Sprudelnde Steuereinnahmen – kein Grund zum Jubeln

Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal :  Unser Finanz­mi­nis­ter fühlt sich anschei­nend wie Dago­bert Duck in sei­nem Geld­spei­cher. Spru­deln­de Steu­er­ein­nah­men über­all, läs­ti­ge Schnor­rer, die ihm die­se Ein­nah­men wie­der abneh­men wol­len, aber er hat alles sicher unter dem Ver­schluss der „schwar­zen Null“. Doch woher kom­men die­se uner­war­tet hohen Ein­nah­men von Bund und Län­dern ? Man sagt, dass die Ursa­chen in einer guten Kon­junk­tur und einem sta­bi­len Arbeits­markt lie­gen wür­den. So weit, so gut ! Aber wie gerecht ist die Steu­er­last in die­sem Land verteilt ?

Bis zu einem Grund­frei­be­trag von 8.472 Euro, das sind 706 Euro im Monat, braucht man kei­ne Lohn- oder Ein­kom­mens­steu­er zu zah­len. Aber schon wenn man unwe­sent­lich mehr ver­dient kommt man in die Steu­er­pro­gres­si­on. Auf der ande­ren Sei­te liegt der Spit­zen­steu­er­satz bei 42 Pro­zent. Die­ser greift schon bei einem Ein­kom­men von 53.000 Euro, bei einem Ein­kom­men von 250.000 Euro pro Jahr greift dann die so genann­te „Rei­chen­steu­er“ von 45 Pro­zent, also auch bei einem Ein­kom­men von 2 Mil­lio­nen, 500 Mil­lio­nen oder 2 Mil­li­ar­den Euro. Beim Erfin­der der sozia­len Markt­wirt­schaft, Lud­wig Erhard, lag der Spit­zen­steu­er­satz für die ganz hohen Ein­kom­men im Jahr 1950 noch bei sage und schrei­be 95 Pro­zent. Mit­te der Acht­zi­ger lag er noch bei 56 Pro­zent und seit 2005 lie­gen wir, wie gesagt, bei den oben genann­ten 45 Prozent.

Die zweit­größ­te Steu­er­ein­nah­me ist inzwi­schen die Mehr­wert­steu­er, die in der bestehen­den Form erst 1968 ein­ge­führt wur­de. Hier wird jeder, unab­hän­gig von sei­nem Ein­kom­men, zur Kas­se gebe­ten. Bei jedem ver­kauf­ten Pro­dukt, vom Brot bis zur Luxus­ka­ros­se, kas­siert der Staat mit ab. Gera­de finanz­schwa­che Haus­hal­te wer­den durch die Mehr­wert­steu­er am stärks­ten belas­tet. Die Umsatz­steu­er bie­tet jedoch auch gro­ße Betä­ti­gungs­fel­der für Steu­er­hin­ter­zie­her. Steu­er­hin­ter­zie­hung scheint, gera­de bei den „obe­ren Zehn­tau­send“, inzwi­schen ein Trend­sport zu sein. Win­di­ge Finanz­be­ra­ter ste­hen, bei ent­spre­chen­der Pro­vi­si­on, für lega­le und auch „halb­le­ga­le“ Steu­er­tricks bereit. Allein bei den betrü­ge­ri­schen Cum Ex Geschäf­ten sol­len Ban­ken und Finanz­haie den Staat und damit alle „klei­nen“ Steu­er­zah­ler um Mil­li­ar­den­be­trä­ge betro­gen haben.

Dass es über­haupt so vie­le Mög­lich­kei­ten für Steu­er­tricks gibt, liegt an unse­rem kom­pli­zier­ten Steu­er­sys­tem. Seit den Zei­ten von Herrn Merz (der mit dem Bier­de­ckel) oder Pro­fes­sor Kirch­hof, spricht kein Poli­ti­ker mehr über eine Ver­ein­fa­chung unse­res Steu­er­sys­tems. Man hat den Ein­druck, dass eine sol­che Ver­ein­fa­chung heu­te poli­tisch ein­fach nicht mehr gewollt ist. So wur­de in den letz­ten Jahr­zehn­ten das „Sozia­le“ aus der sozia­len Markt­wirt­schaft immer mehr ver­drängt. Für die Kos­ten unse­res Staa­tes kom­men heu­te also haupt­säch­lich die mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men und die Arbeit­neh­mer auf. Die wirk­lich Rei­chen haben sich inzwi­schen aus der Soli­dar­ge­mein­schaft verabschiedet.

Den Jubel über spru­deln­de Steu­er­ein­nah­men fin­de ich unan­ge­bracht, wenn dafür nur der Mit­tel­stand zur Ader gelas­sen wird.

Nor­bert Schnellen

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