Wirtschaft fällt in Rezession: „Die Situation ist dramatisch“, bewertete IHK-Präsident Andreas Rother die Konjunktur im Hochsauerlandkreis

Andreas Rother: Stimmung in den Betrieben so schlecht ist wie nie zuvor

„Die Situa­ti­on ist dra­ma­tisch“, bewer­te­te IHK-Prä­si­dent Andre­as Rother die Kon­junk­tur im Hoch­sauer­land­kreis und im Kreis Soest. Die Ergeb­nis­se der Umfra­ge der IHK Arns­berg zei­gen, dass die Stim­mung in den Betrie­ben so schlecht ist wie nie zuvor. „Die befürch­te­te Gas­man­gel­la­ge, hoch­schnel­len­de Ener­gie­prei­se, Lie­fer­eng­päs­se und die infla­ti­ons­be­ding­te Kauf­zu­rück­hal­tung las­sen die Zukunfts­er­war­tun­gen der Unter­neh­men ein­bre­chen“, fasst Andre­as Rother die Ursa­chen zusam­men. An der Befra­gung, die vom 26. Sep­tem­ber bis zum 11. Okto­ber statt­fand, haben sich 430 Unter­neh­men beteiligt.

Der IHK-Kon­junk­tur­kli­ma­in­di­ka­tor – er besteht aus Bewer­tun­gen der Lage und der Erwar­tun­gen – ist von 115,3 Punk­ten zum Jah­res­be­ginn über 91 Punk­ten im Früh­jahr auf jetzt 66 Punk­te abge­stürzt. „Das ist der tiefs­te je gemes­se­ne Wert bei unse­ren Kon­junk­tur­um­fra­gen“, betont Prä­si­dent Rother. Das letz­te All­zeit­tief ver­ur­sach­te der ers­te Lock­down zu Beginn der Coro­na-Kri­se im Früh­jahr 2020, als das Kon­junk­tur­kli­ma auf 69,1 Punk­te fiel. Dabei mar­kiert die 100-Punk­te-Linie die Gren­ze zwi­schen Wirt­schafts­wachs­tum und Rezes­si­on. „Wir befin­den uns am Beginn einer Rezes­si­on, da blei­ben kei­ne Zwei­fel“, ord­net Rother ein.

Die Erwar­tun­gen der Bran­chen sind durch­weg nega­tiv. In der Indus­trie, im Bau, im Ein­zel­han­del und der Ver­kehrs­wirt­schaft fin­den sich kei­ne oder nur noch ein­zel­ne Betrie­be, die opti­mis­tisch in die Zukunft bli­cken. Eine Ver­schlech­te­rung erwar­ten hin­ge­gen in der Indus­trie 58 Pro­zent der Betrie­be, im Bau 89 Pro­zent, in den Dienst­leis­tun­gen 52 Pro­zent, im Groß­han­del 78 Pro­zent, im Ein­zel­han­del 69 Pro­zent, in der Ver­kehrs­wirt­schaft 50 Pro­zent und im Gast­ge­wer­be 54 Pro­zent. Alle Bran­chen zusam­men genom­men blei­ben 36 Pro­zent der Betrie­be, die zumin­dest von einer unver­än­der­ten Situa­ti­on ausgehen.

Der noch gute Auf­trags­be­stand sorgt für eine zufrie­den­stel­len­de Lage. So urteilt eine klei­ne Mehr­heit von 27 Pro­zent mit Gut, denen gegen­über ste­hen 19 Pro­zent mit einem schlech­ten Lage­ur­teil. Etwa jedes zwei­te Unter­neh­men ist aktu­ell zufrie­den. „Das darf aber nicht dar­über weg­täu­schen, dass sich auch die Wirt­schafts­la­ge seit Früh­jahr deut­lich ver­schlech­tert hat“, ord­net Jörg Nol­te, IHK-Haupt­ge­schäfts­füh­rer das Ergeb­nis ein. „Wir müs­sen auch sehen, dass 12 Pro­zent der Unter­neh­men, in der Indus­trie sogar 20,5 Pro­zent, bereits Stand­ort­ver­la­ge­run­gen in Betracht zie­hen und für 7 Pro­zent der Unter­neh­men die Ener­gie­preis­si­tua­ti­on exis­tenz­be­dro­hend ist“, zeigt er sich alar­miert. Auch vom Export gehe kein posi­ti­ver Kon­junk­tur­im­puls aus, viel­mehr erwar­tet die Indus­trie einen Rück­gang des Auslandsgeschäfts.

Die Ursa­che der Rezes­si­on ist für die IHK der rus­si­sche Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne. Des­sen Fol­gen die schnell stei­gen­den Ener­gie­prei­se, die Infla­ti­on und die dar­aus fol­gen­de Kauf­zu­rück­hal­tung sowie der dro­hen­de Gas­man­gel sind. „Wir Unter­neh­mer bli­cken mit rie­si­ger Sor­ge auf die Ent­wick­lung beim Gas. Ich mag mir eine Gas­man­gel­la­ge gar nicht vor­stel­len“, beschreibt IHK-Prä­si­dent Rother sei­ne Befürch­tun­gen. Wenn Unter­neh­men ihre Pro­duk­ti­on ein­stel­len, weil sie von der Gas­ver­sor­gung abge­schnit­ten sind, fol­gen hohe Arbeits­lo­sig­keit und eine Plei­te­wel­le. „Das wür­de der Regi­on mit ihrer star­ken Indus­trie nach­hal­tig scha­den“, betont Rother. Es sei gut, dass der Staat einen Preis­de­ckel instal­liert, damit Unter­neh­men und Haus­hal­te die Gas­kos­ten etwas bes­ser geschul­tert bekom­men. „Ich befürch­te aller­dings, dass bei vie­len damit die Moti­va­ti­on nach­las­sen könn­te, Ener­gie einzusparen.“

Damit Unter­neh­men ihre Mit­ar­bei­ter auf die Not­wen­dig­keit, auch zu Hau­se Gas zu spa­ren, hin­wei­sen kön­nen, star­tet die IHK eine Kam­pa­gne. „Wir wer­den Infor­ma­ti­ons-Pla­ka­te und Fly­er breit in der Unter­neh­mer­schaft streu­en. Damit erhal­ten die Unter­neh­men ein Instru­ment, sich an die Beleg­schaft zu wen­den“, erläu­tert Jörg Nolte.

Der IHK-Haupt­ge­schäfts­füh­rer kri­ti­siert zudem die finan­zi­el­le Situa­ti­on, in der sich vie­le kom­mu­nal Ener­gie­ver­sor­ger befin­den: „Eini­ge Stadt­wer­ke for­dern aktu­ell ihre Groß­kun­den auf, zum Teil hor­ren­de Vor­aus­zah­lun­gen zu leis­ten.“ Hin­ter­grund ist, dass vie­len Ver­sor­gern, gera­de auch Stadt­wer­ken, die Liqui­di­tät aus­geht. „Daher mein drin­gen­der Appell an die Poli­tik: Stat­ten sie die Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men mit Liqui­di­tät aus. Es kann auf Dau­er nicht funk­tio­nie­ren, dass Unter­neh­men, die auf­grund der Kri­sen oft selbst knapp mit Liqui­di­tät aus­ge­stat­tet sind, die Ver­sor­ger vor­fi­nan­zie­ren müssen.“

Von den nega­ti­ven Gesamt­aus­sich­ten blei­ben auch die Inves­ti­ti­ons­pla­nung der Unter­neh­men nicht ver­schont. Vie­le Vor­ha­ben wer­den gestri­chen oder wenigs­tens ver­scho­ben. Im Ergeb­nis wol­len 40 Pro­zent der Betrie­be weni­ger als im letz­ten Jahr inves­tie­ren und nur noch knapp 20 Pro­zent wei­ten ihre Inves­ti­tio­nen aus. Das ist im Ver­gleich zum Früh­jahr fast eine Umkehr der Inves­ti­ti­ons­plä­ne. Inves­tiert wird vor­nehm­lich in den Ersatz­be­darf (63,5 % Nen­nun­gen) und in die Ratio­na­li­sie­run­gen der Abläu­fe und Pro­zes­se (41,4 %).

Eben­falls nega­tiv fal­len die Beschäf­ti­gungs­ab­sich­ten aus. Wäh­rend nur noch 10 Pro­zent der Unter­neh­men zusätz­li­che Mit­ar­bei­ter ein­stel­len wol­len, geben 25 Pro­zent an, mit klei­ne­ren Beleg­schaf­ten zu pla­nen. „Den­noch bleibt das Feh­len von Fach­kräf­ten aus Sicht der Unter­neh­men eines der größ­ten Risi­ken für die kon­junk­tu­rel­le Ent­wick­lung“, betont Jörg Nol­te. Das las­se hof­fen, dass es in der aku­ten Kri­se nicht zu vor­schnel­len Ent­las­sun­gen kom­me. „Vor­aus­ge­setzt Gas bleibt ver­füg­bar und die Gas­preis­brem­se funktioniert.“

 

Quel­le: Fabi­an Ampez­zan, Geschäfts­be­reich Volks­wirt­schaft, Kom­mu­ni­ka­ti­on, Unter­neh­mens­för­de­rung, International
IHK Arns­berg, Hell­weg-Sau­er­land, Arnsberg

Bild: Stell­ten die Ergeb­nis­se der Kon­junk­tur-Umfra­ge der IHK Arns­berg vor (von links): Haupt­ge­schäfts­füh­rer Jörg Nol­te, Prä­si­dent Andre­as Rother und Ste­fan Seve­rin (Geschäfts­be­reichs­lei­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on, Volks­wirt­schaft, Unter­neh­mens­för­de­rung und International).

Foto­credit: Wrona/​IHK