Der mächtige Sultan und die Pressefreiheit

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal :  Ein Mär­chen aus Tau­send und einer Nacht, oder doch aus „Ali Baba und die vier­zig Räu­ber“? In einem blü­hen­den Land in den Wei­ten des Ori­ents herrsch­te ein mäch­ti­ger Sul­tan. Sei­ne Vor­gän­ger waren eher sanft­mü­ti­ge Herr­scher, die ihren Unter­ta­nen viel Frei­heit gelas­sen hat­ten. Recep Tayyip I. war jedoch von ganz ande­rem Kali­ber. Er regier­te sein Volk mit har­ter Hand. Wer ihm nicht Gefolg­schaft schwor oder es gar wag­te sich gegen ihn zu stel­len, ver­schwand recht schnell in einem der zahl­rei­chen Ker­ker, die er im Land bau­en ließ. Die­se Ker­ker waren nicht gera­de kom­for­ta­bel, im Gegen­satz zu sei­nem Palast, der zu den präch­tigs­ten Bau­wer­ken zähl­te, die es im gan­zen Ori­ent gab.

Mit die­sem Palast ver­such­te er vor allen Din­gen die Herr­scher ande­rer Rei­che zu beein­dru­cken und ihnen zu zei­gen, was für ein tol­ler Kerl er sei. Zur glei­chen Zeit geschah es, dass in vie­len Län­dern der Welt Men­schen vor Krieg und Elend auf der Flucht waren. Die­se kamen zuerst in das Reich des Sul­tans, wo sie aber nicht blei­ben woll­ten, son­dern sie bega­ben sich von dort aus auf die wei­te­re Flucht in ein gro­ßes, bis dahin auch recht rei­ches Land im Nor­den. Zuerst wur­den die Fremd­lin­ge von den Bewoh­nern des nörd­li­chen Rei­ches freund­lich auf­ge­nom­men, als es jedoch immer mehr wur­den beschwer­ten sie sich bei ihrer mäch­ti­gen Kai­se­rin und for­der­ten sie auf doch etwas dage­gen zu unternehmen.

Die Kai­se­rin such­te dar­auf­hin den Sul­tan auf und bat ihn, ihr dabei zu hel­fen, dass nicht mehr so vie­le Fremd­lin­ge in ihr Land kämen. „Für ein ent­spre­chen­des Bak­schisch schi­cke ich sie alle zurück“, sag­te der Sul­tan und for­der­te vie­le blan­ke Duka­ten. In ihrer Not ver­sprach die Kai­se­rin ihm die­se, doch dar­auf for­der­te er, in guter Tra­di­ti­on sei­nes Vor­fah­rens Ali Baba, noch mehr Bak­schisch und noch mehr und noch mehr. Die Kai­se­rin zahl­te und zahl­te und wur­de ob die­ses Han­dels in ihrem Land viel kri­ti­siert und geschmäht, weil vie­le es auch nicht gut fan­den, dass ihr Land mit einem so grau­sa­men Herr­scher sol­che Geschäf­te machte.

So geschah es, dass die Hof­schrei­ber und zahl­rei­chen Hof­nar­ren der Kai­se­rin, neben ihrer Kri­tik an die­ser, auch Schmä­hun­gen auf den Sul­tan dich­te­ten. Vie­le die­ser Schmä­hun­gen waren bei­lei­be kei­ne hohe Kunst, aber sie ver­fehl­ten die Wir­kung beim Sul­tan nicht. Wut­ent­brannt bestell­te er den Gesand­ten der Kai­se­rin ein und for­der­te, dass die­se Hof­nar­ren mit har­ten Stra­fen zu bele­gen sei­en. Im Reich der Kai­se­rin war es jedoch üblich, dass Hof­nar­ren unge­straft die Wahr­heit sagen dürfen.

Ganz frü­her, bei sei­nen Vor­gän­gern, war das auch im Reich des Sul­tans noch so üblich. So erhob sich dann eine Revol­te gegen die, bis dahin eigent­lich noch recht belieb­te, Kai­se­rin. Die­se Tumul­te nutz­te Recep Tayyip I. und über­nahm, unter­stützt von eini­gen hier leben­den Unter­ta­nen, auch noch die Macht im nörd­li­chen Kai­ser­reich. Die Hof­schrei­ber und Hof­nar­ren wur­den ein­ge­ker­kert und kei­ner wag­te es mehr gegen ihn aufzumucken.

Seit­dem herrscht Ruhe.

Text : Nor­bert Schnellen

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