Studie: Gebäude brauchen Sonnenschutz

Gebäude in Deutschland werden noch nicht ausreichend auf den voranschreitenden Klimawandel ausgerichtet – weder bei Sanierungen noch beim Neubau. Daher drohen sie im Sommer zunehmend zu überhitzen.

Der Ein­satz von Kli­ma­an­la­gen ist nahe­lie­gend, wür­de jedoch zu einem mas­si­ven Anstieg des Ener­gie­ver­brauchs füh­ren. Eine neue Stu­die des Inge­nieur­bü­ros Hau­ser (IBH) im Auf­trag der Reprä­sen­tanz Trans­pa­ren­te Gebäu­de­hül­le zeigt, dass ver­schie­de­ne Son­nen­schutz­maß­nah­men ein wirk­sa­mes Mit­tel gegen die Über­hit­zung sind und den Ener­gie­ver­brauch für Kli­ma­ti­sie­rung mini­mie­ren bzw. in vie­len Fäl­len ganz ver­mei­den kön­nen. Die Reprä­sen­tanz emp­fiehlt daher der Bun­des­re­gie­rung, für kla­re Vor­ga­ben für einen wirk­sa­men Son­nen­schutz zu sorgen.

Bereits heu­te macht sich der Kli­ma­wan­del in Deutsch­land deut­lich bemerk­bar: Laut Daten des Deut­schen Wet­ter­diens­tes DWD stieg in mitt­le­ren Kli­ma­re­gio­nen wie bspw. Pots­dam das Ther­mo­me­ter zwi­schen 1961 und 1990 an im Schnitt 28 Tagen im Jahr über die 25-Grad-Mar­ke. Bis 2007 waren es schon 40 Tage, in den kom­men­den Jahr­zehn­ten wer­den es 58 bis 69 Tage wer­den. Auch die hei­ßen Tage mit Tem­pe­ra­tu­ren über 30 Grad wer­den deut­lich zuneh­men. „Auf die­se Ent­wick­lung ist unser Gebäu­de­be­stand nicht vor­be­rei­tet. Vie­le Gebäu­de wer­den im Som­mer zuneh­mend über­hit­zen“, warnt der Bau­phy­si­ker Dr. Ste­phan Schlitz­ber­ger vom Inge­nieur­bü­ro Hau­ser (IBH).

Er hat in einer aktu­el­len Stu­die simu­liert, wie übli­che Wohn­räu­me auf die zukünf­ti­ge Kli­ma­er­wär­mung reagie­ren – und wie man eine Über­hit­zung wir­kungs­voll auch ohne Kli­ma­ti­sie­rung ver­hin­dern kann. „Da die Norm-Vor­ga­ben für den Son­nen­schutz noch auf Kli­ma­da­ten von 1988 bis 2007 basie­ren, sind selbst heu­ti­ge Neu­bau­ten oft nicht ein­mal fit für die gegen­wär­ti­gen Som­mer, erst recht nicht für die Som­mer der Zukunft“, erläu­tert der Stu­di­en-Autor. „In Deutsch­land wird in punk­to Hit­ze­schutz für das Kli­ma der Ver­gan­gen­heit gebaut. Für Sanie­run­gen gibt es gar kei­ne gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen an den som­mer­li­chen Wär­me­schutz. Das müs­sen wir ändern.“

Stu­di­en­ergeb­nis­se: Bei­spiel Wohnzimmer

Ein typi­sches Wohn- und Ess­zim­mer mit gro­ßer Fens­ter­front nach Süden erfüll­te in der Ver­gan­gen­heit mit einem best­mög­li­chen innen­lie­gen­den Son­nen­schutz gera­de noch die Anfor­de­run­gen. Damit blieb der Raum – von ein­zel­nen Tem­pe­ra­tur­spit­zen im Juli und August abge­se­hen – ver­träg­lich tem­pe­riert. Durch den Kli­ma­wan­del wird der glei­che Raum in Zukunft in den Som­mer­mo­na­ten regel­mä­ßig die 30 °C‑Marke über­schrei­ten. Aber: Ein wirk­sa­mer außen­lie­gen­der Son­nen­schutz wie bspw. ein Roll­la­den oder eine Außen­ja­lou­sie ver­mei­den die­se Über­hit­zung nahe­zu voll­stän­dig. Beson­ders wirk­sam ist Son­nen­schutz, wenn er auto­ma­tisch akti­viert wird und so auch bei Abwe­sen­heit nicht in Ver­ges­sen­heit gerät. Ergän­zend ver­bes­sert auch eine kon­se­quen­te Lüf­tung in der Nacht die Innen­tem­pe­ra­tur. „Wer­den die­se Mög­lich­kei­ten im Neu­bau und bei Sanie­run­gen gut genutzt, funk­tio­nie­ren unse­re Gebäu­de. Fens­ter- und Glas­flä­chen kön­nen in den küh­le­ren Mona­ten durch die Son­nen­ein­strah­lung kos­ten­freie Wär­me lie­fern, ohne im Som­mer zu Über­hit­zung zu füh­ren“, erläu­tert Schlitz­ber­ger weiter.

Ein beson­de­res Pro­blem liegt dar­in, dass Gebäu­de­nut­zer nicht sel­ten auf wirk­sa­men Son­nen­schutz ver­zich­ten, dafür aber immer häu­fi­ger Kli­ma­an­la­gen nach­rüs­ten. Extrem hohe Ener­gie­ver­bräu­che sind dann unver­meid­bar. „Soll das oben beschrie­be­ne Wohn­zim­mer ohne Son­nen­schutz oder ande­re Maß­nah­men auf 22 Grad gekühlt wer­den, wird dafür pro Jahr bis zu fünf­mal so viel Nutz­ener­gie wie für das Hei­zen im Win­ter gebraucht“, führt Schlitz­ber­ger aus. Son­nen­schutz kann auch in die­sen Fäl­len den Ener­gie­be­darf laut der Stu­die mehr als hal­bie­ren. In den meis­ten Fäl­len kann er Kli­ma­an­la­gen ohne Kom­fort­ein­bu­ßen über­flüs­sig machen.

In der Pra­xis soll­ten also son­nen­be­schie­ne­ne Glas- und Fens­ter­flä­chen mit Son­nen­schutz aus­ge­stat­tet bzw. nach­ge­rüs­tet wer­den. Von Son­nen­schutz­glä­sern über innen- und außen­lie­gen­de Pro­duk­te bis hin zum voll­au­to­ma­tisch gesteu­er­ten außen­lie­gen­den Son­nen­schutz ste­hen zahl­rei­che Lösun­gen für alle bau­li­chen Gege­ben­hei­ten zur Ver­fü­gung. Was im indi­vi­du­el­len Fall rich­tig ist, soll­te ein Fach­mann ermitteln.

Bau­vor­ga­ben: Son­nen­schutz vor Klimaanlage 

Tho­mas Drinkuth, Lei­ter der Reprä­sen­tanz, emp­fiehlt: „Zunächst muss die Poli­tik erken­nen, wie wich­tig der Über­hit­zungs­schutz im Som­mer in Zukunft wird. Nicht nur für unse­re Gesund­heit – auch für die Ener­gie­ver­sor­gung und den Kli­ma­schutz. Der Ener­gie­ver­brauch für Kli­ma­an­la­gen könn­te im schlimms­ten Fall ein grö­ße­res Pro­blem wer­den als der für die Hei­zung.“ Die Bun­des­re­gie­rung müs­se daher für kla­re Vor­ga­ben für einen wirk­sa­men Son­nen­schutz sor­gen. Die­se sei­en heu­te noch nicht gege­ben. „Ers­tens soll­te sich die Bun­des­re­gie­rung für eine zügi­ge Über­ar­bei­tung der DIN-Norm stark machen. Dass wir noch heu­te, mit­ten im Kli­ma­wan­del, Gebäu­de so pla­nen, als sei ein Son­nen­schutz wie in den 90er Jah­ren aus­rei­chend, ist ein Unding. Die Norm muss schnellst­mög­lich auf Kli­ma­da­ten für die Zukunft umge­stellt wer­den. Zwei­tens brau­chen wir im Gebäu­de­en­er­gie­ge­setz Klar­heit, dass prio­ri­tär die Poten­zia­le des Son­nen­schut­zes genutzt wer­den müs­sen, bevor eine Kli­ma­an­la­ge zum Ein­satz kommt. Dafür brau­chen wir drit­tens per­spek­ti­visch eine über­ar­bei­te­te und an den Kli­ma­wan­del ange­pass­te Anfor­de­rungs­sys­te­ma­tik für den som­mer­li­chen Hit­ze­schutz. Bis­her wird bei der Pla­nung die Über­hit­zung berech­net und begrenzt. In Zukunft muss es auch um ver­mie­de­ne Küh­lungs­en­er­gie gehen.“

Eine Zusam­men­fas­sung der Stu­die, der Stu­di­en­be­richt und alle Gra­fi­ken im For­mat .png ste­hen zum Down­load auf www​.trans​pa​ren​te​-gebaeu​de​huel​le​.de.

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Quel­le: Reprä­sen­tanz Trans­pa­ren­te Gebäu­de­hül­le GbR, Tho­mas Drinkuth
Ori­gi­nal-Con­tent von: Reprä­sen­tanz Trans­pa­ren­te Gebäu­de­hül­le GbR, über­mit­telt durch news aktuell