NABU : Notprogramm für Wildbiene, Feldhamster, Schweinswal & Co.

Krüger : Stiller Hilferuf der Natur – Artenkrise muss politisch mehr Aufmerksamkeit erfahren

win­ter­berg-total­lo­kal : Sie ver­schwin­den – meist lei­se und unauf­fäl­lig. Flä­chen­fraß, indus­tri­el­le Land­wirt­schaft und Umwelt­ver­schmut­zung set­zen unse­rer Tier- und Pflan­zen­welt zu. 2019 mel­de­te der Welt­bio­di­ver­si­täts­rat, dass etwa eine Mil­li­on von acht Mil­lio­nen Tier- und Pflan­zen­ar­ten vom Aus­ster­ben bedroht ist. Das Netz des Lebens, das die­se Arten bil­den, wird immer löcheriger.

Unmit­tel­bar vom Aus­ster­ben bedroht ist bei­spiels­wei­se der Feld­hams­ter. Der klei­ne Nager steht auf der welt­wei­ten Roten Lis­te der bedroh­ten Arten. Glei­ches Bild bei der Wür­fel­nat­ter. Die Baye­ri­sche Kurz­ohr­maus wur­de erst 1962 ent­deckt und gilt heu­te als ver­schol­len. Vom Ost­see­schweins­wal gibt es nur noch etwa 500 Tie­re in der zen­tra­len Ost­see. Die Lis­te der vom Aus­ster­ben bedroh­ten Arten ist viel zu lang.

Dabei wird unter­schätzt, dass das Arten­ster­ben für Gesund­heit, Wohl­stand und Sicher­heit eine eben­so hohe Rele­vanz besitzt wie das Kli­ma. Wis­sen­schaft­lich ist lan­ge belegt, dass wir die Erd­er­hit­zung nur brem­sen, Pan­de­mien nur vor­beu­gen und unse­re Ernäh­rung nur sichern kön­nen, wenn wir die Viel­falt an Arten und ihrer Lebens­räu­me so weit wie mög­lich wie­der her­stel­len. Wie eng Kli­ma- und Arten­kri­se mit­ein­an­der ver­wo­ben sind, beschreibt der gemein­sa­me Bericht des Welt­kli­ma­ra­tes mit dem Welt­bio­di­ver­si­täts­rat. Arten­schutz ist rele­vant fürs Klima.

Das Arten­ster­ben ist eine stil­le Kri­se. Sie wird aus­ge­löst durch eine Viel­zahl mensch­li­cher Fak­to­ren – Ver­nich­tung von Wäl­dern, Tro­cken­le­gung von Moo­ren, indus­tri­el­le Über­fi­schung und Ver­mül­lung der Mee­re, sowie Über­nut­zung unse­re Böden. Durch die Kli­ma­kri­se wird die Arten­kri­se noch­mals verstärkt.

Moo­re und Wäl­der zei­gen uns : Eine intak­te Natur schützt uns vor der Kli­ma­kri­se, sie bin­det Treib­haus­ga­se und mil­dert Extrem­wet­ter ab. Eine aus­ge­beu­te­te Natur hin­ge­gen wird zu einer Gefahr für uns : Wenn Wäl­der bren­nen und tro­cken­ge­leg­te Moo­re CO2 aus­sto­ßen, dro­hen fata­le Kipp­punk­te für das Klima.

Wer sich nicht anpasst, stirbt aus. Im Lau­fe der Erd­ge­schich­te sind schon immer Arten ver­schwun­den und dazu­ge­kom­men. Die men­schen­ge­mach­te Ver­än­de­rung dringt dabei aller­dings in neue Dime­sio­nen vor. Vie­le Arten ster­ben aus, bevor sie über­haupt ent­deckt wur­den. Der Ver­lust an bio­lo­gi­scher Viel­falt ist in Geld kaum zu bezif­fern. Sicht­bar wird nur die Spit­ze des Eis­bergs : Erst vor weni­gen Mona­ten starb der letz­te leben­de Nörd­li­che-Breit­maul-Nas­horn-Bul­le öffent­lich­keits­wirk­sam vor den Augen der Welt­pres­se. Ganz aktu­ell sind die Dorsch-Bestän­de in der west­li­chen Ost­see bedroht, eine Erho­lung ist nicht abseh­bar. Mit fata­len Fol­gen für die Küs­ten­fi­sche­rei. Vor eini­gen Jah­ren schon beschrieb die Kre­fel­der Stu­die das Mas­sen­ster­ben der Insek­ten. Wild­bie­nen sind stark gefähr­det und dro­hen als Bestäu­ber aus­zu­fal­len – das bedeu­tet Ern­te­ver­lus­te bei vie­len Obst- und Gemüsearten.

All das pas­siert nicht im Ver­bor­ge­nen und den­noch führt es nicht zu ange­mes­se­nen poli­ti­schen Kon­se­quen­zen, obwohl seit vie­len Jah­ren auf allen Ebe­nen über die Bio­di­ver­si­tät ver­han­delt wird. Des­halb hat der NABU ein Not­pro­gramm for­mu­liert. Es rich­tet sich an die kom­men­de Bun­des­re­gie­rung. Dar­in wer­den wirk­sa­me und schnell umsetz­ba­re Sofort­maß­nah­men beschrie­ben, mit denen dem Arten­ster­ben jetzt enga­giert ent­ge­gen­ge­tre­ten wer­den soll.

NABU-Prä­si­dent Jörg-Andre­as Krü­ger for­dert : “Bio­di­ver­si­tät muss end­lich ein poli­ti­sches Schwer­punkt­the­ma wer­den, um den dra­ma­ti­schen Arten­ver­lus­ten ent­ge­gen zu wir­ken. Je weni­ger arten­reich und sta­bil Gewäs­ser, Wäl­der, Mee­re und Agrar­land­schaf­ten sind, des­to schutz­lo­ser sind wir den Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­kri­se aus­ge­lie­fert. Die Zeit rinnt uns durch die Fin­ger. Wir brau­chen einen ener­gisch geführ­ten und von ernst­haf­tem Wol­len gepräg­ten Wett­kampf für die Natur, nicht gegen sie. In den Par­tei­pro­gram­men feh­len ent­spre­chen­de Ange­bo­te und Ideen.”

Auch wenn wir alle unse­ren Teil zur Bewäl­ti­gung der Arten­kri­se bei­tra­gen kön­nen : Die Rah­men­be­din­gun­gen für eine ande­re Land­wirt­schaft, eine groß­räu­mi­ge Rena­tu­rie­rung unse­rer Wäl­der, Moo­re und Mee­re und für eine moder­ne natur­ver­träg­li­che Infra­struk­tur müs­sen von der Poli­tik gesetzt wer­den. Bei der Bun­des­tags­wahl kön­nen wir die­se Wei­chen stel­len. Der NABU möch­te alle Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler auf­for­dern, den Kampf gegen die Natur­zer­stö­rung zu einem ent­schei­den­den Kri­te­ri­um für ihre Wahl­ent­schei­dung zu machen.

Die sie­ben For­de­run­gen des NABU-Not­pro­gramms im Überblick :

  1. Wir geben der Natur mehr Raum
  2. Wir schaf­fen Schutz­ge­bie­te, die auch tat­säch­lich schützen
  3. Wir schlie­ßen einen Pakt für den Arten­schutz und grü­ne Infrastruktur
  4. Wir för­dern und for­dern Land­wirt­schaft mit Zukunft
  5. Wir schlie­ßen einen „Blue Deal“ für den Schutz der Meere
  6. Wir stär­ken den Wald
  7. Wir span­nen einen inter­na­tio­na­len Schutz­schirm für die welt­wei­te Artenrettung

Bild : Klei­ne Mistbiene

Foto­credits : NABU/ H. May

Quel­le : NABU

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