Besonders gefährlich sind Außerortsstraßen für junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. In dieser Altersgruppe liegt der Landstraßen-Anteil an den Verkehrstoten bei zwei Dritteln.
- Enge Kurvenradien sorgen für Schwierigkeiten
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Ziel: selbsterklärende Straße, fehlerverzeihende Seitenraumgestaltung
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Fahrausbildung sollte alle Straßencharakteristiken abdecken
EU-weit sind seit Jahren über 50 Prozent der Verkehrstoten auf Landstraßen zu verzeichnen. Besonders gefährlich sind Außerortsstraßen für junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. In dieser Altersgruppe liegt der Landstraßen-Anteil an den Verkehrstoten bei zwei Dritteln. Die Gründe dafür sind vielfältig. „Überhöhte Geschwindigkeit und Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss sowie Selbstüberschätzung spielen eine Rolle. Hinzu kommt die noch nicht sonderlich ausgeprägte Fähigkeit, den Straßenverlauf mit möglicherweise engen Kurven richtig einzuschätzen und die Fahrweise entsprechend anzupassen“, erklärt DEKRA Experte Walter Niewöhner. Umso mehr Bedeutung komme deshalb einer funktionstüchtigen und effizienten Infrastruktur zu, sagt der DEKRA Experte unter Verweis auf den DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2022 „Mobilität junger Menschen“.
Wenn es um die Erhöhung der Verkehrssicherheit geht, spielt neben der Fahrzeugtechnik und dem Faktor Mensch auch die Infrastruktur eine wichtige Rolle. Nicht ohne Grund sieht daher zum Beispiel die EU-Kommission die Infrastruktur als einen wesentlichen Bereich ihrer Politik zur Reduzierung der Unfallzahlen an. Dabei geht es nicht nur um Neubauprojekte, sondern insbesondere auch um die gezielte Erhöhung des Sicherheitsniveaus bestehender Straßen. „Unter die Lupe zu nehmen sind dabei vor allem Aspekte wie Zustand der Fahrbahndecke, Vorhersehbarkeit der Straßenführung, Erkennbarkeit der Fahrbahn, Seitenraumgestaltung, Fahrbahnmarkierungen, Gestaltung von Kreuzungs- und Einmündungsbereichen oder Schaffung von Ausweich- und Überholmöglichkeiten“, gibt Walter Niewöhner zu bedenken.
Die Relevanz der Infrastruktur für das Unfallgeschehen vor allem auch von jungen Fahrern zeigt eine Datenauswertung des vom baden-württembergischen Verkehrsministerium entwickelten Verkehrssicherheits-Screenings. Die Analyse der Daten aus den Jahren 2016 bis 2020 für den DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2022 „Mobilität junger Menschen“ hat ergeben, dass auf Bundes‑, Landes- und Kreisstraßen in Baden-Württemberg rund 20 % der unfallverursachenden Personen am Steuer eines Pkw zur Altersklasse der 18- bis 24-Jährigen gehörten. Zum Vergleich: In der zahlenmäßig weitaus größeren Altersgruppe der 25- bis 64-Jährigen waren es insgesamt knapp 60 %. Splittet man das Unfallgeschehen für den genannten Zeitraum weiter auf, so lässt sich unter anderem feststellen, dass junge Personen am Steuer eines Pkw anteilig etwa doppelt so häufig wie die 25- bis 64-Jährigen in Fahrunfälle verwickelt waren, also die Kontrolle über das Fahrzeug verloren (28,6 zu 14,5 %).
Aufschlussreiche Datenerhebung
Eine Unterteilung nach Straßenklassen zeigt insbesondere für Landes- und Kreisstraßen einen deutlich höheren Anteil an solchen Fahrunfällen für junge Personen (30,9 zu 14,9 %). Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Landes- und Kreisstraßen, die in Baden-Württemberg 22.167 Kilometer des Straßennetzes einnehmen – Bundesstraßen machen 4.202 Kilometer aus –, beinhalten einen höheren Anteil von Straßen mit geringerer Fahrbahnbreite und weisen damit auch engere Kurvenradien auf. „Damit ergeben sich gerade für unerfahrene Personen mehr Probleme, mit dem Fahrzeug dem Straßenverlauf zu folgen“, sagt DEKRA Experte Niewöhner.
In 25,3 % der Fälle waren junge Personen außerorts (ohne Autobahnen) in Unfälle mit einem einbiegenden oder kreuzenden Fahrzeug verwickelt (25- bis 64-Jährige in 33,3 % der Fälle). Unfälle im Längsverkehr mit Fahrzeugen in gleicher oder entgegengesetzter Richtung verursachten junge Personen in 26,4 % der Fälle (25- bis 64-Jährige in 27,5 % der Fälle). Unangepasste Geschwindigkeit oder Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit wurde jungen Personen je nach Art der Unfallursache und Straßenkategorie anteilig bis zu fünfmal so häufig zugewiesen wie den 25- bis 64-Jährigen. Etwa jeder dritte von einer jungen Person verursachte Unfall ereignete sich in der Nacht – bei den 25- bis 64-Jährigen war es „nur“ jeder vierte Unfall. „Auch wenn die genannten Daten sich auf Baden-Württemberg beschränken, dürften sie durchaus repräsentativ für vergleichbare Unfallgeschehnisse im Straßenverkehr in vielen anderen Ländern dieser Welt sein“, ist der DEKRA Experte überzeugt.
Unfallbegünstigende Faktoren beseitigen und Gefahrenstellen entschärfen
In der Tat ist für die Verkehrssicherheit auf Landstraßen neben dem Zustand der Fahrbahndecke vor allem auch die Erkennbarkeit des Fahrbahnverlaufs und der einzelnen Fahrstreifen bei unterschiedlichen Licht- und Wetterverhältnissen ein zentraler Faktor. „Sowohl zur Unfallvermeidung als auch zur Minderung von Unfallfolgen spielt außerdem die Seitenraumgestaltung von Landstraßen eine wichtige Rolle“, benennt Niewöhner einen weiteren wichtigen Aspekt. Dem Fahrer diene sie als erste Orientierung, wie die Straße weiter verläuft. Gleichzeitig schaffe sie eine Erwartungshaltung zum weiteren Zustand der Straße und beeinflusse damit zum Beispiel direkt die Geschwindigkeitswahl. Diskrepanzen zwischen suggeriertem und realem Straßenverlauf und ‑zustand seien daher unbedingt zu vermeiden.
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit Unfällen auf Landstraßen besteht darin, dass Überholvorgänge nicht selten mit Frontalkollisionen oder schleuderndem Abkommen von der Fahrbahn enden. Unzureichende Sicht, Fehleinschätzung von Abständen und Geschwindigkeiten sowie die eigene Ungeduld sind nur einige Gründe für die oftmals fatale Entscheidung zum Überholen. Erhöhen lässt sich die Verkehrssicherheit auf Landstraßen auch durch abschnittsweise angelegte Überholfahrstreifen in Kombination mit Überholverboten sowie durch Geschwindigkeitsbegrenzungen.
„Ziel aller Maßnahmen muss am Ende die selbsterklärende, fehlerverzeihende Straße sein“, fordert der DEKRA Experte. Soll heißen: Der Nutzer erkennt intuitiv schon allein aufgrund der Straßengestaltung, welches Fahrverhalten und welche Geschwindigkeit von ihm verlangt werden. Gefährliche Stellen sind als solche erkennbar. Gleichzeitig bietet die Straße genügend Sicherheitsreserven, damit ein Fahrer nach einem Fehler schnell wieder die Kontrolle über sein Fahrzeug erlangt und es möglichst zu keinem Unfall kommt beziehungsweise die Unfallfolgen weniger gravierend sind.
Als wichtige präventive Maßnahme sollte darüber hinaus die praktische Fahrausbildung im Hinblick auf Straßencharakteristik (innerorts, schmale Landstraßen, Autobahn) und Lichtverhältnisse (Nachtfahrten) in allen Ländern möglichst umfassend gestaltet werden.
Quelle Text + Bild: Wolfgang Sigloch, Pressesprecher Automobil, DEKRA e. V.