Aus der Krise lernen : Bremer Wissenschaftler fordert freie Bildung für Schulen

Eine nichtkommerzielle Plattform für E‑Learning, die frei genutzt werden kann – dafür setzt sich der Bremer Wissenschaftler Frank J. Müller ein.

win­ter­berg-total­lo­kal : Der Juni­or­pro­fes­sor für Inklu­si­ve Päd­ago­gik sieht in der kol­lek­ti­ven Erstel­lung und Teil­ha­be an qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen digi­ta­len Bil­dungs­ma­te­ria­li­en auch eine Chan­ce für die Her­aus­for­de­run­gen der Inklu­si­on. Gera­de in Zei­ten der Coro­na-Kri­se sei die­se Art der Wis­sens­ver­mitt­lung ide­al, sagt Mül­ler. Für sei­ne Idee hat er bun­des­weit Mit­strei­ter gefunden.

Der Erzie­hungs­wis­sen­schaft­ler stellt zwei For­de­run­gen, die mit­ein­an­der ver­knüpft sind : Freie Bil­dungs­ma­te­ria­li­en, auch Open Edu­ca­tio­nal Resour­ces (OER) genannt, und die dazu pas­sen­de nicht­kom­mer­zi­el­le Platt­form für E‑Lear­ning-Inhal­te. Posi­ti­ve Erfah­run­gen, die er bei einem For­schungs­auf­ent­halt in Nor­we­gen sam­meln konn­te, haben ihn über­zeugt. „Den viel­fäl­ti­gen Lern­vor­aus­set­zun­gen und ‑bedürf­nis­sen der Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen nur Mate­ria­li­en Rech­nung tra­gen, die über eine hohe Indi­vi­dua­li­sier­bar­keit ver­fü­gen“, betont Prof. Mül­ler. „Sie müs­sen gemein­frei oder mit einer frei­en Lizenz her­ge­stellt wer­den.“ Alle an Schu­le Betei­lig­ten könn­ten sie legal und kos­ten­frei ver­viel­fäl­ti­gen, ver­wen­den, anpas­sen und ver­brei­ten“, unter­streicht der Wis­sen­schaft­ler. Zu den Open Edu­ca­tio­nal Resour­ces gehör­ten Auf­ga­ben, Skrip­te, Tests, Pro­jek­te, Kar­ten, Text­aus­zü­ge, Audio‑, Video- und Ani­ma­ti­ons­for­ma­te. Wich­tig sei, dass die Inhal­te über eine nach „oben und unten offe­ne Leis­tungs­dif­fe­ren­zie­rung“ verfügten.

Digi­ta­les Ler­nen ver­stärkt Benachteiligung

Um die For­de­rung nach einer frei ver­wend­ba­ren Lern­platt­form zu unter­strei­chen, schil­dert der Exper­te die im Zuge von Schul­schlie­ßun­gen wäh­rend der Coro­na-Kri­se auf­tre­ten­den Pro­ble­me. „Über­las­te­te kom­mer­zi­el­le und zen­tra­li­sier­te staat­li­che Platt­for­men kön­nen viel­fach der Zahl der neu­en Nut­ze­rin­nen und Nut­zer nicht gerecht wer­den oder sie wer­den durch zusätz­li­che Angrif­fe im Inter­net aus­ge­schal­tet“, warnt er. Vie­le Lehr­kräf­te ver­schick­ten PDFs an Schü­le­rin­nen und Schü­ler, die mög­li­cher­wei­se kei­nen Dru­cker und ledig­lich ein Smart­phone zur Ver­fü­gung hät­ten. „Die Benach­tei­li­gung von Schü­le­rin­nen und Schü­lern aus Haus­hal­ten mit gerin­gem kul­tu­rel­len und öko­no­mi­schen Kapi­tal wird damit wei­ter ver­stärkt“, ist sich der Päd­ago­ge sicher.

Posi­ti­ves Bei­spiel Norwegen

Bei der in Nor­we­gen geschaf­fe­nen Platt­form für freie Bil­dungs­ma­te­ria­li­en für die Sekun­dar­stu­fe II, die „Nas­jo­nal Digi­tal Lærings­are­na“ (ndla​.no), stün­den die Inhal­te ohne Log­in und ohne Down­load frei zur Ver­fü­gung. Sie sei­en auf Smart­phones, Tablets und Lap­tops nutz­bar. Die Platt­form stel­le nicht nur Inhal­te zur Ver­fü­gung, son­dern bie­tet die­se auch unter frei­en Lizen­zen an. „Die­se erlau­ben die Anpass­bar­keit der Mate­ria­li­en an die Bedürf­nis­se der Ler­nen­den und die anschlie­ßen­de Wei­ter­ver­brei­tung des Mate­ri­als“, nennt Prof. Mül­ler wei­te­re Vor­tei­le. Selbst die Soft­ware der Platt­form ist Open Source und kann von ande­ren Län­dern frei genutzt werden.

Poli­tik und Ver­wal­tung sensibilisieren

Ein Kon­sens­pa­pier, das die­se For­de­run­gen zusam­men­fasst, wur­de bereits von Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern einer Tagung im Han­se-Wis­sen­schafts­kol­leg unter­zeich­net. Exper­tin­nen und ‑exper­ten aus Nor­we­gen, Baden-Würt­tem­berg, Sach­sen-Anhalt, Schles­wig-Hol­stein, Nie­der­sach­sen, Ber­lin, Bonn und Frank­furt am Main befür­wor­ten den Bre­mer Vor­stoß. „Wir wol­len nun gemein­sam Bil­dungs­po­li­ti­ke­rin­nen und Bil­dungs­po­li­ti­ker sowie Schul­ver­wal­tun­gen dafür sen­si­bi­li­sie­ren“, nennt Prof. Frank J. Mül­ler sei­ne wei­te­ren Plä­ne. Ziel sei es, eine ver­gleich­ba­re Geset­zes­grund­la­ge wie in Nor­we­gen zu schaf­fen. Wenn jedes Bun­des­land für jeden Schü­ler einen Euro pro Unter­richts­fach zur Ver­fü­gung stel­len wür­de, dann könn­ten pro Jahr sie­ben Mil­lio­nen Euro pro Fach für das Pro­jekt Ver­wen­dung fin­den, sagt Müller.

Bild :

Eine kos­ten­lo­se Platt­form mit qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Inhal­ten soll das Ler­nen erleichtern.

 

Bild­rech­te : MNStu­dio – stock​.ado​be​.com

Quel­le : Uni­ver­si­tät Bremen

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