2023 war das wärmste Jahr in Deutschland seit Beginn der Aufzeichnungen 1881. Die aktuellen Extreme sind beängstigend, der Ausblick ist düster.

Berliner Morgenpost: Aufhören ist keine Option, ein Kommentar von Kai Wiedermann zum Klimaschutz

2023 war das wärms­te Jahr in Deutsch­land seit Beginn der Auf­zeich­nun­gen 1881. Auch glo­bal gese­hen wird 2023 dem EU-Kli­ma­wan­del­dienst Coper­ni­cus zufol­ge das mit den höchs­ten Tem­pe­ra­tu­ren seit Mit­te des 19. Jahr­hun­derts. Die Fol­gen dürf­ten bekannt sein: Wet­ter ist ein Resul­tat von Kli­ma. Und wenn sich das Kli­ma ver­än­dert, kann Wet­ter extre­mer werden.

Dass die­ser Zusam­men­hang, den die Wis­sen­schaft seit etwa drei Jahr­zehn­ten nach­wei­sen kann, den Weg aus der Theo­rie in die Wirk­lich­keit gefun­den hat, haben die ver­gan­ge­nen zwölf Mona­te gezeigt. Die Lis­te der Extre­me ist so lang, dass einem angst und ban­ge wer­den kann: Im Janu­ar gibt es meter­ho­he Schnee­mas­sen und über­flu­te­te Orte im Wes­ten der USA, im Febru­ar sorgt Tro­pen­sturm „Gabri­el­le“ in Neu­see­land für einen Not­stand. Es folgt ein Hit­ze­früh­ling in Spa­ni­en mit Tem­pe­ra­tu­ren von über 30 Grad Cel­si­us im März. Im April zäh­len sie­ben US-Bun­des­staa­ten ins­ge­samt 50 Wir­bel­stür­me. Im Mai kommt es zu gigan­ti­schen Wald­brän­den in Kana­da, in Ban­gla­desch und Myan­mar gibt es Zyklo­ne. In Ita­li­en folgt extre­mer Tro­cken­heit der gro­ße Regen, zwei­mal bin­nen weni­ger Wochen (Mai und August). Im Juli ver­bren­nen Wäl­der in Grie­chen­land, auf Sizi­li­en, in Kroa­ti­en, auf Hawaii. Im Sep­tem­ber kommt es in Grie­chen­land, Hong­kong, Liby­en und New York zu Rekordniederschlägen.

Wei­te­re Extre­me gibt es im Okto­ber (Hur­ri­kan in Mexi­ko), Novem­ber (Mega­hit­ze in Bra­si­li­en) und Dezem­ber. In Mün­chen fal­len erst die größ­ten Schnee­men­gen seit Beginn der Wet­ter­auf­zeich­nung, dann kämp­fen Tau­sen­de Men­schen in Deutsch­land an Weih­nach­ten und danach gegen das Hochwasser.

Nun kön­nen Kri­sen auch Posi­ti­ves bewir­ken: neue Lösungs­an­sät­ze befeu­ern oder Ein­sich­ten beschleu­ni­gen. Bis­her sieht es danach aber nicht aus. Dass wir beim Kli­ma­schutz, der eigent­lich Mensch­heits­schutz hei­ßen müss­te, nur zöger­lich vor­an­kom­men, hat meh­re­re Grün­de. Ein ent­schei­den­der ist: Weder Zukunfts­den­ken noch rasche Umbrü­che gehö­ren zu unse­rer Kern­kom­pe­tenz. Unser zukünf­ti­ges Ich ist ein Frem­der. Wir blen­den sein Schick­sal aus, um das Jetzt, das Hier und Heu­te zu bewah­ren. Beim Kli­ma­schutz ist das auf Dau­er nicht sehr cle­ver. Es wird mit einem hohen Preis ver­bun­den sein.

Die aktu­el­len Extre­me sind beängs­ti­gend, der Aus­blick ist düs­ter. Den­noch müs­sen wir hof­fen, dass die Welt­ge­mein­schaft das ver­ein­bar­te Ziel, die Erd­er­wär­mung auf 1,5 Grad Cel­si­us ge­genüber der vor­in­dus­tri­el­len Zeit zu begren­zen, nicht auf­gibt. Dass die dafür bei Kli­ma­gip­feln bera­te­nen Akti­ons­plä­ne und bis­her ver­ab­schie­de­ten natio­na­len Geset­ze womög­lich nicht aus­rei­chen könn­ten, ist rich­tig. Schlim­mer als das aber wäre das Ende von Han­deln und Verhandeln.

Wäh­rend der Pes­si­mist die Kri­se beson­ders gut erklä­ren kann und dar­auf hofft, dass ande­re sie lösen, geht der Opti­mist ans Werk – in der Hoff­nung, etwas zum Posi­ti­ven zu ver­än­dern. In Sachen Kli­ma- oder Mensch­heits­schutz brau­chen wir die­sen Opti­mis­mus. Von jedem Ein­zel­nen, aber vor allem auf der gro­ßen inter­na­tio­na­len Büh­ne. Es sind Poli­ti­ker und Ent­schei­der, die die Wei­chen stel­len müssen.

Im Novem­ber haben die UN-Mit­glied­staa­ten auf der Kon­fe­renz in Dubai zum ers­ten Mal in ihrer Geschich­te zu einer Abkehr von fos­si­len Ener­gien auf­ge­ru­fen. Ein Auf­ruf also, kein Aus­stieg, wie ihn mehr als 100 Staa­ten gefor­dert hat­ten. His­to­risch ist die­se Eini­gung nicht. Die Chan­ce zu grö­ße­ren Fort­schrit­ten gibt es 2024. Dann fin­det die nächs­te Kli­ma­kon­fe­renz statt. Auf­hö­ren ist kei­ne Option.

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