Winterberg-Totallokal : Andrea Gerbracht konnte für den Heimatverein viele Gäste begrüßen
winterberg-totallokal : Düdinghausen. Die Dreggestobe stand am Sonntag im Mittelpunkt des 6. Geschichtscafés. Andrea Gerbracht konnte für den Heimatverein viele Gäste begrüßen. Der Verein hatte etwas ganz Besonderes zu bieten : Zum einen die neuen Ausstellungstafeln zum historischen Drechslerdorf Düdinghausen. Horst Frese schlug den Bogen von der Bevölkerungsexplosion im armen Pöndorf nach 1800 über die Gründung einer Drechslergenossenschaft mit 44 Drechslern im Jahre 1895, das Aufblühen verschiedener Betriebe vor dem 1. Weltkrieg, den Zusammenbruch der Märkte danach, und die Erstarkung einiger Betriebe in der Wirtschaftswunderzeit. Altdrechsler Franz-Josef Assmuth bereicherte die Darstellung durch Beispiele aus dem Dorf, er zeigte einen Langholzbohrer, den der alte Schmied Johann Schönhense aus einem Eggezahn gefertigt hatte.
Drechsler Bernd Eickhoff ließ dann auch die Späne fliegen und öffnete anschießend den ebenfalls attraktiv eingerichteten Drechsler-Shop. Damit jeder die Drechslerdorfgeschichte auch in Ruhe zu Hause lesen kann, präsentierte der Verein das bilderreiche Buch „Historisches Drechslerdorf Düdinghausen“. Ortsvorsteher Ferdinand Asmuth sah es als besonders wichtig an, da so die lange Drechslerwirtschaftsgeschichte des Dorfes auch zukünftigen Generationen vermittelt werden könne. Er überreichte eine Tafel mit dem Düdinghäuser Wappen als Zeichen dafür, dass die Dreggestobe für das Dorf ein wichtiger Kulturbotschafter ist.
Bürgermeister Thomas Grosche sah Pastoren Scheune mit Dreggestobe und Kulturspeicher neben seiner musealen Bedeutung auch als wichtigen Ort des sich Treffens und Versammelns im Stadtgebiet an. Er sprach seine hohe Anerkennung aus für die seit dem Jahre 2000 ununterbrochen währenden ehrenamtlichen Einsätze insbesondere bei den wöchentlichen Drechselvorführungen.
Gudrun Schaper, Obermeisterin der Drechslerinnung Bielefeld, freute sich, dass es mit der Dreggestobe in Westfalen einen musealen Ort mit beeindruckenden Drechselvorführungen gebe. Sie war überzeugt, dass das Drechselhandwerk eine Zukunft habe, wenn auch für spezialisierte Produktbereiche.
Im Rahmen des gemütlichen Teils der Veranstaltung mit Kaffee und Waffeln öffnete Horst Frese mit einem Bildervortrag ein Fenster in eine besonders spannende Phase der Drechslerbetriebe, die unmittelbare Nachkriegszeit mit Mangelwirtschaft, Planwirtschaft und Kriegsschäden. Grundlage dafür war die gut geführte Betriebsakte des Düdinghauser Drechslerbetriebs Josef Asmuth (Goren) zwischen 1945 und 1949. Holz wurde zentral zugeteilt, natürlich viel zu wenig, Ersatzteile gab es, wenn überhaupt, nur gegen Kompensation mit Drechslerwaren, Roggen, Kartoffeln, Waldbeeren, Fett usw. Metallwarenproduktion setzte ebenfalls Kompensationsgeschäfte voraus, wurde darüber hinaus durch häufige Stromausfälle erschwert. Transportmittel waren wie LKW waren nicht verfügbar, die Reichsbahn war unsicher. Gegen all das hatten die Drechslerbetriebe der Nachkriegszeit anzukämpfen. Mit der Währungsreform am 20.6.1948, flankiert durch den Marshallplan, gab es plötzlich wieder Waren. Das Wirtschaftswunder begann. Für die älteren Besucher der ca. 50 Anwesenden des Geschichtscafés war dies Anstoß, eigene Erlebnisse aus jener Zeit zu berichten. Alles in allem ein runder Geschichtsnachmittag.
Eine Wandergruppe aus Bestwig-Nuttlat beschrieb die Veranstaltung : „Hier sind bei jedem Erinnerungen lebendig geworden.
In Düdinghausen ein existenzieller Überlebenskampf nach den Kriegen
Düdinghausen Die Nachkriegsjahre waren hart. Viele Großfamilien mit kaum Einkommen. Das macht erfinderisch. Die Familienversorger mussten etwas unternehmen.
So gründeten sich ab 1945 ca. 40 Drechsler zu einer „dörflichen Innung“.
Aber das war nicht immer harmonisch. Sie konkurierten auch. Denn erst mal ging es um Material um zu produzieren.
Und wer den längsten Hebel hatte, bekam zuerst das Nötige.
Da nach dem 2. Weltkrieg die Reichsmark nichts mehr wert war, lief die Beschaffung der Produktionsmittel nur auf der Basis der „Kompensationsentlohnung“ (also Warentausch).
Aus der Betriebsakte des Drechsler Josef Asmuth, der 1946 aus der russischen Gefangenschaft heimkehrte, geht hervor, dass diese Notgeschäfte aus Angst vor der fälligen staatlichen Steuer nur zwischen den Betrieben abgesprochen und verhandelt wurden.
Josef Asmuth hatte mehrere Begabungen. Er hatte die erste Schreibmaschine, die Ausdrucksfähigkeit und den Mut, sich durch zu setzen.
Er schrieb regelmäßig die Verantwortlichen an und schilderte ihnen seine Notlage und die ihn betreffende Ungerechtigkeit. Er erreichte dadurch sehr viel, was seinen Überlebenskampf für seine Familie ganz sicher erleichtert, und ihn bestimmt auch stolz gemacht hat.
Als aber die Währungsreform 1948 einsetzte, änderte sich die Notsituation und da der Geldwert vorhanden war, fielen die Tauschgeschäfte nahezu weg.
Die Produktion und damit die Wirtschaft, das Einkommen und die Kaufkraft „kam in Gang“. Der Beginn des Wirtschaftwunders, auch in Düdinghausen.
Das ist nur eine kurze Schilderung dessen, was jetzt durch den Heimat- und Verkehrsverein durch den Vorsitzenden Horst Frese und seinem Team im Heimat- mit Dreggestoobe im Kulturspeicher“ vorgestellt wurde.
Ca. 50 Gäste waren während der Vorstellung und der Schilderung der damaligen Verhältnisse des Wiedererwachens still, aber auch in Erinnerungsgesprächen vertieft, weil sie es noch miterlebt hatten.
Auch die beiden Töchter von Josef Asmuth waren aktiv und sichtlich bewegt, aber auch stolz dabei.
Die Wichtigkeit des Handwerks in der damaligen Zeit und der leider nicht mehr, aufgrund der Mechanisierung, so gefragten Technik wurde durch die Drechslermeisterin und Obermeisterin der Drechslerin der Drechsler-Innung Bielefeld, Gudrun Schaper, anschaulich erläutert.
Bürgermeister Thomas Grosche und Ortsvorsteher Ferdi Asmuth leitet die wichtige überregionale Veranstaltung durch ihre respektablen Begrüßungsworte ein.
Während Bernd Eickhoff eine Schüssel drechselte stellte sein Vorgänger Franz-Josef Asmuth das Handwerk aus seiner Jugendzeit vor ca. 65 Jahre vor.
Er präsentierte dabei den ca. 130 Jahre alten und immer noch „im Dienst“ befindlichen „Langlochlöffelbohrer“ vor, den der „Alte Schmied“ Johann Schönhense, gefertigt hatte. Dessen Sohn Josef Schönhense ist heute 93 Jahre alt und ebenfalls ein „Schmied“ seid seinem 14. Lebensjahr.
Die Veranstaltung, die den Kulturspeicher füllte und der Präsentation folgte, wurde sogar aus Geschichtsinteressierten, die über den Höhenflug angewandert, oder aus Bad Wünnenberg angereist waren besucht.
Die Rückmeldung : „So viele Erinnerungen. So anschaulich. Hier ist an jedem etwas hängengeblieben.“ sagte die Besucherin einer Wandergruppe aus Bestwig-Nuttlar.