Keine Macht den Doofen !

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : Nach­dem sich die Bri­ten in einer Volks­ab­stim­mung mit einer knap­pen Mehr­heit für den Aus­tritt aus der EU aus­ge­spro­chen haben, wird in Poli­tik und Medi­en leb­haft über den Sinn von Volks­ab­stim­mun­gen dis­ku­tiert. Vie­le sehen im Brexit ein Indiz dafür, dass man solch wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen nicht dem Volk über­las­sen soll­te. Häh?!? Wer, wenn nicht das Volk, soll­te in einer Demo­kra­tie über die Zukunft eines Vol­kes ent­schei­den ? Was für ein Demo­kra­tie­ver­ständ­nis hat sich da inzwi­schen breit gemacht ? Seit Unter­zeich­nung der Magna Char­ta vor über 800 Jah­ren zählt Eng­land zu den ältes­ten demo­kra­ti­schen Gemein­we­sen in Euro­pa. Auf dem euro­päi­schen Kon­ti­nent wur­de dem Volk zu die­ser Zeit noch das Obrig­keits­staats­den­ken ein­ge­prü­gelt. Man mag, als über­zeug­ter Euro­pä­er, die Ent­schei­dung der Bri­ten bedau­ern oder für falsch befin­den, man darf jedoch, als über­zeug­ter Demo­krat, nicht das Zustan­de­kom­men die­ses Ent­schlus­ses durch ein Refe­ren­dum in Fra­ge stellen.

Sicher kann man die Ent­schei­dung der Bri­ten gegen die EU nicht mit einer Ableh­nung Euro­pas gleich­set­zen. Vie­le Bür­ger Euro­pas emp­fin­den die EU als ein unde­mo­kra­ti­sches Büro­kra­tie­mons­ter und das viel­leicht nicht ganz zu Unrecht. Als ein­fa­cher Bür­ger der EU ver­misst man direk­te demo­kra­ti­sche Struk­tu­ren sowie eine aus­rei­chen­de Trans­pa­renz beim Zustan­de­kom­men von Geset­zen und Ver­trä­gen. Unser „obers­ter Euro­pä­er“, ein etwas zwie­lich­ti­ger Mann aus dem schö­nen Luxem­burg, erweckt mit sei­ner uner­träg­li­chen Nähe zu Groß­kon­zer­nen und Lob­by­is­ten, nicht gera­de den Ein­druck „einer von uns“ zu sein. Er erin­nert mich viel­mehr stark an einen ehe­ma­li­gen FIFA-Prä­si­den­ten, des­sen Name mir jetzt gera­de nicht ein­fällt. Dass ein sol­cher Mann Volks­ab­stim­mun­gen fürch­tet, wie der Teu­fel das Weih­was­ser, leuch­tet ein. Wenn aber hier­zu­lan­de vie­le Poli­ti­ker und Medi­en dem Volk die Fähig­keit abspre­chen über wich­ti­ge Din­ge per Volks­ent­scheid sel­ber zu ent­schei­den, soll­te einen das schon etwas nach­denk­lich stim­men. Wenn aber, einer For­sa-Umfra­ge zufol­ge, eine gro­ße Mehr­heit der Deut­schen es sel­ber ablehnt über ein solch wich­ti­ges The­ma das Volk abstim­men zu las­sen, soll­ten eigent­lich bei jedem Demo­kra­ten die Alarm­glo­cken schril­len. Über 70 Jah­re nach Kriegs­en­de, über 25 Jah­re nach dem Nie­der­gang der DDR, ver­trau­en die meis­ten Deut­schen lie­ber auf die „Obrig­keit“, als dass sie ihren eige­nen Lands­leu­ten zutrau­en, als mün­di­ge Bür­ger über das eige­ne Schick­sal zu ent­schei­den. Was kommt denn dann als nächstes ?

In den letz­ten Jah­ren bekom­men rechts- und links­po­pu­lis­ti­sche Par­tei­en in ganz Euro­pa immer mehr Zulauf. Die logi­sche Kon­se­quenz dar­aus wäre, nach obi­ger Les­art, ein­fach kei­ne Wah­len mehr abzu­hal­ten. Damit wür­de man dann die Macht­über­nah­me durch sol­che Par­tei­en unter­bin­den, ohne sich inhalt­lich mit ihnen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Das ist dann zwar nicht mehr demo­kra­tisch, aber wenn das doo­fe Volk es nicht anders will…! Die bes­te Lösung hier­zu ken­nen wir ja von Ber­told Brecht : „Das Volk hat das Ver­trau­en der Regie­rung ver­scherzt. Wäre es da nicht doch ein­fa­cher, die Regie­rung lös­te das Volk auf und wähl­te ein anderes?“

Text : Nor­bert Schellen

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