Kreismuseum Wewelsburg veröffentlicht Sammelband zur Geschichte der Wewelsburg und des KZ Niederhagen

Kreismuseum Wewelsburg veröffentlicht Sammelband zur Geschichte der Wewelsburg und des KZ Niederhagen

Wewels­burg:  Anläss­lich des 40-jäh­ri­gen Bestehens der Erin­ne­rungs- und Gedenk­stät­te Wewels­burg 1933 – 1945 hat das Kreis­mu­se­um Wewels­burg die For­schungs­pro­jek­te der letz­ten Jah­re zur Geschich­te des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Nie­der­ha­gen und zur frü­hen Nach­kriegs­zeit in Wewels­burg in die­sem Sam­mel­band zusam­men­ge­tra­gen. Die Bei­trä­ge eröff­nen neue Sicht­wei­sen auf die Men­schen, deren Leben wäh­rend oder nach dem Zwei­ten Welt­krieg mit dem Lager­ge­län­de in Wewels­burg ver­knüpft war. Zugleich wer­den neue Erkennt­nis­se zur Lager­to­po­gra­phie und ein­zel­nen Gebäu­den prä­sen­tiert. Das ehe­ma­li­ge Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger­ge­län­de wur­de ab 1947 als Flücht­lings- und Ver­trie­be­nen­la­ger wei­ter­ge­nutzt. Nur weni­ge Gebäu­de erin­nern in der heu­ti­gen Wohn- und Gewer­be­sied­lung noch an die SS-Ver­gan­gen­heit. Fra­gen nach dem Umgang mit den bau­li­chen Über­res­ten wer­den eben­so the­ma­ti­siert wie juris­ti­sche Auf­ar­bei­tun­gen durch die bri­ti­schen Besat­zungs­be­hör­den und die Ent­wick­lung und Wand­lun­gen des Geden­kens nach 1945 bis heute.

Die Muse­ums­lei­te­rin Kirs­ten John-Stu­cke betont, dass der Sam­mel­band ein wich­ti­ger Bei­trag für die For­schun­gen zur Geschich­te der Wewels­burg wäh­rend der NS-Zeit sowie des KZ Nie­der­ha­gen und der Nach­nut­zung des Lager­ge­län­des sind.

So forsch­te Dr. Erik Beck zum Ver­bleib der ver­stor­be­nen KZ-Häft­lin­ge und ging der Fra­ge nach, wohin die Urnen nach dem Ein­äsche­rungs­vor­gang in den nahe­ge­le­ge­nen Kre­ma­to­ri­en gebracht wur­den. Sei­ne Erkennt­nis­se lie­fern einen wich­ti­gen Bei­trag für das Geden­ken an die Opfer des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers. Chris­to­pher Horst­mann beschäf­tig­te sich in sei­nen wis­sen­schaft­li­chen Recher­chen aus­führ­lich mit der SS-Wach­mann­schaft in Wewels­burg und stellt in die­sem Sam­mel­band das neu erwor­be­ne Brief­kon­vo­lut des SS-Wach­manns Edwin Holec vor. Wie aus­sa­ge­kräf­tig in der zeit­ge­schicht­li­chen For­schung die Arbeit mit Zeit­zeu­gin­nen und Zeit­zeu­gen sein kann, stellt Nor­bert Eller­mann in sei­nem Bei­trag über die frü­he­ren Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­nern des Flücht­lings­la­gers in Wewels­burg her­aus. Bei aller Vor­sicht gegen­über der Vali­di­tät von Zeit­zeu­gen­be­rich­ten las­sen sich Ein­drü­cke und Erfah­run­gen der geflüch­te­ten und ver­trie­be­nen Fami­li­en in Wewels­burg dokumentieren.

Die frü­he Straf­ver­fol­gung der alli­ier­ten Besat­zungs­trup­pen wur­de gleich in meh­re­ren Auf­sät­zen des Sam­mel­ban­des unter­sucht. Dr. Kers­tin Schul­te berich­tet über ihre For­schun­gen zu den frü­hen Ermitt­lun­gen der War Cri­mes Group der bri­ti­schen Besat­zung gegen­über den NS-Kriegs­ver­bre­chern in Wewels­burg. Die Aus­wer­tung der von ihr recher­chier­ten Spruch­ge­richts­ak­ten geben span­nen­de bio­gra­fi­sche Hin­wei­se auf ein­zel­ne SS-Wach­män­ner. Oli­ver Nickel berich­tet über das von ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten als „Erzie­hungs­ver­such“ für die Dorf­be­woh­ner befoh­le­ne soge­nann­te „Süh­ne­be­gräb­nis“, bei der die Lei­chen einer Mas­sen­exe­ku­ti­on weni­ge Mona­te vor Kriegs­en­de am SS-Schieß­stand exhu­miert wer­den muss­ten, und über die Straf­ver­fol­gung der ame­ri­ka­ni­schen Ermitt­ler. Erst­ma­lig wer­den in die­sem Bei­trag Fotos von der Exhu­mie­rung ver­öf­fent­licht. Die Ereig­nis­se rund um das Kriegs­en­de in Wewels­burg wer­den in zwei wei­te­ren Bei­trä­gen von Mar­kus Moors und Kirs­ten John-Stu­cke aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven her­aus beleuch­tet. Die über­stürz­te Flucht der SS-Män­ner aus Wewels­burg kurz vor Ankunft der ame­ri­ka­ni­schen Trup­pen steht im kras­sen Gegen­satz zu der Befrei­ung des Häft­lings­rest­kom­man­dos, des­sen Mit­glie­der sich nach der Befrei­ung um eine enge Koope­ra­ti­on mit den ame­ri­ka­ni­schen Befrei­ern bemüh­ten. Die Suche der Ame­ri­ka­ner nach der ver­steck­ten Kunst­samm­lung der SS greift Dr. Kers­tin Schul­te in einer Mis­zel­le zu den Monu­ment Men in Wewels­burg auf.

Bio­gra­fi­sche Skiz­zen zu den KZ-Häft­lin­gen Franz Tuteur und Albert Hein­ze von Rein­hard From­me und Dr. Erik Beck erschei­nen in den Mis­zel­len, eben­so wie Nor­bert Eller­manns Skiz­ze zu dem fran­zö­si­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen Coren­tin LeGoff.

Ein frü­hes Geden­ken an die Opfer der SS-Gewalt in Wewels­burg und die Kriegs­fol­gen all­ge­mein im Pader­bor­ner Land fand bereits 1950 sei­nen Stand­ort im Nord­turm der Wewels­burg. Es han­delt sich dabei um den zehn­tei­li­gen, expres­sio­nis­ti­schen Gemäl­de­zy­klus des Büre­ner Künst­lers Josef Glahé. Dr. Ste­pha­nie Ler­ke fasst in ihrem Bei­trag ihre umfas­sen­den Recher­chen zu dem Künst­ler und sei­nen Gemäl­de­zy­klus zusam­men und ver­deut­licht, wie der Mahn­mals­zy­klus in den 1970er Jah­ren aus der Öffent­lich­keit ver­drängt und jahr­zehn­te­lang miss­ach­tet wur­de. Den kri­ti­schen Umgang mit bau­li­chen Über­res­ten der SS-Ver­gan­gen­heit stellt schließ­lich Bar­ba­ra Schulz in ihrem Bei­trag am Bei­spiel des Anbaus der ehe­ma­li­gen KZ-Häft­lings­kü­che in Wewels­burg dar. Die Ergeb­nis­se ihrer bau­ge­schicht­li­chen Unter­su­chung zu dem Gebäu­de ermög­li­chen es dem Kreis­mu­se­um, die Geschich­te des Bau­werks und sei­ne Nach­nut­zung nach­voll­zieh­bar zu machen. In einer Mis­zel­le rich­tet Erik Beck den Blick auch auf das Gebäu­de des heu­te noch in Wewels­burg vor­han­de­nen frü­he­ren KZ-Kre­ma­to­ri­ums auf dem ehe­ma­li­gen Indus­trie­hof und skiz­ziert die bau­his­to­ri­schen Spu­ren und frü­he­re Nut­zung des Gebäudes.

Die Her­aus­ge­be­rin Kirs­ten John-Stu­cke freut sich über die neu­en Erkennt­nis­se des Sam­mel­bands: „Die Bio­gra­fien von Tätern, Opfern und alli­ier­ten Ermitt­lern ver­deut­li­chen die ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven, aus denen sich die Geschich­ten zusam­men­set­zen. Die Bei­trä­ge zei­gen aber auch, wie schwie­rig und kon­flikt­reich der Umgang mit den bau­li­chen Über­res­ten der SS-Ver­gan­gen­heit und dem Geden­ken an die Opfer der SS-Gewalt bis heu­te ist. Die The­men sind aktu­ell, auch heu­te noch.“

Der Sam­mel­band ist als Band 13 der Schrif­ten­rei­he des Kreis­mu­se­ums Wewels­burg im Brill Schö­ningh Ver­lag erschie­nen und ist für 26,90 € im Buch­han­del, im Kreis­mu­se­um Wewels­burg oder im Online-Shop des Kreis­mu­se­ums auf www​.wewels​burg​.de erhältlich.

____________________

Quel­le: Pres­se- und Öffent­lich­keits­ar­beit c/​o Melina Soh­lich / Kreis­mu­se­um Wewelsburg

Bild­un­ter­zei­le: Chris­to­pher Horst­mann, Muse­ums­lei­te­rin Kirs­ten John-Stu­cke, Dr. Diet­hard Sawi­cki vom Brill Schö­ningh Ver­lag, Jörg Piron, Oli­ver Nickel, Dr. Kers­tin Schul­te, Rein­hard From­me und Dr. Erik Beck bei der Buchpräsentation.

Fotocredit:©Kreismuseum Wewels­burg

 

Print Friendly, PDF & Email