Strom muss bezahlbar sein. Auch für die vielen mittleren und kleinen Gewerbe bis hin zum Bäcker …

Berliner Morgenpost: Strom muss bezahlbar sein – Leitartikel von Jörg Quoos

Auf den ers­ten Blick ist es ver­kehr­te Welt: Die Grü­nen machen Druck für einen güns­ti­gen Indus­trie­strom­preis, der libe­ra­le Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter und auch der Bun­des­kanz­ler tre­ten auf die Brem­se. Ist Chris­ti­an Lind­ner kein Indus­trie­freund mehr? Ist der grü­ne Habeck jetzt der eigent­li­che Favo­rit der Bos­se beim The­ma Energie?

Die ober­fläch­li­che Betrach­tung trügt. Denn wer die Geset­ze des frei­en Mark­tes hoch­hält, muss gegen den Indus­trie­strom­preis sein. Und Fakt ist: Der Strom­preis wur­de auch poli­tisch nach oben getrie­ben. Durch die Ener­gie­wen­de und das Aus­mus­tern von Kraft­wer­ken, durch den Aus­stieg aus der Atom­kraft, aber auch durch beschlos­se­ne Sank­tio­nen gegen Russ­land. Wenn durch die­se Maß­nah­men der Strom­preis jetzt zu teu­er wird, kann die Lösung nicht lau­ten: Dann muss halt der Steu­er­zah­ler drauf­zah­len. Das ist fan­ta­sie­los, dau­er­haft unmög­lich und him­mel­schrei­end ungerecht.

Deutsch­land braucht als füh­ren­de Indus­trie­na­ti­on lang­fris­tig kei­nen bil­li­gen, aber einen kon­kur­renz­fä­hi­gen Strom­preis, sonst ver­la­gert sich die Pro­duk­ti­on nur in Welt­re­gio­nen mit bil­li­ger Ener­gie, ohne dass dem Kli­ma damit wirk­lich gehol­fen ist. Die­se dau­er­haf­te Lösung, die benö­tigt wird, kann kei­ne Sub­ven­ti­ons­lö­sung sein, da sind sich sogar die Indus­trie­strom­preis-Freun­de einig.

Ein kon­kur­renz­fä­hi­ger Strom­preis ist nicht nur uner­läss­lich für ener­gie­in­ten­si­ve Bran­chen wie die Stahl­ver­ar­bei­tung, son­dern auch für die vie­len mitt­le­ren und klei­nen Gewer­be bis hin zum Bäcker, der mor­gens sei­ne Öfen für Brot und Bröt­chen anheizt. Was die gestie­ge­nen Ener­gie­prei­se bedeu­ten, ist schon beim täg­li­chen Brot zu spü­ren. Und: Wer will bit­te die Gren­zen zie­hen zwi­schen denen, die preis­wer­ten, sub­ven­tio­nier­ten Strom bekom­men, und denen, die teu­ren Strom in vol­ler Höhe der Geste­hungs­kos­ten bezah­len müssen?

In die­ser Unter­schei­dung ist Unge­rech­tig­keit pro­gram­miert, und sie wider­sprä­che allen Regeln der Markt­wirt­schaft. Von ver­fas­sungs­recht­li­chen Beden­ken mal ganz abge­se­hen. Die Poli­tik müss­te sich juris­tisch warm anzie­hen und ein­mal mehr damit rech­nen, dass Karls­ru­he der Regie­rung einen Strich durch die Rech­nung macht und den Gleich­heits­grund­satz ver­letzt sieht. Es wäre nicht das ers­te Mal, dass die Ver­fas­sungs­rich­ter einen ambi­tio­nier­ten Regie­rungs­plan stoppen.

Der Ball liegt also ein­deu­tig im Feld der Poli­tik und nicht – mal wie­der – beim Steu­er­zah­ler: Wer der Wirt­schaft aus Kli­ma­schutz­grün­den bezahl­ba­re Ener­gie ent­zieht, muss für Ersatz sor­gen. Er muss dafür kli­ma­freund­li­che, bezahl­ba­re Ener­gie bereit­stel­len, dau­er­haft und in aus­rei­chen­der Men­ge. Für die Ampel heißt das: noch schnel­le­rer Auf­wuchs bei den Wind­kraft­an­la­gen, der Pho­to­vol­ta­ik und den neu­en Strom­tras­sen, deren schnel­ler Aus­bau an Büro­kra­tie, über­lan­gen Pla­nungs­ver­fah­ren und poli­ti­schem Ego­is­mus in den Län­dern scheitert.

Ideen für erneu­er­ba­re Ener­gie gibt es vie­le, aber die Umset­zung bleibt zu lang­sam. Bezahl­ba­re Ener­gie muss schnel­ler bereit­ste­hen, sonst zieht man der Indus­trie den Stecker.

Und mit Sub­ven­tio­ni­tis, wie sie dem Wirt­schafts­mi­nis­ter vor­schwebt, ver­sün­digt man sich ent­we­der am Haus­halt und der Schul­den­brem­se und damit an den nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen. Oder man bür­det dem Steu­er­zah­ler Las­ten auf, die dau­er­haft nicht trag­bar sind.Beide Effek­te sind nicht zu ver­ant­wor­ten, und daher soll­ten der Kanz­ler und sein Finanz­mi­nis­ter hart blei­ben. Die Ver­nunft ist auf ihrer Seite.

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Quel­le: BER­LI­NER MOR­GEN­POST, Redaktion
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