Denk mal !

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche –  von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag fand deutsch­land­weit der „Tag des offe­nen Denk­mals“ statt. Hier soll die inter­es­sier­te Bevöl­ke­rung die Mög­lich­keit haben mehr oder weni­ger schö­ne, in jedem Fall aber erhal­tens­wer­te Gebäu­de, zu besich­ti­gen. Aber was ist eigent­lich ein „Denk­mal“? Wir kön­nen in Euro­pa auf eine gro­ße Bau­kul­tur zurück­bli­cken. Zu aller­erst fal­len einem da natür­lich die zahl­rei­chen Sakral­bau­ten, also Dome, Kir­chen oder Klös­ter ein, wel­che oft als Jahr­hun­dert­pro­jekt durch die Bau­leis­tung meh­re­rer Gene­ra­tio­nen ent­stan­den sind. Dazu kom­men natür­lich die Behau­sun­gen der Mäch­ti­gen der jewei­li­gen Zeit, Bur­gen, Schlös­ser und Paläs­te. Aber auch die auf­stre­ben­den Städ­te im Mit­tel­al­ter hat­ten das nöti­ge Selbst­be­wusst­sein, sich mit reprä­sen­ta­ti­ven Gebäu­den ein beson­de­res Gesicht zu geben. Neben den schon erwähn­ten Domen und Kir­chen waren das natür­lich die Rat­häu­ser, Gil­de- und Zunft­ge­bäu­de, die Wohn­häu­ser ein­fluss­rei­cher Bür­ger, oft aber auch die Häu­ser der ein­fa­chen Leu­te. Außer­halb der Städ­te errich­te­te ein selbst­be­wuss­ter Bau­ern­stand teil­wei­se schmu­cke Anwe­sen, die als Hei­mat für vie­le Gene­ra­tio­nen gebaut wurden.

Man­ches von alle­dem hat sich bis heu­te erhal­ten, vie­les wur­de jedoch im Lau­fe der Jahr­hun­der­te Opfer von Krie­gen, Brand­ka­ta­stro­phen, Holz­wür­mern oder auch der moder­nis­ti­schen Abbruch­wut spä­te­rer Gene­ra­tio­nen. Die sys­te­ma­ti­sche Zer­stö­rung von uner­setz­li­chen Kul­tur­gü­tern ist nicht erst eine Erfin­dung der Tali­ban und ande­rer isla­mis­ti­scher Ter­ro­ris­ten, nein auch wir in Mit­tel­eu­ro­pa konn­ten und kön­nen das noch sehr gut. In Krie­gen war es zu allen Zei­ten üblich die Bau­ten im „Fein­des­land“ zu zer­stö­ren, weil man die Bevöl­ke­rung damit schutz­los mach­te und ihnen dadurch auch einen Teil ihrer Iden­ti­fi­ka­ti­on und Wür­de nahm. Ob der Zer­stö­rung kom­plet­ter Stadt­be­rei­che und Dorf­mit­tel­punk­te im Zei­chen der „Moder­ni­sie­rung“ in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten die glei­che Absicht zugrun­de lag, lässt sich nicht mit Bestimmt­heit sagen. Tat­sa­che ist jedoch, dass mit dem Ver­schwin­den der alten Bau­sub­stanz auch das Geschichts­be­wusst­sein und die Bin­dung an die Hei­mat stark nach­ge­las­sen haben.

Der Denk­mal­schutz, also der Schutz der his­to­ri­sche Bau­sub­stanz durch den Staat, ent­wi­ckel­te sich in Deutsch­land recht unter­schied­lich. Wäh­rend man in Hes­sen schon in der Mit­te des 19.Jahrhunderts ers­te Denk­mal­schutz­ge­set­ze erließ, war man in NRW erst im Jahr 1980 so weit. Auch das gesell­schaft­li­che Bewusst­sein für die­ses The­ma ist regio­nal sehr unter­schied­lich aus­ge­prägt. Wäh­rend man andern­orts stolz auf die tra­di­tio­nel­le Archi­tek­tur ist, äfft man hier­zu­lan­de immer noch gern einen belie­bi­gen urba­nen Bau­stil nach, sehr zum Nach­teil unse­rer eige­nen Iden­ti­tät, aber auch zum Nach­teil der tou­ris­ti­schen Attrak­ti­vi­tät. Prak­ti­zier­ter Denk­mal­schutz ist nach­hal­ti­ge Wirt­schafts­för­de­rung. Wenn heu­te noch alte Gebäu­de aus unse­ren Orts­bil­dern ver­schwin­den, ist das nicht nur ein Zei­chen von Kul­tur­lo­sig­keit, son­dern auch von boden­lo­ser Dumm­heit. Wol­len die ver­ant­wort­li­chen Pla­ner wirk­lich mal als die „Tali­ban des Sau­er­lands“ in die Geschich­te eingehen ?

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