Spannungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern vergrößern sich – Caritas kritisiert unrealistische Vorstellungen der Politik
Brilon / Paderborn. Der Caritasverband Brilon ist Teil eines Netzwerks von 155 Einrichtungen und Diensten der Behindertenhilfe und Psychiatrie im Erzbistum Paderborn, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen. In der Mitgliederversammlung der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe und Psychiatrie der Caritas im Erzbistum Paderborn (kurz DIAG) äußerte sich Heinz-Georg Eirund, Vorsitzender der DiAG, zum Bundesteilhabegesetz. Er kritisierte, dass die politischen Verantwortungsträger oft nicht die zusätzlichen Kosten berücksichtigen, die für eine verbesserte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft erforderlich sind. Eirund betonte, dass die Finanzierung der Behindertenhilfe und Psychiatrie nicht auskömmlich sei und die wirtschaftlichen Risiken vor allem von den Trägern der Freien Wohlfahrt getragen würden.
Gesetzliches Ziel: Mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung
Menschen mit Behinderung mehr Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen – das ist das Ziel des Bundesteilhabegesetzes, dessen vierte Stufe im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist. Problematisch bei der Umsetzung sei jedoch die Vorstellung bei politischen Verantwortungsträgern, dass dies ohne zusätzliche Kosten möglich sei, kritisiert die DiAG. „Wir begrüßen den gesetzlichen Willen, Menschen mit Behinderung noch mehr Teilhabe zu ermöglichen. Aber das bedarf einer weitaus verbesserten finanziellen Ausstattung. Budgetneutral, wie es aus Sicht der Kostenträger und der Politik gefordert wird, ist es nicht machbar“, sagt Heinz-Georg Eirund, Vorsitzender der DiAG.
Teilhabe für über 9.000 Menschen mit Behinderung
Die DiAG vertritt 155 Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie im Gebiet zwischen Minden und Siegen sowie zwischen Höxter und Castrop-Rauxel. Rund 9.000 Menschen mit Behinderungen werden von diesen begleitet und betreut. Allein der Caritasverband Brilon hält aktuell Teilhabe‑, Betreuungs- und Förderangebote für 180 Kinder in der Frühförderung, 16 heilpädagogische Plätze in den beiden Kindergärten, 176 Wohnplätze für Menschen mit Behinderungen und für 180 Klienten im Ambulant Betreuten Wohnen vor. 630 Werkstattbeschäftigte arbeiten an den fünf Standorten der Caritas-Werkstätten St. Martin.
Menschen mit Behinderungen keine Bittsteller, sondern berechtigte Leistungsempfänger
Obwohl die Caritas und andere Träger der Freien Wohlfahrt damit wichtige Aufgaben für den Staat übernehmen und erfüllen, würden die wirtschaftlichen Risiken allein ihnen aufgebürdet, kritisiert Eirund und sagt deutlich: „Die Finanzierung ist nicht auskömmlich.“ Für die Finanzierung der Behindertenhilfe und Psychiatrie sind die Kommunen verantwortlich, die dies in Westfalen an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) delegiert haben. „Es ist sehr ärgerlich, wenn der LWL in Pressemitteilungen die hohen Kosten der Behindertenhilfe anprangert. Es handelt sich dabei schließlich um gesetzlich abgesicherte Leistungen für Menschen mit Behinderung. Diese sind keine Bittsteller, sondern gesetzlich berechtigte Leistungsempfänger.“
Spannungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern
Während sich die Spannungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern vergrößern, seien die Dienste und Einrichtungen in der Behindertenhilfe der Caritas gut aufgestellt, um das Bundesteilhabegesetz im Sinne der Menschen mit Behinderungen umsetzen zu können, betont die DiAG. Keinesfalls könnten aber die höheren gesetzlichen Leistungsanforderungen durch eine noch höhere Leistungsanforderung an die Mitarbeitenden kompensiert werden, sagt Eirund. „Die Mitarbeitenden in der Eingliederungshilfe sind absolut am Limit. Da geht nichts mit noch höherem Tempo. Im Gegenteil: Die Arbeit muss so abgesichert sein, dass die Arbeit in der Eingliederungshilfe ein attraktiver Arbeitsplatz ist, um angesichts des Fachkräftemangels langfristig die Arbeit mit guten Mitarbeitenden abzusichern.“
Belastet werde die tägliche Arbeit zudem „mit einer Vielzahl von unnötigen und belastenden bürokratischen Anforderungen“. Zudem würden Vergütungsgrundlagen für die geleistete Arbeit der Wohlfahrtsverbände in der Behindertenhilfe mit großer Verspätung festgelegt. So liegen diese weder für 2023 noch für 2024 bisher vor. „Das Risiko wird auch hier allein von den Trägern getragen“, kritisiert Eirund.
Werkstätten als gesicherte Arbeitsstätten erhalten
In Bezug auf die „Werkstätten für behinderte Menschen“ (WfbM) entstehe seitens der Politik zudem der Eindruck, dass diese in naher Zukunft abkömmlich seien, erklärt Heinz-Georg Eirund. „In aller Deutlichkeit: Bei allem berechtigten Bestreben der Integration auf dem Ersten Arbeitsmarkt muss die WfbM eine unbedingt gesicherte Arbeitsstätte bleiben.“ Die Werkstatt-Träger investierten viel, um Menschen mit Behinderung zu einem Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft zu verhelfen. Aber: „Es gibt Grenzen. Man darf nicht so tun, als ob alle Arbeitgeber der Wirtschaft und des Handwerks so aufgestellt wären, dass sie Menschen mit Behinderung beschäftigten könnten.“ Die Integration in der freien Wirtschaft bedeute eine entsprechende personelle Ausstattung mit Fachleuten, die eine solche Begleitung leisten können. „Wenn das nicht abgesichert ist, scheitert ein solches Vorhaben und Ziel auf Kosten der Betroffenen.“
Vorstandswahlen
Bei der Mitgliederversammlung der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe und Psychiatrie der Caritas im Erzbistum Paderborn wurde der Vorstand neu gewählt. Neben Heinz-Georg Eirund, Vorstand des Caritasverbandes Brilon, wurden Silke Sievert, Leiterin der Wohnstätte NOAH des SKM Lippstadt, und Matthias Schmidt, Vorstand der Caritas Wohn- und Werkstätten (CWW) Paderborn, gewählt. Als Vorstand wolle man die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes bestmöglich realisieren, hieß es.
Info: Diözesan-Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe und Psychiatrie
Die Diözesan-Arbeitsgemeinschaft der Behindertenhilfe und Psychiatrie (DiAG Behindertenhilfe) im Erzbistum Paderborn ist ein Fach- und Beratungsgremium für die katholischen Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe im Erzbistum Paderborn. Sie bündelt die Interessen der 23 Orts- und Kreis-Caritasverbände im Erzbistum Paderborn sowie von gemeinnützigen Anbietern sozialer Dienstleistungen und vertritt die Interessen von 155 Diensten, Einrichtungen und Trägern, die mehr als 9.000 Menschen mit Behinderung beraten, betreuen, bilden und fördern. Die Treffen dienen dem Informations- und Erfahrungsaustausch. Ziel ist es, die Angebote und Hilfen für Menschen mit Behinderung weiterzuentwickeln. Dazu gehören etwa die Themenkreise Inklusion, Selbstbestimmung, Teilhabe am Leben und Arbeiten.
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Quelle: Sandra Wamers, Interne | Externe Kommunikation, Marketing, Caritasverband Brilon e.V.
Bild: Die Diözesane Arbeitsgemeinschaft (DiAG) Behindertenhilfe und Psychiatrie setzt sich für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ein. (von links) Ines Lammert (Abteilungsleiterin Caritasverband für das Erzbistum Paderborn), Diözesan-Caritasdirektor Ralf Nolte, Christina Habig (Geschäftsführerin DiAG), die DiAG-Vorstandsmitglieder Silke Sievert (Wohnstätte NOAH Lippstadt), Matthias Schmidt (Vorstand CWW Paderborn) und Heinz-Georg Eirund (Vorstand Caritas Brilon).
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