Häftlingsnummer P01135809: Schwer angeschlagen – Leitartikel von Dirk Hautkapp zu Trump

„Berliner Morgenpost“: Schwer angeschlagen – Leitartikel von Dirk Hautkapp zu Trump

Es ist schwer, die Unver­fro­ren­heit zu über­se­hen. Der einst mäch­tigs­te Mann der frei­en Welt, der die demo­kra­ti­schen Urprin­zi­pi­en der­sel­ben mit der Brech­stan­ge aus­he­beln woll­te und dafür jetzt von der Jus­tiz die Häft­lings­num­mer P01135809 zuge­wie­sen bekom­men hat, macht aus einem Augen­blick der Schan­de einen Kas­sen­schla­ger. Über 100 Mil­lio­nen Men­schen welt­weit haben den „Mugshot“, das amt­li­che Poli­zei­fo­to, von Donald Trump aus Atlan­ta auf sei­nem lan­ge ver­wais­ten X‑Konto (frü­her Twit­ter) seit Don­ners­tag­nacht angeklickt.

Was die Augen­zeu­gen zu sehen bekom­men, hat die Kraft einer visu­el­len Pis­to­len­ku­gel. Der ehe­ma­li­ge Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten gefan­gen in einer foto­gra­fi­schen Ein­zel­zel­le. Den Blick starr und fins­ter in die Lin­se gerich­tet. Fast so wie Mal­colm McDo­well in Kubricks Kino­meis­ter­werk „Clock­work Orange“.

Anders als Pro­mis in der glei­chen demü­ti­gen­den Situa­ti­on, die sich in Grund und Boden schäm­ten, hat der 45. Prä­si­dent der USA den auf ewig im natio­na­len Gedächt­nis blei­ben­den Schnapp­schuss wie ein frisch aus dem Back­ofen kom­men­des Bröt­chen unter die Leu­te gebracht. Um sei­nen Mär­ty­rer-Sta­tus zu näh­ren. Und um durch den Ver­kauf von Devo­tio­na­li­en sei­ne Scha­tul­le zu fül­len, aus der her­aus der rei­che Immo­bi­li­en­ma­gnat sei­ne Anwäl­te-Arma­da bezahlt, die ihn vor einem Lebens­abend hin­ter Git­tern bewah­ren soll.

Alles dar­an ist falsch und ver­lo­gen, nicht nur die Gewichts­an­ga­be von 97 Kilo­gramm – aber 15 Mona­te vor den nächs­ten Prä­si­dent­schafts­wah­len ame­ri­ka­ni­sche Rea­li­tät. Ob Trump die­se Zeit poli­tisch über­lebt, ob er wei­ter zün­delt und einen Auf­ruhr sei­ner Anhän­ger initi­iert, die ihr Idol hart­nä­ckig als Opfer einer Rache-Jus­tiz der Demo­kra­ten sehen möch­ten, ist heu­te nicht zu sagen. Eben­so offen ist, ob die neue Dimen­si­on der an vier ver­schie­de­nen Orten (New York, Washing­ton, Miami und Atlan­ta) par­al­lel lau­fen­den Ver­fah­ren wegen ver­such­ter Mani­pu­la­ti­on der Wah­len 2020 den So-gut-wie-Kan­di­da­ten der Repu­bli­ka­ner für den Urnen­gang im Novem­ber nächs­ten Jah­res ins Wei­ße Haus tra­gen wird.

Viel wird davon abhän­gen, wie trans­pa­rent, zügig und unan­fecht­bar die Jus­tiz agiert. Statt vier darf es nach mensch­li­chem Maß und Ver­nunft kurz­fris­tig nur zwei Pro­zes­se geben, der Rest muss war­ten. Nur was Son­der­er­mitt­ler Jack Smith in Washing­ton und Staats­an­wäl­tin Fani Wil­lis in Atlan­ta akri­bisch her­aus­ge­ar­bei­tet haben – die Ver­sün­di­gung Trumps an den Regeln der Macht­über­ga­be nach einer ver­lo­re­nen Wahl -, hat die nöti­ge Fall­hö­he. Und die Sub­stanz, Wäh­ler­hal­tun­gen zu beeinflussen.

Die Wahr­heit ist: Umfra­gen, die seit Mona­ten den rie­si­gen Vor­sprung Trumps bei der inner­re­pu­bli­ka­ni­schen Kan­di­da­ten­su­che spie­geln, füh­ren in die Irre. Schon auf der Ebe­ne der Bun­des­staa­ten, die zuerst ins Ren­nen gehen (Iowa, New Hamp­shire etc.), schrumpft der Rie­se beträcht­lich. Ganz anders sieht es aus, wenn die Stimm­ab­ga­be bei der ech­ten Wahl abge­fragt wird.

Wür­de Trump vor­her eines schwer­wie­gen­den Ver­bre­chens ver­ur­teilt, gin­gen nur noch 35 Pro­zent der Wäh­ler mit ihm durch dick und dünn. Damit wird man nicht Prä­si­dent in Ame­ri­ka. Weil über 70 Pro­zent der Ame­ri­ka­ner die gegen Trump in Stel­lung gebrach­ten Ankla­gen in Sachen Wahl­ma­ni­pu­la­ti­on für schwer­wie­gend hal­ten, darf man kon­sta­tie­ren: Der „Mugshot“ Trumps zeigt einen schwer ange­schla­ge­nen Mann, der bereits mit einem Bein im Gefäng­nis ste­hen könnte.

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Quel­le: BER­LI­NER MORGENPOST
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