Die Allee verzeiht keine Fahrfehler

Jeder vierte Todesfall auf Landstraßen nach Baumkollision
  • Außer­orts­stra­ßen deut­lich gefähr­li­cher als Auto­bah­nen und Stadtverkehr
  • Bau­m­an­prall ist eine der fol­gen­schwers­ten Unfallkonstellationen
  • Appell der DEKRA Exper­te : Kei­ne neu­en Bäu­me neben Stra­ßen pflanzen

win­ter­berg-total­lo­kal : „Wel­che Stra­ßen sind am gefähr­lichs­ten?“ – auf die­se Fra­ge gibt die amt­li­che Unfall­sta­tis­tik in Deutsch­land eine ein­deu­ti­ge Ant­wort. Die mit Abstand meis­ten töd­li­chen Ver­kehrs­un­fäl­le gibt es seit Jah­ren kon­stant auf Land­stra­ßen. Hier sind jeweils rund 60 Pro­zent aller im Stra­ßen­ver­kehr Getö­te­ten zu ver­zeich­nen ; im Jahr 2020 waren das 1.592 Men­schen. Beson­ders gefähr­lich dabei : Kol­li­sio­nen mit Bäu­men am Straßenrand.

DEKRA Crash
Der DEKRA Crash-Test mit einem simu­lier­ten Baum zeigt, wel­che ver­hee­ren­den Fol­gen ein Bau­m­an­prall mit 75 km/​h hat

Mehr als 400 Ver­kehrs­teil­neh­mer star­ben 2020 in Deutsch­land an Bäu­men auf Land­stra­ßen. Der Anteil der Baum­un­fäl­le an allen Ver­kehrs­to­ten auf Land­stra­ßen liegt bei rund einem Vier­tel und ist eben­falls seit Jah­ren fast kon­stant. Zwar sind die abso­lu­ten Unfall­zah­len 2020 in der Pan­de­mie zurück­ge­gan­gen. Der pro­zen­tua­le Anteil der Baum­kol­li­sio­nen blieb aber so gut wie unverändert.

„Der Anprall an einen Baum mit einer auf Land­stra­ßen übli­chen Geschwin­dig­keit ist unter den über­haupt denk­ba­ren Unfall­kon­stel­la­tio­nen eine der fol­gen­schwers­ten“, sagt Peter Rück­er, Lei­ter der DEKRA Unfall­for­schung. „Die Kraft der Kol­li­si­on wirkt auf einer sehr klei­nen Flä­che und setzt enor­me Ener­gie frei. Ein Bau­m­an­prall mit 80 km/​h ist auch in moderns­ten Fahr­zeu­gen kaum zu überleben.“

Gera­de wenn Bäu­me in regel­mä­ßi­gem Abstand dicht neben der Stra­ße ste­hen, kann schon ein klei­ner Moment der Unauf­merk­sam­keit töd­lich sein. „Wenn jemand von der Stra­ße abkommt, weicht die Fahrt­rich­tung ja meist nur um weni­ge Grad vom Stra­ßen­ver­lauf ab“, so der DEKRA Exper­te. „In die­ser Kon­stel­la­ti­on wirkt eine Baum­rei­he wie eine Wand – die Wahr­schein­lich­keit einer Kol­li­si­on liegt nahe 100 Pro­zent.“ Anders aus­ge­drückt : Eine Allee ver­zeiht prak­tisch kei­ne Fehler.

Das male­ri­sche Land­schafts­bild hat also sei­ne Schat­ten­sei­ten. Ein Plä­doy­er für die Motor­sä­ge lei­tet der Fach­mann aber dar­aus nicht ab. „Wir reden kei­nes­wegs einer gro­ßen Abholz-Akti­on das Wort“, sagt Rück­er. „Es ist aber den­noch wich­tig, jeweils vor Ort inten­siv dar­über nach­zu­den­ken, wie gera­de die Sei­ten­räu­me von Land­stra­ßen siche­rer gestal­tet wer­den können.“

Ers­ter und wich­tigs­ter Schritt ist für den Chef der DEKRA Unfall­for­schung der Ver­zicht auf die Neu­an­pflan­zung von Bäu­men an Land­stra­ßen : „Ein Baum ist ja öko­lo­gisch gese­hen nicht dadurch beson­ders wert­voll, dass er direkt an einer Stra­ße steht. Wo immer es geht, soll­ten Sei­ten­räu­me hin­der­nis­frei sein und im Ernst­fall ein ver­gleichs­wei­se unge­fähr­li­ches Aus­rol­len ermög­li­chen.“ Exper­ten spre­chen hier von einer Feh­ler ver­zei­hen­den Infrastruktur.

Dar­un­ter kön­nen auch bau­li­che Maß­nah­men ver­stan­den wer­den – dass etwa Alleen oder Ein­zel­bäu­me an der Stra­ße durch Schutz­plan­ken abge­si­chert wer­den. Damit auch Motor­rad­fah­rer im Sturz­fall gut geschützt sind, soll­ten die­se Schutz­plan­ken unbe­dingt mit einem Unter­fahr­schutz ver­se­hen sein.

Dis­ku­tiert wird auch ein Tem­po­li­mit von 80 km/​h auf engen Land­stra­ßen – emp­foh­len vom Deut­schen Ver­kehrs­ge­richts­tag schon 2015, seit Jah­ren auch gefor­dert vom Deut­schen Ver­kehrs­si­cher­heits­rat (DVR). Eine sol­che Rege­lung wür­de für den DEKRA Exper­ten in die rich­ti­ge Rich­tung gehen : „Wir tre­ten seit jeher dafür ein, die erlaub­te Höchst­ge­schwin­dig­keit situa­tiv an die Gege­ben­hei­ten des jewei­li­gen Stre­cken­ab­schnitts anzu­pas­sen. Es ist nicht sinn­voll, eine gut aus­ge­bau­te, brei­te, gera­de Land­stra­ße und eine kur­ven­rei­che, schma­le Stre­cke über einen Kamm zu sche­ren.“ Je ein­leuch­ten­der eine Geschwin­dig­keits­be­gren­zung für Ver­kehrs­teil­neh­mer sei, umso grö­ßer sei auch die Wahr­schein­lich­keit, dass sie sich dar­an hal­ten. „Schließ­lich kön­nen je nach Situa­ti­on auch 80 km/​h für man­che Stre­cke noch zu schnell sein.“

Grund­sätz­lich gilt auch für die Land­stra­ße, was all­ge­mein als Grund­re­gel fürs Auto- oder Motor­rad­fah­ren beher­zigt wer­den soll­te : Vor­aus­schau­end und nicht zu schnell fah­ren, genü­gend Abstand hal­ten, auf Num­mer sicher gehen. „Die mög­li­che mini­ma­le Zeit­er­spar­nis zum Bei­spiel durch ein wag­hal­si­ges Über­hol­ma­nö­ver steht in kei­nem Ver­hält­nis zum Risi­ko für einen selbst und ande­re“, so Peter Rücker.

Bild : Das male­ri­sche Land­schafts­bild der Allee hat sei­ne Schat­ten­sei­ten in Sachen Verkehrssicherheit.

Foto­credits : DEKRA e. V. Stuttgart

Quel­le : DEKRA e. V. Stuttgart

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