Labormilch unter der Lupe : Sinnvoller Ersatz oder verfrühte Euphorie ?

Labormilch unter der Lupe : Labormilch wäre damit ein gentechnisch verändertes Produkt, oder ? Das klingt ziemlich kompliziert….

Fleisch aus der Petri­scha­le oder Insek­ten aus der Chips­tü­te : Auf der Suche nach neu­en Mög­lich­kei­ten zur Ernäh­rung einer ste­tig wach­sen­den Welt­be­völ­ke­rung expe­ri­men­tie­ren For­scher seit Jah­ren an Alter­na­ti­ven zur her­kömm­li­chen Lebensmittelproduktion.

Auch der Kli­ma­wan­del rückt eine nach­hal­ti­ge Ernäh­rung zuneh­mend in den Fokus : Dür­ren ver­ur­sa­chen bereits jetzt Ern­te­aus­fäl­le, die Nutz­tier­hal­tung trägt nicht uner­heb­lich zu den Treib­haus­gas­emis­sio­nen bei. Eini­ge Unter­neh­men arbei­ten inzwi­schen dar­an, Milch und Milch­pro­duk­te im Labor her­zu­stel­len. Im Inter­view erläu­tert Mol­ke­rei­in­ge­nieur Frank Feu­er­rie­gel den Vor­gang, der Prä­zi­si­ons­fer­men­ta­ti­on genannt wird, und ob und wenn ja, wel­che Zukunft Labor­milch haben wird.

Wie wird die soge­nann­te Labor­milch hergestellt ?

Das Ver­fah­ren nennt sich Prä­zi­si­ons­fer­men­ta­ti­on. Eine gen­tech­ni­sche Wei­ter­ent­wick­lung der Fer­men­ta­ti­on, bei der Mikro­or­ga­nis­men orga­ni­sche Stof­fe umwandeln.

Bei der Prä­zi­si­ons­fer­men­ta­ti­on wer­den die­se Mikro­or­ga­nis­men gene­tisch ver­än­dert. Dadurch kön­nen sie belie­bi­ge kom­ple­xe orga­ni­sche Mole­kü­le erzeu­gen. Bei dem Ver­fah­ren für Milch wird spe­zi­fisch die Gen­sche­re Cris­pr-Cas ver­wen­det. Bei die­sem Vor­gang wird das Enzym Cas9 mit einer bestimm­ten RNA-Sequenz an das Ziel­ge­nom her­an­ge­bracht, wodurch der DNA-Dop­pel­strang im Ursprungs­or­ga­nis­mus auf­ge­trennt wird. An die­ser auf­ge­trenn­ten Stel­le kann dann eine ande­re DNA ein­ge­setzt werden.

Das klingt ziem­lich kompliziert….

Jetzt wird es ein­fa­cher : Für die Labor­milch wer­den über das beschrie­be­ne Ver­fah­ren Gen­se­quen­zen von Kühen in Hefe­zel­len ein­ge­baut. Die­se Sequen­zen sind für die Pro­duk­ti­on der Pro­te­ine in der Milch verantwortlich.

Die gen­tech­nisch ver­än­der­ten Hefe­zel­len kön­nen im Rah­men ihrer neu gewon­ne­nen Stoff­wech­sel­eigen­schaf­ten durch Gärung Milch­pro­te­ine wie u. a. Cas­ei­ne und Mol­ken­pro­te­ine her­stel­len. Die­se durch Hefen gebil­de­ten Milch­pro­te­ine wer­den mit wei­te­ren Inhalts­stof­fen wie Was­ser, Zucker, Fet­te, Vit­ami­ne oder Mine­ral­stof­fe gemischt und zu Ersatz-Milch bzw. Ersatz-Milch­pro­duk­ten verarbeitet.

Labor­milch wäre damit ein gen­tech­nisch ver­än­der­tes Pro­dukt, oder ?

Ja, inner­halb der EU fal­len die neu­en Züch­tungs­ver­fah­ren wie die Gen­sche­re Cris­pr-Cas unter das Gentechnikrecht.

Wie schät­zen Sie die Zukunft der Labor­milch ein ?

Vor­erst als unsi­cher, da noch kei­ne wis­sen­schaft­li­chen Daten vor­lie­gen. Wir wis­sen zum Bei­spiel nicht, ob der Kör­per Nähr­stof­fe aus Labor­milch genau­so gut auf­neh­men kann wie die aus der Kuh­milch. Dazu gibt es noch kei­ne Berech­nun­gen, eben­so wie der Ener­gie- und Res­sour­cen­ver­brauch im Ver­gleich zu Pro­duk­ten aus tie­ri­scher Erzeu­gung abschnei­det. Ist Labor­milch wirk­lich nach­hal­ti­ger ? Wel­che Aus­wir­kun­gen hat eine indus­tri­el­le Labor­milch­pro­duk­ti­on auf die Umwelt ?

Es kur­siert die Zahl von 80 Pro­zent Kos­ten­re­du­zie­rung gegen­über der klas­si­schen milch­wirt­schaft­li­chen Erzeu­gung und Ver­ar­bei­tung, aber bis­her haben vie­le Unter­neh­men noch das Pro­blem, die Labor-Pro­duk­ti­on über­haupt auf ein kom­mer­zi­ell effek­ti­ves Level hoch­zu­fah­ren. Grund­sätz­lich ist noch offen, ob Labor­milch bzw. gen­tech­nisch gewon­ne­ne Milch­pro­duk­te von den Ver­brau­chern ange­nom­men wer­den wür­den. Vor­aus­ge­setzt, die­se Pro­duk­te wür­den in der EU über­haupt eine Zulas­sung erhal­ten – auch das ist noch ungewiss.

In Ame­ri­ka und Indi­en haben sie die­se bereits….

Ja, in bei­den Län­dern sind ers­te Pro­duk­te auf dem Markt. In den USA begann es 2016 mit einer Vari­an­te von Spei­se­eis. Seit 2019 ist die Zahl der Start-ups in die­sem Bereich stark gestie­gen, auch in Deutsch­land. Lebens­mit­tel­kon­zer­ne inves­tie­ren hier eben­falls schon. Prin­zi­pi­ell hal­te ich es für gut, dass das Cris­pr-Cas-Ver­fah­ren wei­ter erforscht wird, weil es Chan­cen für die Land­wirt­schaft und den Nutz­tier­sek­tor birgt, effi­zi­en­te­re Ver­fah­ren zur Lebens­mit­tel­pro­duk­ti­on zu ent­wi­ckeln. Was sich davon wie am Ende durch­setzt, ist jetzt noch nicht abzusehen.

Frank Feu­er­rie­gel ist Geschäfts­füh­rer der Lan­des­ver­ei­ni­gung der Milch­wirt­schaft Nie­der­sach­sen e.V. (LVN). In Nie­der­sach­sen sind vom Erzeu­ger über die Mol­ke­rei­en bis zur Ver­brau­cher­zen­tra­le alle Ver­bän­de und Orga­ni­sa­tio­nen unter dem Dach der LVN zusammengeschlossen.

Über DIA­LOG MILCH

DIA­LOG MILCH ist eine gemein­sa­me Initia­ti­ve der Lan­des­ver­ei­ni­gun­gen der Milch­wirt­schaft in Nord­rhein-West­fa­len und Nie­der­sach­sen, in deren Rah­men ver­schie­de­ne ein­zel­ne und auch gemein­sa­me Maß­nah­men durch­ge­führt wer­den. DIA­LOG MILCH hat es sich zur Auf­ga­be gemacht, kri­ti­sche Fra­gen rund um die Milch­wirt­schaft auf­zu­grei­fen, selbst­re­flek­tiert ins Gespräch mit Ver­brau­chern und Jour­na­lis­ten zu gehen und die nach­hal­ti­gen und zukunfts­wei­sen­den Wege, die die Milch­bran­che bereits ein­ge­schla­gen hat, darzustellen.

___________________

Quel­le : Chris­ti­ne Licher, Lei­tung Öffent­lich­keits­ar­beit und Wer­bung, Lan­des­ver­ei­ni­gung der Milch­wirt­schaft Nie­der­sach­sen e.V.
Ori­gi­nal-Con­tent von : Dia­log Milch, über­mit­telt durch news aktuell

Bild­un­ter­schrift : Ist Milch aus dem Labor die Zukunft ?
Bildrechte:©Firn – stock​.ado​be​.com
Fotograf:©Firn

 

Print Friendly, PDF & Email