Lesen und Maul halten !

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche von Norbert Schnellen 

win­ter­berg-total­lo­kal :  Seit letz­ter Woche dür­fen sich unse­re Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten über ein Ver­trags­werk infor­mie­ren, wel­ches ver­mut­lich unser Leben zukünf­tig in allen wich­ti­gen Berei­chen beein­flus­sen wird. TTIP, das mons­trö­se Euro­pä­isch-Ame­ri­ka­ni­sche Han­dels­ab­kom­men, soll bekannt­lich noch in die­sem Jahr durch die natio­na­len Par­la­men­te, das EU-Par­la­ment und den US-Kon­gress gepeitscht wer­den. Das beson­de­re Kenn­zei­chen von TTIP ist, dass inzwi­schen zwar auch in den Medi­en dar­über berich­tet wird, aber kei­ner wirk­lich weiß was drin steht. Ande­rer­seits ist bekannt, wer die TTIP Ver­trags­tex­te über­wie­gend for­mu­liert und erar­bei­tet hat, näm­lich die inter­na­tio­na­len Groß­kon­zer­ne und deren Lob­by­is­ten auf bei­den Sei­ten des gro­ßen Teichs, sowie (nicht gewähl­te) EU-Büro­kra­ten. Wei­ter­hin ist inzwi­schen durch­ge­si­ckert, dass mit dem Zustan­de­kom­men des Frei­han­dels­ab­kom­men die ordent­li­chen Gerich­te und auch die Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten der Par­la­men­te de Fac­to außer Kraft gesetzt wer­den sol­len. Erst kürz­lich warn­te der deut­sche Rich­ter­bund ein­dring­lich vor der Ein­rich­tung von so genann­ten Schieds­stel­len oder Schieds­ge­rich­ten und spricht der EU-Kom­mis­si­on schlicht­weg die Kom­pe­tenz ab, ein sol­ches Son­der­ge­richt zu schaffen.

Jetzt sind unse­re gewähl­ten Par­la­men­ta­ri­er am Zuge.

Ursprüng­lich war geplant sie über einen Ver­trag abstim­men zu las­sen, des­sen Inhalt sie gar nicht ken­nen. Eine sol­che Form der Demo­kra­tie kann­te man bis­her nur aus der Volks­kam­mer der DDR. Nach eini­gen Pro­tes­ten wur­de jetzt im Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um ein Lese­raum ein­ge­rich­tet, in wel­chem sich die Par­la­men­ta­ri­er an acht Lese­plät­zen (für fast 700 Abge­ord­ne­te), zu sehr ein­ge­schränk­ten Öff­nungs­zei­ten, die in kom­ple­xem Wirt­schafts­eng­lisch gehal­te­nen Ver­trags­tex­te durch­le­sen dür­fen. Nur durch­le­sen, denn dar­über spre­chen dür­fen sie nicht, obwohl es ihre demo­kra­ti­sche Pflicht wäre. TTIP ist so geheim, dass den Abge­ord­ne­ten sogar Haft­stra­fen dro­hen, wenn sie etwas aus­plau­dern. Wir kön­nen also weder Herrn Sen­s­burg, noch Herrn Wie­se fra­gen, was sie gele­sen haben, wenn sie es denn gele­sen haben.

Wenn die­ses Abkom­men tat­säch­lich dem Woh­le der All­ge­mein­heit die­nen soll­te, für Arbeits­plät­ze, Wohl­stand und sozia­le Gerech­tig­keit sor­gen soll, war­um ist es dann so geheim??? Wür­den Sie dem Anla­ge­be­ra­ter Ihrer Bank Ihr gan­zes Ver­mö­gen anver­trau­en, ohne sich erklä­ren zu las­sen wie er es anlegt und ihn dar­über hin­aus noch über Ihre per­sön­li­che Frei­heit und kör­per­li­che Unver­sehrt­heit ent­schei­den las­sen ? Wohl kaum, aber bei TTIP ver­hal­ten wir uns genau­so ! Dabei ken­nen wir Frau Malm­ström, die sich nach eige­ner Aus­sa­ge nicht der euro­päi­schen Bevöl­ke­rung ver­pflich­tet sieht, und Herrn Jun­ker noch weni­ger als unse­ren Bank­be­ra­ter. Im Okto­ber letz­ten Jah­res demons­trier­ten über hun­dert­tau­send Men­schen gegen TTIP.

Waren das alles nur Spin­ner und Verschwörungstheoretiker ?

Wohl kaum und so lan­ge mir kei­ner sagt was drin steht bin ich auch dage­gen. Die glei­che Hal­tung erwar­te ich auch von unse­ren gewähl­ten Volks­ver­tre­tern. Hof­fent­lich täu­sche ich mich da nicht.

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