Rentenniveau: Vergesst uns Junge nicht! 2063. Das ist das Jahr, in dem ich einmal in Rente gehen werde …

Berliner Morgenpost: Vergesst uns Junge nicht! Kommentar von Carlotta Richter zum neuen Rentenniveau …

2063. Das ist das Jahr, in dem ich ein­mal in Ren­te gehen wer­de. Aller­dings nur im unwahr­schein­li­chen Fall, dass das Ren­ten­ein­tritts­al­ter bis dahin nicht wei­ter ange­ho­ben wird. Mög­li­cher­wei­se müss­te ich also noch deut­lich län­ger arbei­ten – und in jedem Fall wäh­rend mei­nes Berufs­le­bens deut­lich höhe­re Bei­trä­ge zahlen.

Anfang des Monats hat die Bun­des­re­gie­rung ihr zwei­tes Ren­ten­pa­ket vor­ge­stellt. Nach den Plä­nen von Arbeits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) soll bis min­des­tens 2039 ein Ren­ten­ni­veau von 48 Pro­zent garan­tiert wer­den. Gute Nach­rich­ten für alle Rent­ne­rin­nen und Rent­ner. Es sei ihnen gegönnt.

Nicht so gut ist das für die­je­ni­gen, die die Ren­te zukünf­tig finan­zie­ren müs­sen. Um das Ren­ten­ni­veau zu hal­ten, müs­sen die Bei­trä­ge zur gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung deut­lich stei­gen – laut aktu­el­len Pro­gno­sen auf min­des­tens 22,3 Pro­zent des Brut­to­lohns. Das trifft vor allem die­je­ni­gen, die gera­de am Beginn ihres Berufs­le­bens ste­hen. Doch vie­le die­ser jun­gen Men­schen – mich ein­ge­schlos­sen – konn­ten nur noch resi­gniert mit den Schul­tern zucken, als das Ren­ten­pa­ket prä­sen­tiert wur­de. Von der Vor­stel­lung, dass wir uns auf die gesetz­li­che Ren­te ver­las­sen kön­nen, haben wir uns schon lan­ge ver­ab­schie­det. Wer weiß schon, was 2063 ist.

Gene­rell blickt die jun­ge Gene­ra­ti­on der­zeit immer pes­si­mis­ti­scher in die Zukunft. Etwa die Hälf­te aller Euro­päe­rin­nen und Euro­pä­er zwi­schen 16 und 26 glaubt, dass es ihnen ein­mal schlech­ter gehen wird als ihren Eltern. Die­se Ängs­te kom­men nicht von unge­fähr: Die Demo­kra­tie ist welt­weit auf dem Rück­zug, die sicher­heits­po­li­ti­sche Lage so ange­spannt wie lan­ge nicht und die Fol­gen der Kli­ma­kri­se wer­den erst in den kom­men­den Jahr­zehn­ten wirk­lich spür­bar werden.

Wenn wir uns also fra­gen, war­um jun­ge Men­schen nicht mehr so viel arbei­ten wol­len oder aber sel­te­ner Kin­der bekom­men, ist die Ant­wort auch: Weil sie mit immer weni­ger Zuver­sicht in die Zukunft bli­cken. Genau des­we­gen wäre es an der Zeit, etwas für jun­ge Men­schen zu tun. Ein all­ge­mei­nes Grun­der­be wäre eine Mög­lich­keit. Eine Zah­lung an jun­ge Men­schen zum Beginn ihres Erwach­se­nen­le­bens – damit sie die Frei­heit haben, gro­ße beruf­li­che oder pri­va­te Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Sich selbst­stän­dig zu machen. Etwas aus­zu­pro­bie­ren. Dafür wäre nach Berech­nun­gen des Deut­schen Insti­tuts für Wirt­schafts­for­schung nicht ein­mal eine Steu­er­erhö­hung für alle not­wen­dig. Es wür­de schon rei­chen, Lücken bei den Abga­ben auf wirk­lich gro­ße Erb­schaf­ten zu schlie­ßen – die meis­ten Men­schen wären davon also über­haupt nicht betroffen.

Für jun­ge Men­schen könn­te es aller­dings eine Chan­ce sein. Denn an das Auf­stiegs­ver­spre­chen, das für die Gene­ra­ti­on unse­rer Eltern galt, glau­ben vie­le von uns schon lan­ge nicht mehr. Wohn­ei­gen­tum ist für die meis­ten ein Traum aus der Ver­gan­gen­heit. Eigent­lich uner­reich­bar – es sei denn, man erbt. Die­ses Glück haben aller­dings nur weni­ge. Ein Grun­der­be könn­te hier ent­ge­gen­wir­ken. Es wür­de die Chan­cen­gleich­heit ver­bes­sern und jun­gen Men­schen die Frei­heit geben, ihre Zukunft selbst zum Bes­se­ren zu wan­deln – und trotz zahl­rei­cher Kri­sen opti­mis­ti­scher in die Zukunft zu blicken.

Am Ende wäre es aber gar nicht ent­schei­dend, ob alle 18-Jäh­ri­gen jetzt wirk­lich 20.000 Euro bekom­men. Oder aber eine ande­re Sum­me, in einem ande­ren Alter. Oder etwas ganz ande­res. Es gin­ge um ein Signal an jun­ge Men­schen, dass die Poli­tik ihre Zukunft nicht ver­ges­sen hat. Und auch bis 2063 denkt – und nicht nur bis 2039.

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