„nd.DieWoche“: Europas Industrievertreter – Kommentar zur China-Reise des Bundeskanzlers
Bundeskanzler Olaf Scholz bricht an diesem Wochenende nach China auf. War bei früheren deutsch-chinesischen Gipfeltreffen die Wirtschaft das angenehme Thema und die Menschenrechtslage das heikle, so sind inzwischen auch die ökonomischen Beziehungen zu einem Problem geworden. Denn, so die Beschwerde aus der EU, China subventioniere massiv seine Hochtechnologie- und Greentech-Produzenten, daraus entstünden chinesische „Überkapazitäten“, die zu Billigpreisen in den Weltmarkt gedrückt würden – zum Schaden der Produzenten von E‑Autos, Solarpaneelen und Windrädern in Europa und Nordamerika. Zwar pumpt auch der Westen Staatsgelder in seine Zukunftsbranchen, aber, so heißt es, nicht im gleichen Maße wie Peking.
Die Klage ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens waren früher Chinas Billigprodukte im Westen willkommen, als es sich noch um Textilien und Spielzeug handelte, deren niedrige Preise die Inflationsraten in Europa senkten und bloß Produzenten in den Schwellenländern schadeten. Heute aber verdirbt China nicht nur Textilproduzenten in Nordafrika oder Südeuropa die Preise, sondern der deutschen Industrie.
Zweitens zeigt die Klage über Chinas „Überkapazitäten“, dass sich der globale Kapitalismus einmal mehr in die absurde Lage hineingewirtschaftet hat, dass es zu viel produktiven Reichtum auf der Welt gibt – zu viel gemessen an den Profitbedürfnissen der Industrie. Ein Segen wären Chinas Niedrigpreise dagegen für den Klimaschutz. Denn der leidet insbesondere darunter, dass klimafreundliche Produkte wie E‑Autos noch zu teuer sind. Doch mit der Klage über Chinas Exportoffensive zeigt der Westen, dass er die globalen Ausgaben für Klimaschutz als seine eigene Wachstumssphäre beansprucht.
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nd.DerTag / nd.DieWoche, Redaktion
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