Stichwort der Woche : „Pack die großen Taschen aus!“

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche von, Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : Heut‘ ist Niko­laus­tag. Trotz einer star­ken Säku­la­ri­sie­rung unse­rer Gesell­schaft, in der sich kaum jemand noch mit Hei­li­gen beschäf­tigt und kaum noch jemand sei­nen eige­nen Namens­tag kennt, behält der Niko­laus­tag in wei­ten Krei­sen der Bevöl­ke­rung sei­ne gro­ße Bedeu­tung. Wie schafft er es sich in unse­re moder­ne Gesell­schaft ein­zu­fü­gen ? Ganz ein­fach, so wie im Chris­ten­tum vie­le „heid­ni­sche Bräu­che“ wei­ter Bestand hat­ten, weil sie sich in das dama­li­ge christ­li­che Welt­bild ein­füg­ten, haben heu­te christ­li­che Tra­di­tio­nen eine Bestands­ga­ran­tie, wenn sie sich in die Anbe­tung des Kon­sums, also in die heu­te gel­ten­de Mas­sen­re­li­gi­on ein­fü­gen. Schon die Zei­le aus dem bekann­ten Niko­laus­lied „Niko­laus komm in unser Haus, pack die gro­ßen Taschen aus“, ist wie gemacht für unse­re heu­ti­ge Gesell­schaft. Denn hier wer­den Geschen­ke mas­siv ein­ge­for­dert. Eigent­lich ist Schen­ken eine frei­wil­li­ge Leis­tung des Schen­ken­den und führt (in aller Regel) bei dem Beschenk­ten zu Freu­de und Dank­bar­keit. Wenn ich ein Geschenk ein­for­de­re, dann ist es kein Geschenk mehr, son­dern eine „Sach­leis­tung“, wel­che mir von dem­je­ni­gen, von dem ich sie ein­for­de­re auch gewährt wird. Sehr theo­re­tisch, oder ? Aber das pas­siert nun mal wenn man ver­sucht etwas, was eigent­lich emo­tio­nal tief in uns Men­schen ver­an­kert sein soll­te, ratio­nal zu erklären.

Der heu­ti­ge Niko­laus hat daher auch mit dem christ­li­chen Hei­li­gen von frü­her wenig zu tun. Er ist näm­lich eigent­lich der „San­ta Claus“, das heißt eine Mar­ke­ting­er­fin­dung von Coca Cola, eines der ers­ten glo­bal agie­ren­den Kon­zer­ne der Welt. Als eine Mischung aus Weih­nachts­mann und Väter­chen Frost besteht sei­ne ein­zi­ge Auf­ga­be nur noch dar­in den Kon­sum in den Wachs­tums­län­dern der nörd­li­chen Hemi­sphä­re anzu­hei­zen. Sein Auf­tre­ten beschränkt sich daher auch nicht mehr auf den heu­ti­gen Niko­laus­tag, denn der bun­te Gesel­le ist von Novem­ber bis Janu­ar über­all prä­sent. Er ver­führt Men­schen dazu, wie Wal­ter Sle­zak einst poin­tier­te „Mit Geld, das sie nicht haben, Din­ge zu kau­fen, die sie nicht brau­chen um damit Men­schen zu impo­nie­ren, die sie nicht mögen“. Er ist damit der pas­sen­de Hei­li­ge einer Reli­gi­on, die den Kon­sum als ein­zi­gen Gott anbe­tet. Der his­to­ri­sche Niko­laus von Myra hat übri­gens nicht die Rei­chen, son­dern die Armen beschenkt. Sein Auf­ga­ben­ge­biet liegt somit nicht in den Ein­kaufs­pas­sa­gen west­li­cher Groß­städ­te, son­dern eher in der Nähe sei­ner Her­kunft, näm­lich bei den stark gebeu­tel­ten Men­schen in den Kri­sen­ge­bie­ten des Nahen Ostens. Uns bleibt dann nur der Coca Cola Weihnachtsmann.

Ihr Nor­bert Schnellen

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