Winterberg-Totallokal: Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen
winterberg-totallokal: Seit Jahrzehnten ärgern sich Verbraucherschützer und Landwirtschaftsverbände über die ständigen Versuche des europäischen Patentamts, konventionell gezüchtete Tiere und Pflanzen, zugunsten von Industriekonzernen unter Patentschutz zu stellen. Diese Praxis steht im absoluten Gegensatz zu Beschlüssen des EU-Parlaments, der EU-Kommission und vieler europäischen Regierungen, dass „Leben“ nicht unter Patentschutz gestellt werden darf. Der US-Konzern Monsanto und andere Mitspieler aus der Chemiebranche, hatten sich nämlich nicht nur ihren Gen-Müll, sondern schon alle möglichen Produkte aus konventionellem Anbau, quer durchs Gemüsebeet, bei den Münchener Patenthütern unter Schutz stellen lassen. Einige dieser Patente wurden später, auf Grund starken öffentlichen Drucks seitens nicht staatlicher Verbände und wegen rechtlicher Bedenken, wieder zurückgezogen.
Jetzt folgt der Angriff der Konzerne und Ihrer Juristen da, wo es wirklich weh tut, bei der Braugerste. Diesmal sind es nicht die üblich Verdächtigen aus der Chemiebranche, sondern zwei der weltgrößten Brauereien haben sich Ende letzten Jahres verschiedene Gerstensorten patentrechtlich schützen lassen. Und nun? Natürlich gibt es zur Zeit noch genügend andere Gerstensorten auf dem Markt, also kein Grund zur Panik? Doch, denn die cleveren Patentanwälte von Carlsberg und Heineken haben sich nicht nur ein paar Gerstensorten und das daraus gebraute Bier, sondern auch „alle Gerstenpflanzen mit den beanspruchten Eigenschaften, unabhängig davon, wie sie gezüchtet werden“ patentieren lassen. Schlechte Karten für die anderen Brauereien und die Landwirte, schlechte Karten für die Lebensmittelvielfalt und den Verbraucherschutz. Wie kann es sein, dass dieses Patentamt, sogar gegen den Willen der europäischen Regierungen und der maßgeblichen EU-Stellen, solch windige und (ich hätte bald gesagt „kriminelle“) Patente erteilt. Handelt es sich dabei nur um Unfähigkeit oder verfügen die Patenteinreicher über ausreichende Mittel „den guten Willen der Beamten zu fördern“? Wie dem auch sei, durch den Angriff auf die Vielfalt eines unserer „Hauptnahrungsmittel“ wird hoffentlich einmal das Augenmerk einer breiteren Öffentlichkeit auf diese Problematik gelenkt. Jede Form von Erteilung von Patenten auf natürlich gezüchtete Pflanzen und Tiere ist ein Angriff auf den freien Wettbewerb in der Nahrungsmittelerzeugung und fördert eine unverantwortliche Monopolbildung.
Zahlreiche Umwelt- und Verbraucherverbände in ganz Europa ziehen inzwischen gegen diese Machenschaften zu Felde. In einer groß angelegten Petition fordern sie Bundesjustizminister Heiko Maas auf, das Verbot der Patenterteilung auf „Leben“ im Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes durchzusetzen. Mal schauen, wie sich das entwickelt und ob wir demnächst, zum Beispiel auf Schützenfesten, „Skol“, „Op uw gezonheid“, oder weiter „Prost“ sagen dürfen.
Ihr Norbert Schnellen