig Stand­haf­tig­keit sind Eltern ihren Kin­dern schul­dig. Die rea­le Welt wird für eine gesun­de Ent­wick­lung von Kin­dern und Jugend­li­chen immer wich­ti­ger blei­ben als die virtuelle.“

Auch die Poli­tik nahm Fisch­bach in die Pflicht. So habe die Iso­la­ti­on in der Coro­na-Pan­de­mie die jun­gen Men­schen auf sich selbst zurück­ge­wor­fen und die psy­chi­schen Belas­tun­gen ver­schlim­mert, nun wer­de ihnen aber nicht aus­rei­chend gehol­fen. Einer der Auf­trä­ge der inter­mi­nis­te­ri­el­len Arbeits­grup­pe zum Umgang mit den Coro­na-Fol­gen sei es, Brenn­punkt­schu­len mit mehr Men­tal Health Coa­ches aus­zu­stat­ten. „Aber dafür gibt es nicht genug Mit­tel, jeden­falls nur ein Vier­tel des­sen, was die Nie­der­län­der dafür auf­brin­gen“, sag­te er. „Dass sich der Staat einen schlan­ken Fuß macht, wenn es um die Finan­zie­rung und kon­kre­te Umset­zung sol­cher Pro­gram­me geht, ist aus Sicht der Kin­der- und Jugend­ärz­tin­nen und ‑ärz­te ein gro­ßer Fehler.“

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Quel­le : Neue Osna­brü­cker Zei­tung, Redaktion
Ori­gi­nal-Con­tent von : Neue Osna­brü­cker Zei­tung, über­mit­telt durch news aktuell

Foto­credit : Ado­be­Stock 191778786 / Brisystem

 

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