Trotz Job auf Hartz IV angewiesen – 1.906 Aufstocker im Hochsauerlandkreis

NGG : Armut durch höhere Löhne und Kindergrundsicherung bekämpfen

win­ter­berg-total­lo­kal : Hoch­sauer­land­kreis : Wenn der Job zum Leben nicht reicht : Im Hoch­sauer­land­kreis sind aktu­ell 1.906 Men­schen auf Sozi­al­leis­tun­gen ange­wie­sen – obwohl sie eine Arbeit haben. Damit ist mehr als jeder fünf­te erwerbs­fä­hi­ge Hartz-IV-Bezie­her im Kreis ein „Auf­sto­cker“ (22 Pro­zent). Das teilt die Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten (NGG) unter Beru­fung auf eine Sta­tis­tik der Bun­des­agen­tur für Arbeit mit.

NGG-Regio­nal­che­fin Isa­bell Mura spricht von „alar­mie­ren­den Zah­len“. Es kön­ne nicht sein, dass so vie­le Men­schen trotz Arbeit zum Job­cen­ter gehen müss­ten. „Besorg­nis­er­re­gend ist vor allem der hohe Anteil von Kin­dern, die unter Armuts­be­din­gun­gen auf­wach­sen“, so die Geschäfts­füh­re­rin der NGG-Regi­on Süd­west­fa­len. Laut Arbeits­agen­tur leben bei 827 Hartz-IV-Auf­sto­ckern im Hoch­sauer­land­kreis Kin­der im Haus­halt. 339 die­ser Haus­hal­te wer­den von Allein­er­zie­hen­den geführt – 91 Pro­zent von ihnen sind Frauen.

Nach Beob­ach­tung der Gewerk­schaf­te­rin sind pre­kä­re Arbeits­ver­hält­nis­se eine Haupt­ur­sa­che des Pro­blems : „Wer an der Bäcker­the­ke oder im Restau­rant arbei­tet und dabei nur einen Mini- oder Teil­zeit­job hat, für den wird es am Monats­en­de sehr eng.“ Zwar sei es kürz­lich gelun­gen, im NRW-Gast­ge­wer­be Lohn­er­hö­hun­gen im zwei­stel­li­gen Bereich zu erzie­len. Aller­dings müss­ten sich die Unter­neh­men auch an aus­ge­han­del­te Tarif­ver­trä­ge hal­ten, for­dert Mura. „Die von der Bun­des­re­gie­rung geplan­te Erhö­hung des gesetz­li­chen Min­dest­lohns auf 12 Euro pro Stun­de ist ein wich­ti­ger ers­ter Schritt, um Nied­rig­löh­ne auf dem gan­zen Arbeits­markt ein­zu­däm­men.“ Es kom­me aber auch dar­auf an, dass Arbeit­ge­ber mehr sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Stel­len anbö­ten – statt unsi­che­re Jobs mit nur weni­gen Wochen­stun­den, wie sie für Auf­sto­cken­de die Regel seien.

„Beson­ders wich­tig ist es, die Lage von Kin­dern in Hartz-IV-Haus­hal­ten zu ver­bes­sern. Armut darf nicht ver­erbt wer­den“, unter­streicht Mura. Die von der Ampel-Koali­ti­on ange­kün­dig­te Kin­der­grund­si­che­rung sei ein „rich­ti­ger Schritt“. Mit der Reform sol­len bis­he­ri­ge Leis­tun­gen für Kin­der gebün­delt und ein höhe­res Exis­tenz­mi­ni­mum fest­ge­legt wer­den. „Hier ist ent­schei­dend, das Armuts­ri­si­ko für Kin­der zu mini­mie­ren – indem die Bedarfs­sät­ze für Her­an­wach­sen­de deut­lich stei­gen“, so Mura.

Das von Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Anne Spie­gel (Grü­ne) ver­spro­che­ne Gesetz dazu müs­se nun rasch auf den Weg gebracht wer­den. Nach Anga­ben des IAB steigt die Armuts­ge­fahr von Hartz-IV-Emp­fän­gern durch Kin­der stark an. Ins­be­son­de­re für Allein­er­zie­hen­de : Ihr Risi­ko, das Ein­kom­men beim Amt auf­sto­cken zu müs­sen, liegt mit 40 Pro­zent am höchsten.

Wich­tig sei zugleich, das Hartz-IV-Sys­tem zu refor­mie­ren, damit auch Men­schen, die der­zeit kei­ne Chan­ce auf Arbeit hät­ten, in Wür­de leben könn­ten. „Der aktu­el­le Regel­satz für Allein­er­zie­hen­de von 449 Euro im Monat ist viel zu nied­rig. Für Lebens­mit­tel sind gera­de ein­mal 155 Euro vor­ge­se­hen – bei stark stei­gen­den Prei­sen. Zu Jah­res­be­ginn sind die Sät­ze nur mini­mal erhöht wor­den. So gibt es für Kin­der bis 13 Jah­ren in einer Bedarfs­ge­mein­schaft gera­de ein­mal zwei Euro mehr“, erklärt Mura. Da Hartz IV der Infla­ti­on schon lan­ge hin­ter­her­hin­ke, kom­me die aktu­el­le Erhö­hung von 0,76 Pro­zent einer Kür­zung gleich. Mit einem men­schen­wür­di­gen Exis­tenz­mi­ni­mum habe das nichts zu tun.

Mura begrüßt die Plä­ne der Bun­des­re­gie­rung, Hartz IV durch ein soge­nann­tes Bür­ger­geld zu erset­zen. Hier dür­fe es nicht nur um eine Namens­än­de­rung gehen, son­dern es brau­che eine ech­te Reform. Das Bür­ger­geld müs­se höher sein als die bis­he­ri­gen Leis­tun­gen aus der Grund­si­che­rung – und für Betrof­fe­ne leich­ter zu bean­tra­gen. Die bis­he­ri­gen, oft sehr har­ten Sank­tio­nen gehör­ten grund­sätz­lich auf den Prüf­stand. Dies habe im Übri­gen das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt entschieden.

„Beim The­ma Auf­sto­cker gilt aber auch : Die Unter­neh­men ste­hen eben­so in der Ver­ant­wor­tung. Sie müs­sen armuts­fes­te, tarif­lich abge­si­cher­te Jobs bie­ten, damit nie­mand über­haupt erst auf­sto­cken muss“, so Mura wei­ter. Fai­re Löh­ne und attrak­ti­ve Arbeits­be­din­gun­gen sei­en zugleich der bes­te Schutz vor dem Fach­kräf­te­man­gel in vie­len Branchen.

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Quel­le : Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten (NGG) Regi­on Südwestfalen

 

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