Stichwort der Woche : Schicksalstag der Deutschen ?

Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : Der heu­ti­ge 9.November wird von man­chen His­to­ri­kern als der „Schick­sals­tag der Deut­schen“ bezeich­net. Und wirk­lich, an die­sem Tag jäh­ren sich jedes Jahr mas­sen­haft wich­ti­ge Ereig­nis­se in der deut­schen Geschich­te. Wie wir alle wis­sen, besieg­te am 9.November 1313 der deut­sche Kai­ser Lud­wig der Bay­er in der Schlacht von Gam­mels­dorf sei­nen Vet­ter Fried­rich den Schö­nen und 1848 wur­de in Wien der deut­sche Par­la­men­ta­ri­er Robert Blum vom öster­rei­chi­schen Mili­tär stand­recht­lich erschos­sen. Am 9.November 1914 wur­de die SMS Emden vor den Kokos­in­seln von den Aus­tra­li­ern ver­senkt, vier Jah­re spä­ter brach dann in Ber­lin die deut­sche Novem­ber­re­vo­lu­ti­on aus. Alles Ereig­nis­se, wie sie sich auch an man­chem ande­ren Datum in der Fol­ge von Jahr­hun­der­ten ereig­nen. Einen Schick­sals­tag mach­ten aus die­sem Datum erst die Natio­nal­so­zia­lis­ten. Sie sahen in der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on und dem Zusam­men­bruch des Kai­ser­reichs ein Werk der „jüdi­schen Welt­ver­schwö­rung“ gegen Deutsch­land. Dem­zu­fol­ge insze­nier­ten sie die Ter­mi­ne für, ihrer Mei­nung nach „welt­be­we­gen­de“ Ereig­nis­se an die­sem Datum : Am 9.November 1923 ver­such­ten sie erst­mals mit dem Hit­ler – Luden­dorff – Putsch gewalt­sam an die Macht zu gelan­gen, am 9.November 1925 grün­de­ten sie die SS und am 9.November 1938 brann­ten über­all in Deutsch­land die Syn­ago­gen. Die Aus­schrei­tun­gen gegen­über den jüdi­schen Mit­bür­gern zeig­te aller Welt die men­schen­ver­ach­ten­de Frat­ze des deut­schen Naziregimes.

Als 51 Jah­re spä­ter, am 9.November 1989, der Sekre­tär des ZK der SED, Gün­ter Schab­ow­ski, mit einer stot­te­ri­gen Bemer­kung den Fall der Mau­er ein­lei­te­te, war ihm sicher nicht bewusst, dass er sich hier­für einen schick­sals­träch­ti­gen Ter­min aus­ge­sucht hat­te. Wahr­schein­lich war ihm über­haupt nicht bewusst, dass er mit sei­nen dün­nen Wor­ten das vor­zei­ti­ge Ende der DDR ein­ge­läu­tet hat­te. Die­ser 9.November 1989 war der Aus­gangs­punkt für die deut­sche Wie­der­ver­ei­ni­gung und somit wie­der für ein „gro­ßes“ Staats­ge­bil­de namens Deutsch­land mit­ten in einem ver­ei­nig­ten Euro­pa. Ein Blick in die deut­sche Geschich­te ist an die­sem Datum sicher sehr hilf­reich. Am 9.November 1918 hat­ten wir Deut­schen die Chan­ce ein fried­li­ches und demo­kra­ti­sches Land auf­zu­bau­en, allein uns fehl­te die demo­kra­ti­sche Rei­fe und wir haben die­se gro­ße Chan­ce bekannt­lich nicht genutzt. Am 9.November 1938 haben wir dann aller Welt gezeigt, dass wir uns von den Grund­sät­zen einer zivi­li­sier­ten Gesell­schaft mei­len­weit ent­fernt hat­ten. Seit dem 9.November 1989 sind jetzt auch schon wie­der 27 Jah­re ins Land gegan­gen. Inzwi­schen kennt also eine gan­ze Gene­ra­ti­on die deut­sche Tei­lung nur noch vom Hören­sa­gen. Deutsch­land hat wie­der eine Füh­rungs­rol­le in Euro­pa über­nom­men, aber sind wir wirk­lich zwi­schen­zeit­lich so gereift, dass wir die­se auch nach­hal­tig und vor­aus­schau­end aus­fül­len können ?

Ihr Nor­bert Schnellen

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