Es war ein Rekordeinsatz, der Wirkung gezeigt hat: Silvesterkrawalle haben sich nicht wiederholt. Die Probleme aber bleiben …

Berliner Morgenpost/​Enormer Aufwand/​Leitartikel von Jessica Hanack – Silvesterkrawalle haben sich nicht wiederholt. Die Probleme aber bleiben

Es war ein Rekord­ein­satz, der Wir­kung gezeigt hat: Kra­wal­le, wie sie Ber­lin in der Sil­ves­ter­nacht 2022/2023 erle­ben muss­te, haben sich in die­sem Aus­maß nicht wie­der­holt. Der Auf­wand, der dafür betrie­ben wur­de, war jedoch enorm. Poli­zei­prä­si­den­tin Bar­ba­ra Slo­wik hat­te vor­ab „den größ­ten Poli­zei­ein­satz an Sil­ves­ter der letz­ten Jahr­zehn­te“ ange­kün­digt. 3200 zusätz­li­che Ein­satz­kräf­te waren bei der Poli­zei im Dienst. Neben den rund 1000 Poli­zis­tin­nen und Poli­zis­ten in Strei­fen­wa­gen sowie Wachen. Zum Ver­gleich: Im ver­gan­ge­nen Jahr waren rund 1300 zusätz­li­che Kräf­te im Einsatz.

Die­ses Mehr an Beam­tin­nen und Beam­ten hat bewirkt, dass die Poli­zei agie­ren konn­te, statt nur zu reagie­ren. Ein­satz­kräf­te der Feu­er­wehr konn­ten geschützt wer­den. Zwar wur­den erneut Angrif­fe auf Feu­er­wehr­leu­te ver­zeich­net, aber kei­ne Ver­letz­ten. Die Zahl der fest­ge­nom­me­nen Per­so­nen lag mit 390 eben­falls deut­lich über dem Vor­jah­res­wert von 103. Das mag zunächst wie eine Ver­schlech­te­rung wir­ken, doch die Zahl zeigt vor allem, dass die Poli­zei in brenz­li­gen Situa­tio­nen han­deln und eine Eska­la­ti­on ver­hin­dern konn­te. Die Vor­be­rei­tung war eine ande­re als im ver­gan­ge­nen Jahr, als die Bru­ta­li­tät und Aggres­si­vi­tät ins­be­son­de­re gegen­über Feu­er­wehr­leu­ten überraschte.

Den­noch wäre es falsch, die Sil­ves­ter­nacht als fried­lich abzu­tun. Nach Zah­len der Poli­zei wur­den 54 Ein­satz­kräf­te ver­letzt, 30 davon durch Pyro­tech­nik. Das waren ins­ge­samt noch ein­mal sie­ben ver­letz­te Beam­te mehr als im Vor­jahr, wobei damals eben nur knapp halb so vie­le Poli­zis­ten im Dienst waren. Die Feu­er­wehr regis­trier­te 30 Über­grif­fe, davon 18 an der Ein­satz­stel­le und zwölf wäh­rend Fahr­ten. Beim Jah­res­wech­sel 2022/2023 hat­te es laut Feu­er­wehr 69 Über­grif­fe gegeben.

Nun sind Ran­da­le und Über­grif­fe gegen­über Ret­tungs­kräf­ten oder der Poli­zei an Sil­ves­ter kein völ­lig neu­es Phä­no­men. Schon vor der Coro­na-Pan­de­mie, etwa zu den Jah­res­wech­seln 201819 und 201920, wur­den Ein­satz­kräf­te in Ber­lin ver­letzt und mit Pyro­tech­nik ange­grif­fen. Was die Sil­ves­ter­nacht 2022 aber von den Vor­jah­ren unter­schied, war die Qua­li­tät der Angrif­fe, bei denen Ret­tungs­kräf­te in mut­maß­li­che Hin­ter­hal­te gelockt und atta­ckiert wur­den. Auf die­se Angrif­fe scheint eine Ant­wort gefun­den wor­den zu sein. Mit dem Bereich um die Son­nen­al­lee kam eine neue Böl­ler­ver­bots­zo­ne hin­zu, was die Situa­ti­on dort beru­higt hat – wenn­gleich eine hohe Poli­zei­prä­senz nötig ist, um das Ver­bot auch durch­zu­set­zen. Dazu kamen vor­ab defi­nier­te Brenn­punkt­be­rei­che, Gefähr­der­an­spra­chen und „Kreuz­tref­fer­ana­ly­sen“, um nach Über­schnei­dun­gen bei Tat­ver­däch­ti­gen der ver­gan­ge­nen Sil­ves­t­er­kra­wal­le, der 1.-Mai-Demonstrationen, der pro­pa­läs­ti­nen­si­schen Aus­schrei­tun­gen oder der Ran­da­le in Ber­li­ner Frei­bä­dern zu suchen. Ins­ge­samt sprach Innen­se­na­to­rin Iris Spran­ger von einer mona­te­lan­gen Vor­be­rei­tung der Silvesternacht.

Ja, die Ber­li­ner Poli­zei schafft es – mit Unter­stüt­zung aus ande­ren Bun­des­län­dern -, Sil­ves­t­er­kra­wal­le zu unter­bin­den. Aber das bei ohne­hin hoher Arbeits­be­las­tung und feh­len­dem Per­so­nal eben nur unter enor­mer Kraft­an­stren­gung. Der Ziel­zu­stand kann damit nicht erreicht sein. Pyro­an­grif­fe auf Poli­zis­ten oder Feu­er­wehr­au­tos sind kein Ritu­al, um ein neu­es Jahr zu begrü­ßen. Auch wenn sich Über­grif­fe in einer Mil­lio­nen­stadt wie Ber­lin, zumin­dest bei den aktu­el­len Rege­lun­gen im Spreng­stoff­ge­setz, kaum in Gän­ze ver­hin­dern las­sen, muss noch mehr getan wer­den, um auf­zu­klä­ren und vor allem: um Ein­satz­kräf­te zu schützen.

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Quel­le: BER­LI­NER MORGENPOST
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