Handwerk und Politik im Dialog

Große Resonanz aus den Parlamenten und ein erfrischend direkter Austausch via Videokonferenzsystem.

win­ter­berg-total­lo­kal : Mit einer Umfra­ge zur aktu­el­len „Coro­na-Lage“ in süd­west­fä­li­schen Hand­werks­be­trie­ben hat­te die Hand­werks­kam­mer Süd­west­fa­len gemein­sam mit den Kreis­hand­wer­ker­schaf­ten unlängst auf­ge­zeigt, wie stark die Pan­de­mie im hei­mi­schen Hand­werk zuge­schla­gen hat.

Eini­ge Betrie­be ste­hen mitt­ler­wei­le dicht vor dem Abgrund. Zuge­sag­te Hil­fen von Bund und Land kom­men spät bis gar nicht dort an, wo sie drin­gend gebraucht wer­den. Das sei eine Situa­ti­on, die so nicht mehr hin­nehm­bar sei und wo die Poli­tik nun end­lich han­deln müs­se, lau­tet die dar­aus resul­tie­ren­de For­de­rung. Der „Not­ruf“ des Hand­werks blieb nicht lan­ge unge­hört. Im Rah­men einer Video­kon­fe­renz nutz­ten ins­ge­samt 14 süd­west­fä­li­sche Volksvertreter*innen nun die Mög­lich­keit, sich ein eige­nes Bild von der Lage zu verschaffen.

Sie­ben Bundesparlamentarier*innen, sechs Land­tags­ab­ge­ord­ne­te und ein Euro­pa-Par­la­men­ta­ri­er schal­te­ten sich zu und dis­ku­tier­ten fast 90 Minu­ten lang inten­siv über Pro­ble­me und Nöte der hei­mi­schen Betrie­be. Aber nicht nur das, denn auch das schwa­che Bild, was die deut­sche Poli­tik in der Pan­de­mie-Bewäl­ti­gung mitt­ler­wei­le abgibt, war ein vor­herr­schen­des The­ma in der agi­len Runde.

„In der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit haben wir per­sön­lich und vor allem auch durch unse­re Hot­lines inten­si­ven Kon­takt zu Hand­wer­kern gehabt. Da sehen Leu­te ihr Leben vor sich ablau­fen, da geht es um Exis­ten­zen“, zeich­ne­te Kam­mer­prä­si­dent Jochen Ren­fordt ein düs­te­res Sze­na­rio. „Die ver­spro­che­nen Novem­ber­hil­fen sind im Febru­ar immer noch nicht gezahlt. Zudem sind wir ein abso­lu­tes Ver­wal­tungs­mons­ter, die Büro­kra­tie frisst uns auf.“

Ein gutes Bei­spiel hat­te dazu Dirk H. Jedan parat : „Ich habe 50.000 Selbst­tests beim Iser­loh­ner Unter­neh­men Medi­ce bestellt und gelie­fert bekom­men. Die kann ich aber nicht nut­zen, da die Zulas­sung noch fehlt“, empört sich der Haupt­ge­schäfts­füh­rer der Kreis­hand­wer­ker­schaft Mär­ki­scher Kreis. „Und das, obwohl die Fir­ma bereits am 21. Janu­ar 2021 einen Antrag auf Zulas­sung gestellt hat. Das kann es doch wohl nicht sein.“ Hier erklär­te sich der Euro­pa-Abge­ord­ne­te Peter Lie­se direkt zum Han­deln bereit. „Ich ken­ne die Fir­ma und weiß sehr genau, wie akri­bisch und gut dort gear­bei­tet wird. Es ist zwar nicht mein urei­ge­nes The­ma als Euro­pa­po­li­ti­ker, aber ich wer­de da Nach­for­schun­gen anstel­len und schau­en, wel­ches Pro­blem hier besteht.“

Damit aber nicht genug, denn auch das Ver­trau­en in die Men­schen habe in der poli­ti­schen Wahr­neh­mung anschei­nend arg gelit­ten. „Es darf nicht sein, dass ich für einen Ter­min beim Nagel­de­si­gner erst eine hal­be Welt­rei­se unter­neh­men muss“, klag­te Jedan. „Erst mit dem Bus zum Test­zen­trum. Dann war­ten. Dann getes­tet wer­den. Dann wie­der war­ten. Und danach mit Nega­tiv-Test im Bus zum Nagel­stu­dio. Eine Far­ce ! Da müs­sen die Leu­te vor Ort im Betrieb doch sel­ber tes­ten dür­fen. Wo ist ihr Ver­trau­en in die Men­schen geblieben?“

„Wir brau­chen in der Tat prag­ma­ti­sche­re Lösun­gen“, pflich­te­te hier die SPD-Bun­des­tags-Abge­ord­ne­te Neza­hat Bara­da­ri bei. „Aber wir müs­sen natür­lich auch gewis­se Sicher­heits­stan­dards ein­hal­ten. Ein falsch nega­ti­ver Test bringt hier gar nichts, son­dern befeu­ert noch die erneu­te Aus­brei­tung der Pandemie.“

Und genau die­se gel­te es auch mit Blick auf die nahe Zukunft drin­gend zu verhindern.

„Wie stellt sich denn aktu­ell die Situa­ti­on rund um den Aus­bil­dungs­markt im süd­west­fä­li­schen Hand­werk dar“, woll­te Dirk Wie­se aus der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on wis­sen. „Unser Pro­blem ist, dass wir kei­nen direk­ten Kon­takt zu den Schü­le­rin­nen und Schü­lern auf­bau­en kön­nen. Die Aus­bil­dungs­bör­sen und ‑mes­sen fin­den alle­samt nicht statt“, zeigt Kam­mer­prä­si­dent den Ernst der Lage auf. „Ich sehe dun­kel­grau, wenn es um die Ver­ga­be der Aus­bil­dungs­plät­ze in die­sem Jahr geht.“

Zumin­dest einen klei­nen Hoff­nungs­schim­mer konn­te hier die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Bara­da­ri machen : „Ab April wer­den wir die Haus­ärz­te mit in den Impf­kreis­lauf ein­bin­den. Wenn jeder, der 70.000 Ärz­te dann 20 Imp­fun­gen pro Tag durch­führt, dann kön­nen wir mit 140.000 Imp­fun­gen das Pen­sum deut­lich schnel­ler schaf­fen.“ Und damit auch den Weg zurück in die Nor­ma­li­tät gehen, wie auch immer die nach Coro­na aus­se­hen mag.

„Wir müs­sen auf jeden Fall die hohen Ver­wal­tungs­hür­den abbau­en“, for­dert Ren­fordt in sei­nem Schluss­plä­doy­er. „Hier muss ganz schnell eine Ent­schla­ckung her. Das soll­ten Sie drin­gend in den Gre­mi­en anbrin­gen.“ Die Poli­tik und die Ver­wal­tun­gen hät­ten zudem schon viel Ver­trau­en in der Bevöl­ke­rung ver­spielt. Dies wie­der­zu­ge­win­nen sei von gro­ßer Wich­tig­keit, um ein Abwan­dern zu den Par­tei­en und Grup­pie­run­gen im extre­men Spek­trum zu stop­pen und die Demo­kra­tie wie­der zu stärken.

Quel­le : Hand­werks­kam­mer Südwestfalen

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