Winterberg : Von Kiepenkerlen, Landärzten und der Küstelberger Sülze

Winterberg-Totallokal : Hotelier sammelt „Schätzchen“ rund um Winterberg und aus aller Welt

win­ter­berg-total­lo­kal :  Win­ter­berg. Dass zur Aus­rüs­tung eines Land­arz­tes einst Rosen­kranz und Weih­was­ser­stab gehör­ten oder jeder Haus­halt die behörd­lich auf­er­leg­te Pflicht hat­te, stän­dig einen gefüll­ten Lösch­ei­mer bereit zu hal­ten, sind wun­der­ba­re Anek­do­ten aus dem Sau­er­län­der All­tags­le­ben von anno dazu­mal. Ed Lee­n­aert stellt die dazu­ge­hö­ri­gen Expo­na­te jetzt in sei­nem Land­ho­tel Grimm­eblick aus.

„Schma­le Gas­se“ nennt Ed Lee­n­aert augen­zwin­kernd sei­nen lang gestreck­ten Aus­stel­lungs­raum. Zahl­rei­che sehens­wer­te Stü­cke haben dort Platz in Glas- und Holz­vi­tri­nen gefun­den. Doch eigent­lich erstreckt sich die Schau fast übers gesam­te Hotel, denn auch in ande­ren Räu­men ent­de­cken Besu­cher nost­al­gi­sche „Schätz­chen“ aus der Ver­gan­gen­heit. „Zum Bei­spiel haben wir Uten­si­li­en aus der alten Dorf­bä­cke­rei, dar­un­ter Schwe­fel­höl­zer aus den Anfän­gen des 19. Jahr­hun­derts, aber auch Bau­ge­neh­mi­gun­gen und –zeich­nun­gen aus­ge­stellt. Den dazu­ge­hö­ri­gen Ofen aus der Back­stu­be kön­nen Gäs­te dann im Früh­stücks­raum bewundern.“

Schon oft staun­ten Gäs­te über die üppi­ge Deko­ra­ti­on im Land­ho­tel Grimm­eblick. „Jetzt habe ich Nägel mit Köp­fen gemacht und das Haus qua­si offi­zi­ell in eine Art Muse­um ver­wan­delt“, lacht Inha­ber Ed Lee­n­aert. Allein neun­zig Musik­in­stru­men­te aus aller Welt schmü­cken die Wän­de des Restau­rants – dar­un­ter wel­che, die schon gar nicht mehr gebaut wer­den. Die pas­sen­de Sto­ry hat der Hote­lier parat : „Von 1958 bis 1976 war in Elke­ring­hau­sen eine Musik­grup­pe aktiv, die zur Unter­hal­tung der Gäs­te aufspielte.“

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Lee­n­aert steckt vol­ler sol­cher Geschich­ten und gibt ger­ne den Gui­de. So weiß er zu berich­ten, dass es in Elke­ring­hau­sen einst eine Schu­le gab und dass die Men­schen in den lan­gen, dunk­len Win­ter­mo­na­ten Wäsche­klam­mern oder Schuh­nä­gel her­stell­ten, die sie dann im Som­mer als wan­dern­de Händ­ler – bekannt als „Kie­pen­kerle“ – ver­kauf­ten. In die­sen Zusam­men­hang passt sei­ne neu­es­te Errun­gen­schaft : zwei ori­gi­na­le Kie­pen, eine aus Wei­den­ge­flecht aus der Zeit um 1904, und eine Holz­kie­pe mit Schub­la­den aus 1892.

Sei­ne Sam­mel­lei­den­schaft hat der gebür­ti­ge Nie­der­län­der, der seit 27 Jah­ren in Win­ter­berg lebt, von sei­ner Mut­ter geerbt. „Sie hat zum Bei­spiel fana­tisch Bügel­eisen zusam­men­ge­tra­gen, und mehr als drei­ßig Exem­pla­re sind bei uns zu sehen – sie ver­kör­pern im Grun­de die kom­plet­te Geschich­te der Indus­tria­li­sie­rung.“ Sein Groß­va­ter war Arzt, und von ihm stammt ein alter Land­arzt­kof­fer. Dazu gesel­len sich unter ande­rem ein Büch­lein von 1804 über Hei­mat- und Sit­ten­leh­re, alte Rönt­gen­bil­der oder auch win­zi­ge Gläs­chen für Medizin.

Wer Urlaub in der Feri­en­welt Win­ter­berg macht und Lust auf einen nost­al­gi­schen Bum­mel hat, ist im „Grimm­eblick“ rich­tig. Fast aus­ge­stor­be­ne Beru­fe wie Schnit­zer, Korb­flech­ter, Schus­ter, Schmied und Drechs­ler erwa­chen zum Leben. Gäs­te erfah­ren Wis­sens­wer­tes über die Zeche Elend bei Elke­ring­hau­sen und bestau­nen Berg­manns­leuch­ten aus der Römer­zeit bis in die 1980-er Jah­re, teils als Repli­ken, teils als Originale.

Inter­es­sant sind auch die Ent­wick­lung der Elke­ring­hau­ser Feu­er­wehr, Aus­stel­lungs­stü­cke aus der ehe­ma­li­gen Post­stel­le wie Stem­pel und Post­kar­ten sowie ein Blick auf die für die aus tou­ris­ti­scher Sicht so wich­ti­ge Win­ter­sport­his­to­rie. Aus dem Schie­fer­feld rund um den Bor­berg, einer alten Ring­wall­an­la­ge, stam­men Tri­lo­bi­ten aus der Urzeit, Ver­stei­ne­run­gen und prä­his­to­ri­sche Werk­zeu­ge. Auf sei­nen Spa­zier­gän­gen hat Ed Lee­n­aert selbst vie­le sol­cher Fun­de gemacht.

Dass die Feri­en­welt Win­ter­berg schon immer bekannt für gutes Essen war, unter­mau­ert eine Samm­lung his­to­ri­scher Koch­bü­cher. Prunk­stück ist ein hand­schrift­li­ches Rezept für „Schweins­sül­ze à la Küs­tel­berg“ der legen­dä­ren Koch­buch­au­to­rin Hen­ri­et­te Davi­dis. Ver­öf­fent­lich hat sie es in ihrem „Prak­ti­schen Koch­buch für die Deut­schen in Ame­ri­ka“ aus dem 19. Jahrhundert.

Gäs­te der Feri­en­welt Win­ter­berg und Ein­hei­mi­sche kön­nen sich Ed Lee­n­aerts Samm­lung zu den Öff­nungs­zei­ten des Hau­ses anschau­en. Der Ein­tritt ist frei.

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