12 Jahre Gewalt und Vertreibung in Syrien: Millionen Menschen sind mit beispiellosem Leid konfrontiert „Es gibt keine Sicherheit in Syrien“

Zwar kommen aktuell finanzielle Mittel für die Erdbebenhilfe in Syrien an, jedoch sind für den umfassenderen, von den Vereinten Nationen geleiteten Hilfsplan …

Die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft muss ihre Bemü­hun­gen um lang­fris­ti­gen Frie­den und Ent­wick­lung in Syri­en über die der­zei­ti­ge Erd­be­ben­hil­fe hin­aus ver­stär­ken, mahnt die huma­ni­tä­re Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on Isla­mic Reli­ef, wäh­rend die Syri­en­kri­se sich zum 12. Mal jährt. Zwar kom­men aktu­ell finan­zi­el­le Mit­tel für die Erd­be­ben­hil­fe in Syri­en an, jedoch sind für den umfas­sen­de­ren, von den Ver­ein­ten Natio­nen gelei­te­ten Hilfs­plan für die Syri­en­kri­se 2023 gera­de ein­mal fünf Pro­zent der Mit­tel bereitgestellt.

Die welt­wei­te Auf­merk­sam­keit für die Kri­se in Syri­en hat nach­ge­las­sen, doch das Aus­maß des Leids ist heu­te grö­ßer denn je. Die jüngs­ten Erd­be­ben haben die Zer­stö­rung ver­schlim­mert, die durch 12 Jah­re Gewalt ver­ur­sacht wur­de. Der anhal­ten­de Kon­flikt im Land hat zur welt­weit größ­ten Ver­trei­bungs­kri­se geführt und mehr als 13 Mil­lio­nen Men­schen aus ihrem zu Hau­se vertrieben.

Öffent­li­che Diens­te wie Gesund­heits­ein­rich­tun­gen und Schu­len sind durch jah­re­lan­ge Bom­bar­die­run­gen, Ver­sor­gungs­eng­päs­se und nun das Erd­be­ben stark geschwächt wor­den. Die Wirt­schaft ist am Boden zer­stört. 90 Pro­zent der Men­schen in Syri­en leben heu­te in Armut, und Mil­lio­nen sind nicht in der Lage, Arbeit zu fin­den oder ihre Fami­li­en zu ernähren.

Hun­ger, man­geln­de Gesund­heits­ver­sor­gung und psy­chi­sche Krankheiten

Etwa die Hälf­te aller Haus­hal­te hat nicht genug zu essen, und die Zahl der Hun­gern­den steigt rapi­de an. Isla­mic Reli­ef beob­ach­tet eine Zunah­me der Kin­der­ar­beit und der Früh­ver­hei­ra­tung von jun­gen Mäd­chen, da die Fami­li­en ums Über­le­ben kämp­fen. Fast die Hälf­te aller Kin­der zeigt inzwi­schen Anzei­chen von psy­chi­schen Problemen.

Wäh­rend die Mit­tel für die Erd­be­ben­hil­fe jetzt ankom­men, sind für den umfas­sen­de­ren, von den Ver­ein­ten Natio­nen gelei­te­ten Hilfs­plan für die Syri­en­kri­se 2023 gera­de ein­mal fünf Pro­zent der Mit­tel bereit­ge­stellt. Isla­mic Reli­ef appel­liert an die Regie­run­gen, die Syri­en in den letz­ten Jah­ren ver­nach­läs­sigt haben, die Unter­stüt­zung für die Lebens­grund­la­gen, den Schutz und die Grund­ver­sor­gung der Men­schen wiederaufzunehmen.

Mehr Mit­tel für Wie­der­auf­bau von Kran­ken­häu­sern und Schu­len benötigt

Im Rah­men der Erd­be­ben­hil­fe in der Tür­kei traf eine inter­na­tio­na­le Isla­mic Reli­ef-Dele­ga­ti­on gemein­sam mit der Geschäfts­füh­rung von Isla­mic Reli­ef Deutsch­land in der Regi­on auch syri­sche Geflüch­te­te. Nach ihrem Bericht, lie­gen über­all noch die Trüm­mer und Rui­nen der Häu­ser. Die syri­schen Geflüch­te­ten, die vor schreck­li­cher Gewalt und Bom­ben­an­grif­fen geflo­hen sind und sich ein neu­es Leben auf­zu­bau­en ver­such­ten, haben nun durch das Erd­be­ben das Weni­ge, was sie an Besitz besa­ßen, in weni­gen Sekun­den weg­ge­ris­sen bekommen.

Tarek Abdelalem und Nuri Köse­li, Geschäfts­füh­rer von Isla­mic Reli­ef Deutsch­land, geben an, dass das Erd­be­ben in den Kon­text einer 12-jäh­ri­gen Kri­se gestellt wer­den muss. Dem­nach müs­sen die Hilfs­be­mü­hun­gen lang­fris­ti­ge Lösun­gen unter­stüt­zen, wel­che die in den letz­ten 12 Jah­ren beschä­dig­te Infra­struk­tur wie­der­auf­bau­en, nicht nur die­je­ni­ge der letz­ten Wochen. Mil­lio­nen von Men­schen in Syri­en waren schon lan­ge vor dem Erd­be­ben ent­wur­zelt und obdach­los, und die Kran­ken­häu­ser lei­den unter den jah­re­lan­gen Bom­bar­die­run­gen und der knap­pen Versorgung.

„Nach dem Erd­be­ben dür­fen wir nicht ein­fach zum Sta­tus quo zurück­keh­ren, son­dern müs­sen in die Zukunft Syri­ens inves­tie­ren, indem wir die Men­schen bei der Siche­rung ihres Lebens­un­ter­halts unter­stüt­zen und öffent­li­che Dienst­leis­tun­gen wie Gesund­heits­ver­sor­gung und Bil­dung wie­der­her­stel­len.“, erklärt Tarek Abdelalem.

„Nach 12 lan­gen und bru­ta­len Jah­ren hat man das Gefühl, dass die Welt die Men­schen in Syri­en weit­ge­hend ver­ges­sen hat. Mit dem Erd­be­ben erin­ner­te man sich wie­der etwas an sie. Aller­dings ist der Kon­flikt in Syri­en eine der schlimms­ten Kri­sen des 21. Jahr­hun­derts und es ist wich­tig, dass wir die Men­schen in die­ser Zeit der gro­ßen Not nicht im Stich las­sen.“, fügt Nuri Köse­li hinzu.

Not in Lagern und die Angst vor Rück­kehr: „Es gibt kei­ne Sicher­heit in Syrien.“

Die Mit­tel für die Unter­stüt­zung von Men­schen, die vor der Gewalt geflo­hen sind, sind in den letz­ten Jah­ren zurück­ge­gan­gen. Rund 6,8 Mil­lio­nen Men­schen sind heu­te Bin­nen­ver­trie­be­ne in Syri­en und wei­te­re 5,6 Mil­lio­nen Geflüch­te­te – fast die Hälf­te von ihnen Kin­der – leben in ande­ren Län­dern des Nahen Ostens. Vie­le sind hin- und her­ge­ris­sen zwi­schen einem Leben in ver­zwei­fel­ter Not und der stän­di­gen Angst vor einer Rück­kehr in die Heimat.

Mona, eine syri­sche Geflüch­te­te im Liba­non ist an Brust­krebs erkrankt und ihr Sohn muss behan­delt wer­den, um Tumo­re an sei­nem Hals zu ent­fer­nen. Sie berich­tet Isla­mic Reli­ef von den Aus­wir­kun­gen des Rück­gangs der finan­zi­el­len Mit­tel für huma­ni­tä­re Hilfe:

„In Syri­en wur­de bom­bar­diert, gemor­det, geprü­gelt und geschlach­tet“. Aber auch hier im Liba­non ist unse­re Situa­ti­on schwie­rig und sie ist kom­pli­zier­ter gewor­den. Frü­her hat­ten wir eine Kar­te der Ver­ein­ten Natio­nen (um Lebens­mit­tel und ande­re Hilfs­gü­ter zu erhal­ten), aber jetzt wur­de sie gestoppt. Wir konn­ten uns kei­ne Koh­le für die Hei­zung leis­ten, also muss­ten wir, um uns warm zu hal­ten, alte Schu­he und alte Klei­dung ver­bren­nen. Ich ver­zwei­fe­le an die­sem Leben. Unse­re Situa­ti­on im Liba­non ist sehr schwie­rig, (aber) wir kön­nen auch nicht in unser Land zurück­keh­ren. Wenn wir das täten, wür­de ich die Sicher­heit mei­ner Kin­der auf­ge­ben. Es gibt kei­ne Sicher­heit in Syrien.“

Isla­mic Reli­ef for­dert auch Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung des Zugangs für huma­ni­tä­re Hil­fe inner­halb Syri­ens, z. B. durch die Geneh­mi­gung län­ger­fris­ti­ger grenz­über­schrei­ten­der Hil­fe und die Sicher­stel­lung, dass inter­na­tio­na­le Sank­tio­nen die huma­ni­tä­re Hil­fe nicht behindern.

Der­zeit läuft die Geneh­mi­gung des UN-Sicher­heits­rats für den Trans­port von Hilfs­gü­tern aus der Tür­kei über die Gren­ze zu Syri­en alle sechs Mona­te aus, was es den huma­ni­tä­ren Orga­ni­sa­tio­nen unmög­lich macht, die benö­tig­te nach­hal­ti­ge und lang­fris­ti­ge Unter­stüt­zung regel­mä­ßi­ger zu pla­nen und zu leis­ten. Sank­tio­nen haben oft unbe­ab­sich­tig­te Fol­gen, die zu Ver­zö­ge­run­gen bei der Bereit­stel­lung wich­ti­ger Hil­fe und zu Pro­ble­men beim Trans­fer von Mit­teln für die huma­ni­tä­re Arbeit nach Syri­en füh­ren. Vor­über­ge­hen­de huma­ni­tä­re Aus­nah­men, die für die Erd­be­ben­hil­fe gewährt wur­den, müs­sen nun ver­län­gert werden.

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Quel­le: Sara Ahmed Mar­ti­nez, Pressereferentin
Ori­gi­nal-Con­tent von: Isla­mic Reli­ef Deutsch­land e.V., über­mit­telt durch news aktuell

Bild­un­ter­schrift: Eine ver­trie­be­ne syri­sche Fami­lie in Nord­west­sy­ri­en ver­sam­melt sich um ein klei­nes Feu­er, um sich im Win­ter zu wärmen.

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Fotograf:©Islamic Reli­ef Deutsch­land e.V.