Eltern am Anschlag … Kommentar über die Belastung von berufstätigen Eltern – Fast 70 Prozent aller Väter und Mütter bezeichnen sich als ausgebrannt

Berliner Morgenpost : Eltern am Anschlag … ein Kommentar von Laura Himmelreich über die Belastung von berufstätigen Eltern

Die­se Woche sag­te Wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck, es wer­de „zu viel für immer weni­ger Arbeit gestreikt“. Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lind­ner for­der­te schon vor eini­ger Zeit, die Deut­schen soll­ten wie­der „mehr Über­stun­den“ machen, „um unse­ren Wohl­stand zu sichern“. Und gleich­zei­tig sehen wir bereits heu­te : 62 Pro­zent aller Eltern mit min­der­jäh­ri­gen Kin­dern füh­len sich gestresst. Fast 70 Pro­zent aller Väter und Müt­ter bezeich­nen sich als teils ausgebrannt.

Sol­len auch sie mehr Über­stun­den machen oder jeweils 40 Stun­den arbei­ten, zum Woh­le der Volks­wirt­schaft ? Die Fra­ge ist etwas pole­misch. Aber Aus­sa­gen wie jene der bei­den Minis­ter klin­gen wie Hohn für jene, die schon jetzt aus­bren­nen beim Jon­glie­ren von Kita-Schließ­zei­ten, Schul­fe­ri­en und Job-Dead­lines. Zwei Eltern, die 40 Stun­den arbei­ten, ist schlicht lebens­fern (zumin­dest ohne dass Au-pair, Groß­el­tern und Putz­hil­fen ihren Ter­min­ka­len­dern hinterherräumen).

Wir müs­sen neu über die „idea­le Arbeits­zeit“ spre­chen. Die­se soll­te so sein, dass Zeit für Beruf, Fami­lie und Ruhe­pau­sen allen zusteht – ins­be­son­de­re Eltern.Vie­le Frau­en in Mini­jobs und pre­kä­rer Teil­zeit wol­len sogar mehr arbei­ten, vie­le Väter dage­gen ger­ne Arbeits­stun­den redu­zie­ren. Gleich­be­rech­tig­te­re Arbeit, ein Aus­weg der Frau­en aus der Teil­zeit­fal­le, hilft dann wie­der­um gegen Fach­kräf­te­man­gel und damit der Volkswirtschaft.

Jede Che­fin und jeder Chef eines grö­ße­ren Teams in Deutsch­land ver­han­delt heu­te mit 25-Jäh­ri­gen, die selbst ohne Kin­der lie­ber Teil­zeit arbei­ten oder alle paar Jah­re ein Sab­ba­ti­cal ver­lan­gen – sonst sind sie eben weg. Die­se Gene­ra­ti­on hat ihre Eltern beob­ach­tet und will heu­te anders leben. Das mag einem Chris­ti­an Lind­ner nicht gefal­len und ist für jede Füh­rungs­kraft eine Herausforderung.

Doch macht man sich ehr­lich, muss man die­sen jun­gen Men­schen zuge­ste­hen : Für ihr Lebens­glück, für ihre Gesund­heit machen sie alles rich­tig. Und so weit sind Gene­ra­tio­nen in dem Wunsch nach weni­ger Arbeit auch gar nicht von­ein­an­der ent­fernt. Laut Umfra­gen wol­len eben­so sehr vie­le, die heu­te 50 oder 60 Jah­re alt sind, frü­her als mit 67 in Ren­te gehen. Wenn sich mehr als jeder zwei­te Vater, jede zwei­te Mut­ter dau­er­haft gestresst fühlt, ist etwas in Schief­la­ge in der Gesell­schaft gera­ten. Über ande­re Arbeits­mo­del­le zu reden, ist kei­ne Luxus­de­bat­te. Dass die soge­nann­te „Nor­mal­ar­beits­zeit“ nicht mehr für alle zeit­ge­mäß ist, haben ande­re Län­der dabei längst erkannt. Groß­bri­tan­ni­en expe­ri­men­tiert mit der kur­zen Arbeits­wo­che. In Skan­di­na­vi­en ist es selbst­ver­ständ­lich, dass Eltern um 16 Uhr mit der Arbeit auf­hö­ren, um für ihre Fami­lie da zu sein.

Die Poli­tik hat genug Haus­auf­ga­ben im Arbeits­recht, beim Aus­bau der Kin­der­be­treu­ung, der Zuwan­de­rung von Fach­kräf­ten und im Steu­er­sys­tem, um Arbeit in Deutsch­land loh­nend und attrak­tiv zu machen. Die Hans-Böck­ler-Stif­tung schrieb in einer Stu­die im ver­gan­ge­nen Jahr zur Vier-Tage-Woche, dass es sich bei den Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mern, die sich das wün­schen, „kei­nes­wegs um eine klei­ne Grup­pe mit avant­gar­dis­ti­schen Zeit­wün­schen“ handelt.

80 Pro­zent der befrag­ten Beschäf­tig­ten wür­den gern ihre Arbeits­zeit von fünf auf vier Tage redu­zie­ren. Als Haupt­grund nen­nen die Men­schen : mehr Zeit für sich. Die Debat­te um die Vier-Tage-Woche wird nicht auf­hö­ren, auch wenn sie man­chen Bun­des­mi­nis­ter stört. Denn zu vie­le Men­schen spü­ren im All­tag, dass Voll­zeit für ihre Fami­lie und ihre Gesund­heit schlicht zu viel Scha­den anrichtet.

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Quel­le : BER­LI­NER MOR­GEN­POST, Redaktion
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Foto­credit : Ado­be­Stock 742389790 / Brisystem

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