Albtraum aller Eltern: Am anderen Ende der Leitung ist das eigene Kind zu hören, wie es um Hilfe schreit- Cyber-Kidnapping – Neue Betrugsmasche auf dem Vormarsch

Cyber-Kidnapping: Neue Betrugsmasche auf dem Vormarsch

Es ist der schlimms­te Alb­traum aller Eltern: Das Tele­fon klin­gelt und auf dem Dis­play erscheint eine unbe­kann­te Num­mer. Am ande­ren Ende der Lei­tung ist das eige­ne Kind zu hören, wie es um Hil­fe schreit. Dann mel­det sich der „Ent­füh­rer“ und for­dert ein Löse­geld, ansons­ten pas­siert etwas Schlim­mes. Was die Betrof­fe­nen nicht wis­sen: Es han­delt sich um einen Fake-Anruf, ihrem Kind droht kei­ne Gefahr und der ver­meint­li­che Hil­fe­ruf kam nicht vom ent­führ­ten Nach­wuchs, son­dern einer KI-Stim­me. Das klingt auf den ers­ten Blick erst ein­mal wie der Beginn eines Action-Films, aller­dings haben sich sol­che Fäl­le bereits in den USA zuge­tra­gen und es ist davon aus­zu­ge­hen, dass sie auch in Deutsch­land auf­tre­ten werden.

„Tech­no­lo­gien sind inzwi­schen so weit, dass man Bil­der und Vide­os täu­schend echt nach­ma­chen kann. Um Künst­li­che Intel­li­genz zu nut­zen, braucht man nicht mal mehr fun­dier­tes Wis­sen“, erklärt Ildi­kó Bruhns, Pro­jekt­lei­te­rin der ESET Initia­ti­ve Safer Kids Online. „Mit ein biss­chen Übung las­sen sich gefälsch­te Sprach­nach­rich­ten oder Bil­der, in denen sich bei­spiels­wei­se Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge angeb­lich in Not­si­tua­tio­nen befin­den, in über­zeu­gen­der Qua­li­tät erstel­len. Und die Vor­la­gen dazu lie­fern vie­le Men­schen den Kri­mi­nel­len frei Haus, denn Sozia­le Netz­wer­ke sind eine wah­re Fund­gru­be an Mate­ri­al, nicht nur für die­se Art von Betrug.“

So gehen vir­tu­el­le Kid­nap­per vor

Ein typi­scher vir­tu­el­ler Kid­nap­ping-Betrug besteht aus fol­gen­den Schritten:

  1. Die Betrü­ger recher­chie­ren poten­zi­el­le Opfer, die sie anru­fen und von denen sie Geld erpres­sen kön­nen. Hier­bei kom­men bereits KI-Tools zum Ein­satz, die ihnen bei der Suche helfen.
  2. Die Kid­nap­per iden­ti­fi­zie­ren ein „Ent­füh­rungs­op­fer“. Die Wahl fällt häu­fig auf ein Kind der Per­son, die sie im ers­ten Schritt ermit­telt haben. Hier­bei grei­fen sie vor allem auf Infor­ma­tio­nen zurück, die Eltern öffent­lich preis­ge­ben, etwa in sozia­len Netzwerken.
  3. Dann ent­wer­fen die Cyber­kri­mi­nel­len ein ima­gi­nä­res Sze­na­rio, mit dem sie Eltern ein­schüch­tern. Je mehr Angst Eltern um ihre Kin­der haben, des­to eher tref­fen sie unbe­dach­te Ent­schei­dun­gen. Wie bei jedem guten Social Engi­nee­ring-Ver­such bau­en die Betrü­ger Druck auf, um Eltern zu einer Kurz­schluss­re­ak­ti­on zu drängen.
  4. Die Betrü­ger fin­den den idea­len Zeit­punkt für ihren Erpres­ser­an­ruf her­aus. Hier­bei grei­fen sie wie­der­um auf Infor­ma­tio­nen zurück, die in sozia­len Medi­en ver­füg­bar sein kön­nen: Wann ist das Kind in der Schu­le? Ist der Sohn oder die Toch­ter gera­de im Urlaub bei Ver­wand­ten oder in einer Feri­en­frei­zeit? Der Gedan­ke dahin­ter: Die Kid­nap­per kon­tak­tie­ren Eltern zu einem Zeit­punkt, zu dem ihr Kind nicht anwe­send ist und sie kei­ne Mög­lich­keit haben, mit ihm zu sprechen.
  5. Jetzt kommt ein wei­te­res KI-Werk­zeug zum Ein­satz: Mit­hil­fe einer leicht erhält­li­chen Soft­ware erstel­len die Betrü­ger Audio­auf­nah­men mit der Stim­me des Opfers und ver­su­chen damit, des­sen Fami­lie davon zu über­zeu­gen, dass sie den Nach­wuchs ent­führt haben. Auch ande­re Infor­ma­tio­nen aus den sozia­len Medi­en kön­nen zum Ein­satz kom­men, um den Betrug über­zeu­gen­der klin­gen zu las­sen, z. B. indem sie Details über den das „ent­führ­te“ Kind ein­streu­en, die ein Frem­der schein­bar nicht kennt.
  6. Soll­ten Eltern auf den Betrug her­ein­fal­len, for­dern die Kid­nap­per sie auf, Geld zu über­wei­sen, bei­spiels­wei­se in Form einer Kryptowährung.

Künst­li­che Intel­li­genz – Erfül­lungs­ge­hil­fe von Cyber-Kidnappern?

Das Poten­zi­al von ChatGPT und ande­ren KI-Tools für vir­tu­el­le Ent­füh­rer ist besorg­nis­er­re­gend. Die tech­ni­schen Grund­la­gen, die hier zum Tra­gen kom­men, exis­tie­ren schon län­ger. Vor allem Wer­be­trei­ben­de und Ver­mark­ter nut­zen ähn­li­che Tech­ni­ken zur Ziel­grup­pen­ana­ly­se. Fach­leu­te spre­chen hier von „Pro­pen­si­ty Model­ling“: Unter Ver­wen­dung sta­tis­ti­scher Model­le wird errech­net, wann ein bestimm­tes Ereig­nis wahr­schein­lich ein­tre­ten wird, um gezielt die rich­ti­ge Bot­schaft an den rich­ti­gen Per­so­nen­kreis auszuspielen.

Cyber­kri­mi­nel­le set­zen die­se Tech­nik ein, um den idea­len Zeit­punkt für ihre schein­ba­re Ent­füh­rung zu fin­den. Es reicht schon aus, eine gene­ra­ti­ve KI mit den rich­ti­gen Fra­gen zu „füt­tern“ und schon prä­sen­tiert sie poten­zi­el­le Opfer, die:

  • über das nöti­ge Ein­kom­men ver­fü­gen und bereit sind, Löse­geld bei einer Ent­füh­rung zu zahlen,
  • vie­le Infor­ma­tio­nen über sich und ihre Fami­lie in sozia­len Netz­wer­ken preis­ge­ben oder
  • in einer bestimm­ten Regi­on leben.

„Lei­der klin­gen geklon­te Stim­men schon heu­te beun­ru­hi­gend über­zeu­gend. Und die dahin­ter ste­hen­de Tech­no­lo­gie ist für Betrü­ger ein­fach zugäng­lich: Voice-Clo­ning-as-a-Ser­vice-Anbie­ter haben sich bereits auf die Nach­fra­ge ein­ge­rich­tet und stel­len ein­fach zu bedie­nen­de Diens­te für klei­nes Geld zur Ver­fü­gung. Setzt sich die­ser Trend fort, wer­den Cyber-Kid­nap­ping und ähn­li­che Angrif­fe kei­ne Ein­zel­fäl­le mehr sein“, so Bruhns weiter.

Tipps für Eltern

Dies alles klingt erst ein­mal besorg­nis­er­re­gend. Aller­dings hel­fen Eltern schon ein paar Tipps, um gegen sol­che Betrü­ge­rei­en bes­ser gewapp­net zu sein:

  • Geben Sie nicht zu vie­le per­sön­li­che Infor­ma­tio­nen in sozia­len Medi­en preis. Ver­mei­den Sie es, Details wie Adres­sen und Tele­fon­num­mern zu ver­öf­fent­li­chen. Wenn mög­lich, soll­ten Sie nicht ein­mal Fotos oder Video-/Au­dio­auf­nah­men Ihrer Fami­lie pos­ten, und schon gar nicht Details über die Urlaubs­plä­ne Ihrer Lieben.
  • Hal­ten Sie Ihre Social Media-Pro­fi­le pri­vat. Somit machen Sie es Kri­mi­nel­len schwe­rer, Sie online zu finden.
  • Ach­ten Sie auf Phis­hing-Nach­rich­ten, die Sie dazu ver­lei­ten sol­len, ver­trau­li­che per­sön­li­che Daten oder Log­ins für Social Media-Kon­ten preiszugeben.
  • Instal­lie­ren Sie Jugend­schutz-Apps wie ESET Paren­tal Con­trol auf den Smart­phones Ihrer Kin­der. Die­se ent­hal­ten eine Track­ing-Funk­ti­on, mit der Sie schnell die Posi­ti­on Ihres Kin­des nach­ver­fol­gen kön­nen. Behaup­tet ein frem­der Anru­fer, er hät­te Ihren Sohn oder Ihre Toch­ter ent­führt, reicht ein Blick in die App und schon sehen Sie, ob sich Ihr Kind wirk­lich an einem unge­wöhn­li­chen Ort aufhält.
  • Wenn Sie einen Erpres­ser­an­ruf erhal­ten, ver­su­chen Sie das Gespräch mit den „Ent­füh­rern“ so lang wie mög­lich hin­aus­zu­zie­hen. Pro­bie­ren Sie gleich­zei­tig, den ver­meint­lich Gekid­napp­ten anzu­ru­fen oder von jemand ande­rem anru­fen zu lassen.
  • Blei­ben Sie ruhig, geben Sie kei­ne per­sön­li­chen Daten preis und brin­gen Sie den Anru­fer nach Mög­lich­keit dazu, eine Fra­ge zu beant­wor­ten, deren Ant­wort nur der Ent­führ­te kennt.
  • Benach­rich­ti­gen Sie so schnell wie mög­lich die Poli­zei – auch wenn sich die Ent­füh­rung als Fake herausstellt.

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Quel­le: ESET Deutsch­land GmbH, Chris­ti­an Lueg, Head of Com­mu­ni­ca­ti­on & PR DACH
Ori­gi­nal-Con­tent von: ESET Deutsch­land GmbH, über­mit­telt durch news aktuell

Foto­credit: Ado­be­Stock 606879786 / Brisystem