Wenn der Vorgarten ergraut … Mehr und mehr Kommunen wollen formalrechtlich gegen …

Mehr und mehr Kommunen wollen formalrechtlich gegen die grauen Flächen vor den Häusern vorgehen, andere tun es bereits

„Schot­ter­gär­ten“ sind seit eini­gen Jah­ren The­ma in der Öffent­lich­keit, in den Medi­en und in der Poli­tik. Mehr und mehr Kom­mu­nen wol­len for­mal­recht­lich gegen die grau­en Flä­chen vor den Häu­sern vor­ge­hen, ande­re tun es bereits. In man­chen Städ­ten und Gemein­den wird der Rück­bau finan­zi­ell unter­stützt, in ande­ren fin­den Wett­be­wer­be statt, um bepflanz­te Vor­gär­ten stär­ker ins Bewusst­sein der Men­schen zu tra­gen. Auf der ande­ren Sei­te ste­hen die Besit­zer die­ser stei­ni­gen Ange­le­gen­hei­ten und begrün­den ihre Ent­schei­dung mit Moder­ni­tät, Pfle­ge­leich­tig­keit und Argu­men­ten wie „hin­ter dem Haus haben wir ja vie­le Pflanzen“.

Stein­reich im Vorgarten

Über Geschmack lässt sich bekannt­lich nicht strei­ten, über den Pfle­ge­auf­wand und die Aus­wir­kun­gen von Schot­ter­auf­schüt­tun­gen – die wahr­lich kei­ne Gär­ten sind – dage­gen schon. „Aus mei­nen Befra­gun­gen weiß ich, dass vie­le sich aus Unkennt­nis über die Fol­gen für Schot­ter ent­schie­den haben“, erläu­tert Land­schafts­gärt­ner Den­ny Apsel. Im Rah­men sei­ner Bache­lor­ar­beit im Stu­di­en­gang „Land­schafts­bau und Land­schafts­ma­nage­ment“ hat er sich mit dem The­ma inten­siv aus­ein­an­der­ge­setzt. „Vie­le Men­schen geben an, sie hät­ten zu wenig Zeit, um ihre Vor­gär­ten zu ver­sor­gen bzw. zu pfle­gen. Dazu kommt, dass der Platz vor dem Haus kaum mehr genutzt wird, die Men­schen zie­hen sich lie­ber in den Gar­ten hin­ter dem Haus zurück und wol­len mög­lichst wenig öffent­lich wer­den. Ande­re nen­nen ästhe­ti­sche Grün­de: Schot­ter­flä­chen strah­len für sie eine Klar­heit und Ord­nung aus, die ihnen tat­säch­lich gefällt. Dass die­se Ord­nung nur von kur­zer Dau­er ist, ahnen sie nicht und man­che haben mir auch gesagt, dass sie die Ent­schei­dung im Nach­hin­ein bereuen.“

Stei­ne machen kei­ne Arbeit?

Tat­säch­lich sind die grau­en Flä­chen deut­lich pfle­ge­inten­si­ver als häu­fig ange­nom­men. Denn mit der Zeit lan­den Unrat, Staub und Laub zwi­schen den Stei­nen. Wer­den die­se nicht müh­sam von Hand ent­fernt, wirkt das Gesamt­bild unor­dent­lich, zudem bil­det sich dar­aus eine Humus­schicht, in der ange­weh­te Samen gute Bedin­gun­gen zum Kei­men vor­fin­den. Eine Spon­tan­ve­ge­ta­ti­on aus uner­wünsch­ten Wild­kräu­tern ist die Fol­ge. Auch Moos setzt sich mit der Zeit fest. „Durch­dacht aus­ge­wähl­te und ange­ord­ne­te Gewäch­se machen da deut­lich weni­ger Arbeit“, weiß Achim Klu­ge vom Bun­des­ver­band Garten‑, Land­schafts- und Sport­platz­bau e. V. (BGL). „Hin­zu kommt, dass sie durch das Jahr attrak­tiv aus­se­hen und im Unter­schied zu den immer glei­chen Schot­ter­wüs­ten das Gesicht des Vor­gar­tens immer wie­der auf schö­ne Wei­se ver­än­dern.“ Boden­de­cker bei­spiels­wei­se wach­sen so dicht, dass Wild­kräu­ter kaum Platz zum Ansie­deln und Aus­brei­ten fin­den. Stau­den und Grä­ser sind, rich­tig aus­ge­wählt, hit­ze­to­le­rant, brau­chen im Som­mer wenig bis gar kein Was­ser und im neu­en Jahr nur einen muti­gen Schnitt. Zwie­bel­blu­men wer­den im Herbst gesetzt und zie­hen ohne wei­te­res Zutun im Früh­ling alle Auf­merk­sam­keit auf sich. Land­schafts­gärt­ner Apsel: „Es ist unbe­dingt wich­tig, auf­zu­zei­gen, dass Pflanz­flä­chen nicht pfle­ge­auf­wän­dig sein müs­sen und je nach Situa­ti­on auch finan­zi­ell güns­ti­ger sind als Schotterwüsten.“

All­round­ta­len­te im Vorgarten

Pflan­zen sehen aber nicht nur gut aus und ver­lan­gen wenig Pfle­ge, sie sind auch für die Tier­welt und natür­lich für uns Men­schen enorm wich­tig. Den­noch ver­zich­ten vie­le Vor­gar­ten­be­sit­zer bewusst auf Grün vor ihrem Haus. „Wenn dort die ein oder ande­re Pflan­ze ver­wen­det wird, dann als Fremd­kör­per. Der Fokus liegt eben nicht auf Leben­dig­keit und Fül­le, son­dern auf nüch­ter­ner Lee­re“, beschreibt Apsel. Ein häu­fi­ges Argu­ment ist, dass hin­ter dem Haus Viel­falt herr­sche und das genü­gen müs­se. Dabei wird jedoch ver­ges­sen, dass die Sum­me vie­ler Vor­gär­ten eine enor­me Flä­che ergibt, die wie­der­um direk­te Aus­wir­kun­gen auf das Kli­ma in der Stra­ße hat. „Pflan­zen küh­len an hei­ßen Som­mer­ta­gen aktiv die Luft, hei­zen sich nicht so stark auf wie Schot­ter­schüt­tun­gen und beschat­ten mit ihren Blät­tern den Boden, das Haus und auch den Asphalt. So schaf­fen sie einen kli­ma­ti­schen Aus­gleich zur Bebau­ung und eine ange­neh­me Atmo­sphä­re“, hebt Klu­ge vom BGL her­vor. „Bei Regen ste­hen grü­ne Vor­gär­ten als Ver­si­cke­rungs­flä­che zur Ver­fü­gung, sie schlu­cken Schall, was die Wohn­quar­tie­re lei­ser macht, und sie bin­den Fein­staub, rei­ni­gen die Luft und pro­du­zie­ren Sau­er­stoff!“ Hin­zu kommt, dass bepflanz­te Vor­gär­ten wich­ti­ge Tritt­stei­ne für die Ver­net­zung von Öko­sys­te­men sind und Lebens­räu­me für Vögel und Insek­ten schaf­fen. „Pflan­zen sind mei­nes Erach­tens nicht ein­fach nur ein Bau­stoff neben ande­ren, son­dern sie soll­ten im Fokus ste­hen“, betont Apsel und Klu­ge fügt hin­zu: „Ein abwechs­lungs­rei­cher Gar­ten hin­ter dem Haus ist enorm wich­tig und nicht zu unter­schät­zen – das­sel­be gilt aber auch für den Vor­gar­ten. Jeder Qua­drat­me­ter zählt!“ Wei­te­re Infor­ma­tio­nen auf www​.ret​tet​-den​-vor​gar​ten​.de.

 

Quel­le: Ali­na Rie­mer, NED​.WORK Agen­tur + Ver­lag GmbH, Düsseldorf
Foto: BGL/ Apsel. – Bei „Schot­ter­gär­ten“ liegt der Fokus nicht auf leben­di­gen Pflan­zen, son­dern auf nüch­ter­ner Leere.