Alzheimer : Dass auch Jüngere erkranken können, ist oft nicht bekannt

Alzheimer und Demenz : Auch Jüngere können betroffen sein

Bei Alz­hei­mer oder ande­ren demen­ti­el­len Erkran­kun­gen den­ken vie­le an älte­re Men­schen. Dass auch Jün­ge­re erkran­ken kön­nen, ist oft nicht bekannt. Für Betrof­fe­ne und ihre Fami­li­en bringt eine frü­he Demenz im beson­ders viel Leid und schwer­wie­gen­de Pro­ble­me mit sich. Von einer Demenz in jün­ge­ren Jah­ren spricht man, wenn die ers­ten Sym­pto­me vor dem 65. Lebens­jahr auf­tre­ten. Schät­zun­gen zufol­ge betrifft das einen von 1000 Men­schen im Alter zwi­schen 45 und 65 Jah­ren. Anläss­lich des Welt-Alz­hei­mer­ta­ges am 21. Sep­tem­ber infor­miert die gemein­nüt­zi­ge Alz­hei­mer For­schung Initia­ti­ve (AFI) über die Situa­ti­on und beson­de­ren Her­aus­for­de­run­gen von jun­gen Demenzerkrankten.

„Im Prin­zip kön­nen alle Demenz­for­men früh auf­tre­ten“. Dazu gehö­ren die klas­si­schen neu­ro­de­ge­nera­ti­ven Erkran­kun­gen wie Alz­hei­mer-Demenz oder die Fron­to­tem­po­ra­le Demenz. Dabei ster­ben die Ner­ven­zel­len im Gehirn nach und nach ab. Aber auch eine zu gerin­ge Sau­er­stoff­ver­sor­gung des Gehirns, zum Bei­spiel durch frü­he Schlag­an­fäl­le, kön­nen Ursa­che einer Demenz sein. Gene­ti­sche Fak­to­ren spie­len bei frü­hen Demen­zen gene­rell eine grö­ße­re Rol­le als bei spä­ter auf­tre­ten­den Demen­zen, erklärt Prof. Kath­rin Fin­ke, Psy­cho­lo­gi­sche Lei­te­rin des Gedächt­nis­zen­trums am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Jena und Mit­glied des Wis­sen­schaft­li­chen Bei­ra­tes der AFI.

Der Weg zur Dia­gno­se ist oft lang 

Bei Mar­tin M. (62) wur­de Anfang 2022 eine Alz­hei­mer-Demenz dia­gnos­ti­ziert. Ers­te Sym­pto­me waren sei­ner Frau Eva aber schon Jah­re frü­her auf­ge­fal­len. „Das kam schlei­chend. Er war schon immer der zer­streu­te Pro­fes­sor. Dann wur­de die Ver­gess­lich­keit schlim­mer, sei­ne Mimik und sei­ne Kör­per­spra­che wur­den irgend­wie anders und in sei­nen Semi­na­ren konn­te er die Inhal­te nur noch stak­ka­to­ar­tig vor­tra­gen. Zuerst dach­te ich, das liegt an sei­ner Depres­si­on, des­we­gen war er auch in psych­ia­tri­scher Behand­lung“, berich­tet Eva M. „Die Dia­gno­se ist dann erst über vie­le Umwe­ge zustan­de gekom­men. Als ich irgend­wann end­lich mal den Mut und die rich­ti­gen Wor­te gefun­den hat­te, habe ich einem befreun­de­ten Neu­ro­lo­gen unse­re Situa­ti­on geschil­dert. Der hat uns dann drin­gend emp­foh­len, das rich­tig abklä­ren zu lassen.“

Dass eine Demenz bei jün­ge­ren Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten erst spät erkannt wird, ist nicht ungewöhnlich.

„Es kann zwei bis vier Jah­re dau­ern, bis jemand zum Fach­arzt kommt und die ent­spre­chen­den Unter­su­chun­gen gemacht wer­den. Mit 55 oder 60 Jah­ren denkt man bei Ver­gess­lich­keit nicht unbe­dingt an Demenz. Und in der Medi­zin ist es so : Man fin­det nur das, was man sucht“, weiß Dr. Micha­el Lor­rain aus sei­ner lang­jäh­ri­gen Pra­xis als nie­der­ge­las­se­ner Ner­ven­arzt in Düs­sel­dorf. Wie bei Mar­tin M. wer­den bei jün­ge­ren Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zunächst häu­fig ande­re Erkran­kun­gen ver­mu­tet, wie zum Bei­spiel Depres­sio­nen oder Burnout.

Die gan­ze Fami­lie ist betroffen

Mar­tin M. wohnt mit sei­ner Frau Eva und zwei ihrer drei gemein­sa­men Kin­der in Köln. Der gelern­te Fach­ran­ken­pfle­ger Psych­ia­trie hat­te lan­ge als selb­stän­di­ger Super­vi­sor und Dozent im Gesund­heits­we­sen gear­bei­tet. Sei­nen Beruf muss­te er mitt­ler­wei­le auf­ge­ben. Auch am Fami­li­en­le­ben kann er nicht mehr so teil­ha­ben wie zuvor. „Das ist kein gutes Gefühl. Ich gehö­re nicht mehr so rich­tig dazu, zu den Abläu­fen, die wir als Fami­lie haben. Ich kom­me mir dann manch­mal ein biss­chen ein­sam vor. Und auch ein biss­chen ver­zwei­felt, wenn ich mit­krie­ge, dass die Kin­der Abstand neh­men von mir. Das ist für mich schon sehr belas­tend“, schil­dert Mar­tin M. sei­ne Situation.

Eva M. trägt mitt­ler­wei­le die allei­ni­ge Ver­ant­wor­tung für die Fami­lie, den Haus­halt und die Finan­zen. „Das Zen­trum bin ich gewor­den. Die Kin­der brau­chen mit 14 und 17 Jah­ren noch Unter­stüt­zung. Ich gehe 30 Stun­den arbei­ten und habe den Anspruch, dass wir aus­ge­wo­gen essen. Dann kommt natür­lich noch die psy­chi­sche Belas­tung dazu und die Rol­len­ver­schie­bung in der Part­ner­schaft. Das ist alles schon sehr viel. Und natür­lich ist das auch schwer für Martin.“

Jun­ge Demenz­be­trof­fe­ne ste­hen meis­tens noch mit­ten im Leben und sind oft beruf­lich und fami­li­är ein­ge­bun­den. Vie­le haben grö­ße­re finan­zi­el­le Ver­pflich­tun­gen wie die Unter­stüt­zung von Kin­dern in der Aus­bil­dung oder zah­len die Raten für ein Eigen­heim ab. Die Belas­tun­gen sind anders als bei Men­schen, die erst spät an Alz­hei­mer oder einer ande­ren Demenz erkran­ken. Die­se Erfah­rung macht auch Prof. Fin­ke in der Gedächt­nis­sprech­stun­de in Jena. „Bei älte­ren Betrof­fe­nen ist es ein Stück weit nor­mal, dass sie nicht mehr so fit sind. Bei jung Erkrank­ten wird im beruf­li­chen Umfeld und in der Fami­lie ein leis­tungs­fä­hi­ger Mensch gebraucht, der anpackt und Ver­ant­wor­tung über­nimmt. Dass die­se Rol­le nicht mehr erfüllt wer­den kann, ist sowohl für die Erkrank­ten selbst als auch für die Fami­li­en oft schwer zu akzeptieren.“

Es feh­len pas­sen­de Pfle­ge- und Betreuungsangebote

Pro­ble­ma­tisch ist auch, dass bestehen­de Pfle­ge- und Betreu­ungs­an­ge­bo­te in der Regel nicht auf die Bedürf­nis­se von jün­ge­ren Men­schen mit Demenz aus­ge­rich­tet sind. Für Betrof­fe­ne macht das die ohne­hin schon schwie­ri­ge Situa­ti­on noch belas­ten­der. Für Mar­tin M. ist es nicht vor­stell­bar, spä­ter ein­mal auf sta­tio­nä­re Pfle­ge ange­wie­sen zu sein. „Wenn ich dann der Aller­jüngs­te bin zwi­schen 90-Jäh­ri­gen, das könn­te ich nicht. Ich müss­te ja schon Men­schen haben, mit denen ich im Gespräch sein kann.“ Vie­le jung Erkrank­te sind noch akti­ver und haben ande­re Bedürf­nis­se und Inter­es­sen als älte­re Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. „Wir waren in einem Chor für Demenz­kran­ke und ihre Ange­hö­ri­gen. Das war gut gemacht, aber die meis­ten Betrof­fe­nen sind 20 Jah­re älter als Mar­tin. Es wur­den Volks­lie­der und alte Schla­ger gesun­gen. Da habe ich echt die Kri­se gekriegt. Da sind wir ein­fach fehl am Platz“, sagt Eva M. „Es ist eine Zumu­tung, dass es kei­ne pas­sen­den Ange­bo­te und Wohn­kon­zep­te gibt, wir fal­len ein­fach durchs Ras­ter. Man könn­te so viel machen, gera­de weil die jung Erkrank­ten noch fit­ter sind.“

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Quel­le : Astrid Mar­xen, Alz­hei­mer For­schung Initia­ti­ve e.V. (AFI)
Ori­gi­nal-Con­tent von : Alz­hei­mer For­schung Initia­ti­ve e. V., über­mit­telt durch news aktuell

Foto­credit : Ado­be­Stock 601764741 / Brisystem

 

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