Ökolandbau ist kein globales Patentrezept

 

Agrarforum diskutierte über einen Perspektivwechsel für den Ackerbau

 

win­ter­berg-total­lo­kal : Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ernäh­rung und Land­wirt­schaft hat vor drei Wochen das Dis­kus­si­ons­pa­pier Acker­bau­stra­te­gie 2035 vor­ge­stellt. Heu­te (Frei­tag, 10. Janu­ar) dis­ku­tier­ten in der Soes­ter Stadt­hal­le gut 800 Ver­tre­ter aus der Pra­xis, Unter­neh­mer, Ver­bands­mit­glie­der, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen zum The­ma „Per­spek­tiv­wech­sel für den Acker­bau – mehr Weit­sicht pro ha“. Damit hat­ten die Fach­hoch­schu­le Süd­west­fa­len und der Ehe­ma­li­gen­ver­band Susa­tia als Ver­an­stal­ter des Agrar­fo­rums wie­der ein für die Gesell­schaft und die Land­wirt­schaft aktu­el­les und zukunfts­be­stim­men­des The­ma in den Fokus gerückt.

Die vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ernäh­rung und Land­wirt­schaft (BMEL) ver­öf­fent­lich­te Acker­bau­stra­te­gie ist ein Akti­ons­pro­gramm, um die von Bun­des­re­gie­rung, Euro­päi­scher Uni­on und den Ver­ein­ten Natio­nen gesetz­ten Zie­le zum Schutz von Boden, Was­ser, Luft, Kli­ma und Bio­di­ver­si­tät errei­chen zu kön­nen. Der Land­wirt­schaft als einer der größ­ten Flä­chen­nut­zer kommt dabei eine zen­tra­le Rol­le zu. Die Umset­zung der Acker­bau­stra­te­gie soll die aus­rei­chen­de Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung mit Nah­rungs­mit­teln gewähr­leis­ten und gleich­zei­tig ein öko­no­mi­sches Wirt­schaf­ten der land­wirt­schaft­li­chen Betrie­be ermög­li­chen. Um die öffent­li­che Akzep­tanz des Acker­baus zu stei­gern, sei eine offe­ne, sach­lich geführ­te Dis­kus­si­on zwi­schen Gesell­schaft und Land­wirt­schaft nötig, so Bun­des­mi­nis­te­rin Julia Klöck­ner via Video-Botschaft.

Minis­te­ri­al­rat Dr. Peter Oswald vom BMEL stell­te die im Papier for­mu­lier­ten dring­li­chen Hand­lungs­fel­der aus den Berei­chen Boden­frucht­bar­keit, Boden­be­ar­bei­tung, Frucht­fol­ge, Pflan­zen­züch­tung, Pflan­zen­schutz, Näh­stoff­ma­nage­ment und Digi­ta­li­sie­rung vor. Er zeig­te Ver­ständ­nis für land­wirt­schaft­li­che Betrie­be, die ange­sichts zusätz­li­cher Auf­la­gen um ihre Exis­tenz ban­gen. Er beschrieb auch bestehen­de Ziel­kon­flik­te. So begüns­ti­ge bei­spiels­wei­se der Öko­land­bau zwar, Emis­sio­nen zu redu­zie­ren. Das Kon­zept fah­re aber auch deut­lich gerin­ge­re Erträ­ge ein als kon­ven­tio­nel­le. Oswald sieht auch den Ver­brau­cher in der Ver­ant­wor­tung, denn : „Letzt­end­lich ent­schei­det der Kun­de am Laden­tisch dar­über, wie das bei uns vonstattengeht!“

(v.l.) Hat­hu­mar Rus­ti­ge (Vors. Susa­tia), Bür­ger­meis­ter Dr. Eck­hard Ruthe­mey­er, Mode­ra­to­rin Prof. Dr. Mecht­hild Frei­tag, Dr. Peter Oswald, Prof. Dr. Urs Niggli, Prof. Dr. Vere­na Haber­lah-Korr, Prof. Dr. Harald Laser sowie Dekan Prof. Dr. Wolf Lor­le­berg begrüß­ten 800 Gäs­te zum Soes­ter Agrarforum.

Prof. Dr. Urs Niggli, Direk­tor des For­schungs­in­sti­tuts für bio­lo­gi­schen Land­bau (FiBL), hält eine umfas­sen­de Öko­lo­gi­sie­rung der Land­wirt­schaft und der Ernäh­rung eben­falls für unab­ding­bar. Er gab aber zu beden­ken, dass die loka­le öko­lo­gi­sche Vor­züg­lich­keit bei stei­gen­der Bevöl­ke­rungs­zahl nicht gleich­zu­set­zen sei mit einer glo­ba­len Öko­ef­fi­zi­enz. Der Öko­land­bau bie­te durch­aus für vie­le Pro­ble­me der Land­wirt­schaft Lösun­gen. Des­sen Ertrags­schwä­che erfor­de­re aber die Pro­duk­ti­on und/​oder den Import von Lebens­mit­teln aus dem Aus­land, was die Öko­ef­fi­zi­enz des Kon­zepts wie­der­um ver­schlech­te­re. Es sei die Auf­ga­be der For­schung, die Ursa­chen der Ertrags­schwan­kun­gen zu iden­ti­fi­zie­ren und mit umwelt­freund­li­chen Maß­nah­men und Tech­ni­ken anzu­ge­hen. Die Land­wirt­schaft der Zukunft stel­le er sich als eine Kom­bi­na­ti­on aus Ele­men­ten des Öko­land­baus mit moderns­ten Lösun­gen und Tech­no­lo­gien vor. In die­sem Zukunfts­pro­zess müss­ten alle von­ein­an­der ler­nen : Der Öko­land­bau im Hin­blick auf tech­no­lo­gi­sche Inno­va­ti­on, die kon­ven­tio­nel­le Land­wirt­schaft im Hin­blick auf die sozia­le und öko­lo­gi­sche Inno­va­ti­on. Auch Prof. Niggli sieht den Ver­brau­cher in der Ver­ant­wor­tung. Er plä­diert für eine Hal­bie­rung der Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung sowie eine Ein­schrän­kung des Fleisch­kon­sums, was enor­me Anbau­flä­chen, die der­zeit für die Fut­ter­mit­tel­pro­duk­ti­on belegt sind, frei­ge­ben wür­de – das in Kom­bi­na­ti­on mit der Öko­lo­gi­sie­rung könn­te ein nach­hal­ti­ges Ernäh­rungs­sys­tem begünstigen.

Was die in der Acker­bau­stra­te­gie beschrie­be­ne Auf­ga­be für die Wis­sen­schaft angeht, also pra­xis­ori­en­tier­te For­schung zu Frucht­fol­ge­ge­stal­tung und Boden­be­ar­bei­tungs­sys­te­men, Tech­no­lo­gien für prä­zi­se und ange­pass­te Bewirt­schaf­tung, Züch­tung qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ger, stand­ort­an­ge­pass­ter Sor­ten, Digi­ta­li­sie­rung, Wis­sens­trans­fer und vie­les mehr, ist der Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft der Fach­hoch­schu­le bereits gut auf­ge­stellt. Prof. Dr. Vere­na Haber­lah-Korr berich­te­te über die Ergeb­nis­se einer Befra­gung von 300 kon­ven­tio­nell wirt­schaf­ten­den Betrie­ben aus Nie­der­sach­sen, Nord­rhein-West­fa­len und Schles­wig-Hol­stein zum inte­grier­ten Pflan­zen­schutz. Dabei wer­den che­mi­sche Pflan­zen­schutz­mit­tel nach dem Mot­to „So viel wie nötig, so wenig wie mög­lich“ ein­ge­setzt. Der inte­grier­te Pflan­zen­schutz umfasst neben mecha­ni­schen und bio­lo­gi­schen Ver­fah­ren auch eine Viel­zahl prä­ven­ti­ver Maß­nah­men, um den Ein­satz che­mi­scher Pflan­zen­schutz­mit­tel zu mini­mie­ren. Obwohl bereits seit 1986 im Pflan­zen­schutz­ge­setz ver­an­kert, war einem Drit­tel der Befrag­ten nicht klar, was mit dem Begriff gemeint ist. Erfreu­li­cher­wei­se gaben aber 70% an, nach Pflan­zen­schutz­maß­nah­men Erfolgs­kon­trol­len durch­zu­füh­ren, so Haberlah-Korr.

„Pflan­zen­bau ist bereits heu­te mul­ti­funk­tio­nal aus­ge­rich­tet“, so Prof. Dr. Harald Laser. Land­wir­te pro­du­zie­ren nicht nur Nah­rungs­mit­tel, Fut­ter­mit­tel und Ener­gie­pflan­zen, son­dern füh­len sich auch für die Erhal­tung und Pfle­ge der Kul­tur­land­schaft in all ihren Facet­ten ver­ant­wort­lich. Kli­ma­schutz, Trink­was­ser­pro­duk­ti­on, Recy­cling von Gül­le, Mist und Kom­pos­ten sei­en eben­falls Zie­le des Acker­baus, so der Pro­fes­sor. Wenn es um den Per­spek­tiv­wech­sel für den Acker­bau gehe, so sei ein Umden­ken aller Betei­lig­ten erfor­der­lich. Der Pflan­zen­bau müs­se künf­tig stär­ker als ganz­heit­li­ches Sys­tem ver­stan­den und betrie­ben wer­den. Land­wir­te müs­sen und wol­len an einer nach­hal­ti­gen Opti­mie­rung für einen gesün­de­ren Boden, für mehr Bio­di­ver­si­tät, Frucht­fol­ge­ge­stal­tung und vie­les mehr aktiv mit­ar­bei­ten. Aller­dings sei auf die­sem Weg eine inten­si­ve­re Unter­stüt­zung durch Ver­bän­de, Poli­tik, Aus­bil­dung, For­schung und Bera­tung nötig.

Bild oben : In den Pau­sen prä­sen­tier­ten Mas­ter-Stu­die­ren­de die Ergeb­nis­se ihrer Projektarbeiten. 

Fotos : FH/​Ronja Sahm

 

Quel­le : San­dra Pösen­trup (M.A.) – Fach­hoch­schu­le Südwestfalen

 

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