Ein Jahr Deutschlandticket: Gutes Angebot mit Luft nach oben

Ein Jahr Deutschlandticket: Gutes Angebot mit Luft nach oben

Die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr sagt „Hap­py Bir­th­day“ und hat Vor­schlä­ge für noch mehr Nutzerfreundlichkeit

  • Abwick­lung der monats­wei­sen Abo-Kün­di­gung und ver­se­hent­li­che Dop­pel­bu­chun­gen füh­ren nach wie vor zu Problemen.
  • Bei Kom­bi­na­tio­nen aus Nah- und Fern­ver­kehr blei­ben Fahr­gast­rech­te auf der Strecke.
  • Dis­kus­sio­nen über Preis und wei­te­re Finan­zie­rung sor­gen für Verunsicherung.

Aus­wahl des rich­ti­gen Tickets, Suche nach Stem­pel­au­to­ma­ten, Beach­tung von Tarif- und Ver­bund­gren­zen: Für mehr als elf Mil­lio­nen Abonnent:innen des Deutsch­land­ti­ckets gehö­ren die­se läs­ti­gen Begleit­erschei­nun­gen des Öffent­li­chen Nah­ver­kehrs der Ver­gan­gen­heit an. Seit gut einem Jahr heißt es für sie nur noch ein­stei­gen und fah­ren ­– die gül­ti­ge Fahr­kar­te ist immer dabei. „Die neu gewon­ne­ne Frei­heit und Ein­fach­heit der ÖPNV-Nut­zung begeis­tert die Kund:innen. Bus- und Bahn­fah­ren in Deutsch­land ist mit dem neu­en Ange­bot so ein­fach wie nie und für fast alle, die zuvor ein ande­res Abo hat­ten, seit dem 1. Mai 2023 auch güns­ti­ger“, sagt Mela­nie Schlie­be­ner, Lei­te­rin der Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr bei der Ver­brau­cher­zen­tra­le NRW. Der Jah­res­tag der Ein­füh­rung ist für Schlie­be­ner daher auf jeden Fall ein Anlass zu gra­tu­lie­ren. „Aber Gutes kann auch noch bes­ser wer­den.“ Gera­de bei Erst­bu­chun­gen und Kün­di­gun­gen sieht die Schlich­tungs­stel­le Optimierungsbedarf.

748 Fahr­gäs­te aus NRW haben im Jahr 2023 einen Schlich­tungs­an­trag zum Deutsch­land­ti­cket bei der Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr ein­ge­reicht – das waren 28 Pro­zent aller ein­ge­reich­ten Anträ­ge. Pro­ble­me berei­te­ten dem­nach viel­fach die digi­ta­len Buchungs­sys­te­me, es kam oft­mals zu Mehr­fach­bu­chun­gen, Kün­di­gun­gen wur­den nicht immer zeit­nah bear­bei­tet und die Tickets nicht immer bereit­ge­stellt oder in den Apps auf dem Smart­phone ange­zeigt, was schlimms­ten­falls zu einer Ein­stu­fung als Schwarz­fah­rer und 60 Euro Straf­zah­lung in der Kon­trol­le füh­ren kann. „Immer noch ver­zeich­nen wir zu die­sen The­men vie­le Anfra­gen“, so die Lei­te­rin der Schlichtungsstelle.

Unnö­ti­ger Ärger im Buchungsprozess

Denn wäh­rend mit dem 1. Mai 2023 der Groß­teil bestehen­der Nah­ver­kehrs-Abon­ne­ments zumeist rei­bungs­los in das neue Deutsch­land­ti­cket-Ange­bot über­führt wur­de, war und ist der digi­ta­le Ein­stieg für Neukund:innen kom­pli­zier­ter. „Über die Buchungs­por­ta­le kann es pas­sie­ren, dass ver­se­hent­lich meh­re­re Deutsch­land­ti­ckets abon­niert wer­den. Die­se kön­nen aber nicht genutzt wer­den, weil das Ticket per­sön­lich und nicht über­trag­bar ist“, so Mela­nie Schlie­be­ner. Die Stor­nie­rung der über­zäh­li­gen Tickets erwies sich in der Ver­gan­gen­heit oft als schwie­rig, wur­de teil­wei­se sei­tens der Ver­kehrs­un­ter­neh­men auch abge­lehnt. Hier sieht die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr wei­ter­hin Hand­lungs­be­darf: „Eine Dublet­ten­prü­fung im Buchungs­pro­zess und eine sofor­ti­ge Buchungs­be­stä­ti­gung wür­den für mehr Klar­heit und weni­ger Ärger sor­gen“, erläu­tert die Expertin.

Auch bei der Abwick­lung der monats­wei­sen Kün­di­gun­gen zei­gen sich nach wie vor Pro­ble­me, bei­spiels­wei­se weil zwar die Kün­di­gung bestä­tigt wird, jedoch wei­ter­hin 49 Euro vom Kon­to abge­bucht wer­den. Kund:innen soll­ten ihr Kon­to dar­auf­hin im Blick haben und gege­be­nen­falls das zustän­di­ge Ver­kehrs­un­ter­neh­men kontaktieren.

Mit dem ÖPNV-Zubrin­ger zum Fern­zug? Rei­sen­de tra­gen Risiko

„Nicht allen Inhaber:innen des Deutsch­land­ti­ckets ist außer­dem klar, dass sie sich bei einer Rei­se mit Nah- und Fern­ver­kehrs­an­tei­len, bei der sie nur den Fern­ver­kehr buchen, um ihre Fahr­gast­rech­te brin­gen“, erklärt Mela­nie Schlie­be­ner. Denn hat bei­spiels­wei­se der über das Deutsch­land­ti­cket abge­deck­te Nah­ver­kehrs-Zubrin­ger Ver­spä­tung und klappt der Anschluss nicht, ver­fällt das gekauf­te Spar­preis­ti­cket im Fern­ver­kehr und es muss für die nächs­te Ver­bin­dung eine neue Fahr­kar­te gekauft wer­den. „Ein But­ton ‚Deutsch­land­ti­cket berück­sich­ti­gen‘ im Buchungs­pro­zess könn­te hier Abhil­fe schaf­fen. Auf der Fahr­kar­te wäre dann die gesam­te Rei­se­ket­te abge­bil­det und könn­te für eine Bewer­tung in der spä­te­ren Bear­bei­tung einer Beschwer­de her­an­ge­zo­gen wer­den“, so die Lei­te­rin der Schlichtungsstelle.

Preis ist für die Attrak­ti­vi­tät des Deutsch­land­ti­ckets wichtig

Um das Erfolgs­mo­dell Deutsch­land­tick­tet nicht zu gefähr­den, soll­te aus Sicht der Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr zudem Klar­heit über die künf­ti­ge Finan­zie­rung geschaf­fen wer­den. „Die andau­ern­den Dis­kus­sio­nen über den Preis ver­un­si­chern Verbraucher:innen“, sagt Mela­nie Schlie­be­ner. Neben der Ver­läss­lich­keit öffent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel und guten Ver­bin­dun­gen sei auch der Preis ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um für den Umstieg.

 

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Quel­le: Ver­brau­cher­zen­tra­le NRW

Foto­credits: © VZ NRW