Hochwasserschutz: Das Zaudern rächt sich … Ausmaß der Katastrophe unklar

Berliner Morgenpost: Das Zaudern rächt sich, Leitartikel von Thorsten Knuf zum Hochwasserschutz

Beim Hoch­was­ser in Süd­deutsch­land scheint das Schlimms­te vor­über zu sein. In Baden-Würt­tem­berg beginnt bereits das gro­ße Auf­räu­men. In Bay­ern sin­ken die Pegel­stän­de der Donau lang­sam wie­der. Noch ist das gan­ze Aus­maß der Kata­stro­phe unklar. Etli­che Men­schen haben ihr Hab und Gut ver­lo­ren, eini­ge sogar ihr Leben. Wenn Flüs­se über die Ufer tre­ten und gan­ze Land­stri­che unter Was­ser ste­hen, dann wer­den immer auch poli­ti­sche Alt­las­ten an die Ober­flä­che gespült. Bei der Jahr­hun­dert­flut im Ahrtal 2021 zeig­te sich, dass hier­zu­lan­de das Warn­sys­tem für Kata­stro­phen­fäl­le selbst eine Kata­stro­phe ist. Jetzt wie­der­um wur­de in Bay­ern deut­lich, dass die dor­ti­ge Staats­re­gie­rung das The­ma Hoch­was­ser­schutz in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nicht mit der not­wen­di­gen Ernst­haf­tig­keit vor­an­ge­trie­ben hat.

Längst geplan­te Rück­hal­te­be­cken an der Donau sind immer noch nicht gebaut – wohl auch des­halb, weil Wirt­schafts­mi­nis­ter Hubert Aiwan­ger von den Frei­en Wäh­lern lan­ge Zeit der Ansicht war, dass die­se viel zu teu­er und teil­wei­se auch über­flüs­sig sei­en. Das fällt nun natür­lich nicht nur auf Aiwan­ger, son­dern auch auf Minis­ter­prä­si­dent Mar­kus Söder (CSU) zurück. Der ließ in den ver­gan­ge­nen Tagen kei­ne Gele­gen­heit aus, um sich als zupa­cken­der Lan­des­va­ter mit Gum­mi­stie­feln im Flut­ge­biet ablich­ten zu las­sen. Viel­leicht ist es sinn­voll, los­ge­löst von der aktu­el­len Lage eini­ge grund­sätz­li­che Über­le­gun­gen anzustellen.

Auch in der Ver­gan­gen­heit hat es immer wie­der ver­hee­ren­de Hoch­was­ser gege­ben – an der Donau eben­so wie am Rhein, an der Oder, der Elbe oder an der Ahr. Die neue Qua­li­tät besteht dar­in, dass der­ar­ti­ge Kata­stro­phen im Zuge der fort­schrei­ten­den Erd­er­hit­zung häu­fi­ger werden.

Wenn die Durch­schnitts­tem­pe­ra­tu­ren stei­gen, steigt auch die Wahr­schein­lich­keit von Extrem­wet­ter­er­eig­nis­sen wie sehr star­ken Regen­fäl­len mit anschlie­ßen­dem Hochwasser.

Eben­so steigt die Wahr­schein­lich­keit von Hit­ze­wel­len, die das Leben in Städ­ten zeit­wei­se schwer erträg­lich machen, zu Dür­ren füh­ren und damit auch zu aus­ge­trock­ne­ten Böden, die wie­der­um kaum Was­ser auf­neh­men kön­nen, wenn plötz­lich star­ker Regen ein­setzt. Kata­stro­phen wie die, die Süd­deutsch­land gera­de erlebt, sind zwar nicht der neue Nor­mal­fall. Aber sie sind Teil einer neu­en Nor­ma­li­tät in Zei­ten des Kli­ma­wan­dels. Das gilt für vie­le Regio­nen rund um den Glo­bus. Obers­te Prio­ri­tät muss des­halb sein, den Kli­ma­gas­aus­stoß zu begren­zen – und zwar über­all auf der Welt. Hier in Deutsch­land konn­te man zuletzt den Ein­druck gewin­nen, dass Tei­le der Poli­tik beim Kli­ma­schutz die Rol­le rück­wärts plan­ten. Die Uni­on etwa will nach der Euro­pa­wahl den längst beschlos­se­nen Aus­stieg aus der Ver­bren­ner­tech­no­lo­gie rück­gän­gig machen. Mal davon abge­se­hen, dass sich dies als gigan­ti­sches Kon­junk­tur­pro­gramm für chi­ne­si­sche und ame­ri­ka­ni­sche Elek­tro­au­to­her­stel­ler erwei­sen dürf­te: Es ist bestimmt Zufall, dass die­se For­de­rung in den ver­gan­ge­nen Tagen im Wahl­kampf kaum noch eine Rol­le gespielt hat.

Und ja, die Poli­tik steht auch vor der immensen Auf­ga­be, Städ­te und länd­li­che Räu­me wider­stands­fä­hi­ger gegen Extrem­wet­ter­er­eig­nis­se zu machen.

Es geht dar­um, Flüs­se zu rena­tu­rie­ren, Über­flu­tungs­flä­chen zu schaf­fen oder Dei­che zu ertüch­ti­gen. Eben­so geht es dar­um, die Bevöl­ke­rung bes­ser gegen Hit­ze zu schüt­zen – etwa durch mehr Grün und weni­ger Beton in den Bal­lungs­räu­men. All das erfor­dert gigan­ti­sche Inves­ti­tio­nen von Bund, Län­dern und Gemein­den. Und zwar nicht irgend­wann. Son­dern eigent­lich sofort.

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BER­LI­NER MOR­GEN­POST, Redaktion
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