Stichwort der Woche (Ausgabe 40): Die „große sozialistische Revolution“

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

win­ter­berg-total­lo­kal : Am 7. Novem­ber 1917, also vor genau 100 Jah­ren, stürm­ten der Legen­de nach die Bol­sche­wi­ki den Peters­bur­ger Win­ter­pa­last. In der Fol­ge­zeit über­nah­men sie die Macht in ganz Russ­land, spä­ter bau­ten sie ihr Macht­ge­fü­ge auch in den Län­dern des ehe­ma­li­gen Zaren­rei­ches aus. Nach dem 2. Welt­krieg reich­te ihre Ein­fluss­sphä­re dann über Ost­eu­ro­pa bis nach Deutsch­land. Theo­re­tisch waren sie ange­tre­ten die Welt durch ihre Macht­über­nah­me bes­ser und gerech­ter zu machen. Bereits am 8. Novem­ber beschlos­sen sie per Dekret die Ent­eig­nung der Groß­grund­be­sit­zer und Kapi­ta­lis­ten um das Land den Bau­ern und die Fabri­ken an die Arbei­ter zu über­ge­ben. Soweit die Theo­rie. In der Rea­li­tät wur­de in der Sowjet­uni­on ein Ter­ror­re­gime errich­tet, wel­ches in den dar­auf fol­gen­den Jahr­zehn­ten, bis zu sei­nem Ende im Jahr 1991, mehr als 20 Mil­lio­nen Men­schen das Leben gekos­tet hat. Noch erfolg­rei­cher in der Ver­nich­tung von mensch­li­chem Leben war nur der „gro­ße Vor­sit­zen­de“ Mao im ehe­ma­li­gen kom­mu­nis­ti­schen Bru­der­land Chi­na, auf des­sen Kap­pe geschätzt über 65 Mil­lio­nen Men­schen gehen. Was ist da schief gelaufen ?

Wie auch bei vie­len Reli­gio­nen und Revo­lu­tio­nen, die in ihrer Grund­idee Frie­den, Frei­heit und Gerech­tig­keit brin­gen woll­ten, haben sich auch bei der Aus­brei­tung des Kom­mu­nis­mus letzt­end­lich die gewalt­be­rei­ten Ver­bre­cher gegen die fried­li­chen Kräf­te durch­ge­setzt. Mit ihren kran­ken Hir­nen ver­mu­te­ten sie in fast jedem ande­ren Men­schen einen Feind oder Kon­ter­re­vo­lu­tio­när. Nach dem Mot­to „Willst Du nicht mein Bru­der sein, so schlag ich Dir den Schä­del ein“, wur­den in so genann­ten „Säu­be­run­gen“, gan­ze Grup­pen anders­den­ken­der Men­schen ermor­det. Jedoch auch ein rück­sichts­lo­ser Dik­ta­tor wie Sta­lin konn­te die­se Mas­sen­mor­de nicht allei­ne bege­hen. Zu jedem Ter­ror­re­gime gehö­ren eine Men­ge Mit­läu­fer und Oppor­tu­nis­ten, die sich hin­ter der Macht­hier­ar­chie ver­ste­cken, ohne damit ihr eige­nes Gewis­sen zu belas­ten. Die­se Sor­te Men­schen sind schlim­mer als die Haupt­tä­ter und im Gegen­satz zu denen ster­ben die­se Leu­te nie aus. Nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­uni­on waren es dann genau die­se Leu­te, die sich ehe­ma­li­ges Staats­ei­gen­tum aneig­ne­ten und jetzt als „Kapi­ta­lis­ten reins­ter Leh­re“ in der Welt­wirt­schaft mit­mi­schen. Die­se, soge­nann­ten Olig­ar­chen gehö­ren heu­te zu den reichs­ten und ein­fluss­reichs­ten Men­schen der Welt, ohne die in der Wirt­schaft nichts mehr geht.

Ins­ge­samt kann man die Okto­ber­re­vo­lu­ti­on vor 100 Jah­ren als eine der gro­ßen ver­pass­ten Chan­cen der Mensch­heit betrach­ten. Durch den Irr­weg des „real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus“ hat jede Anstren­gung die­se Welt fried­li­cher und gerech­ter zu machen kaum noch eine Chan­ce. Die Fol­ge ist die Stär­kung eines immer unge­rech­ter wer­den­den kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems, wel­ches so lan­ge gut geht, bis die nächs­ten Ver­bre­cher ankom­men und eine neue Revo­lu­ti­on anzet­teln. Scha­de, dass die Mensch­heit nicht lern­fä­hig ist.

Ihr Nor­bert Schnellen

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