Dr. Johanna Wenckebach : „Arbeitszeit ist eine Machtfrage!“

DGB Südwestfalen befasst sich in hybrider Dialogveranstaltung mit der Transformation der Arbeitswelt

win­ter­berg-total­lo­kal : „Stark im Wan­del, stark aus der Kri­se“ – so lau­te­te der Titel einer hybri­den Dia­log­ver­an­stal­tung, zu der die Kreis­ver­bän­de des Deut­schen Gewerk­schafts­bun­des (DGB) Olpe, Sie­gen-Witt­gen­stein und Hoch­sauer­land­kreis im Rah­men des DGB-Zukunfts­dia­logs gela­den hat­ten. Dr. Johan­na Wen­cke­bach, wis­sen­schaft­li­che Direk­to­rin des Hugo Sinz­hei­mer Insti­tuts für Arbeits­recht in der Hans-Böck­ler-Stif­tung, befass­te sich via Video­schal­tung vor eini­gen weni­gen Gäs­ten in Räum­lich­kei­ten der Olper Stadt­hal­le mit der fort­schrei­ten­den Trans­for­ma­ti­on der Arbeits­welt und ihren Aus­wir­kun­gen. Der Vor­trag wur­de live auf die hei­mi­schen Rech­ner der Gewerk­schafts­mit­glie­der über­tra­gen, sodass die­se sich direkt auf digi­ta­lem Wege mit Fra­gen und Anre­gun­gen an die Refe­ren­tin wen­den konnten.

„Beschäf­ti­gung sichern und Trans­for­ma­ti­on gestal­ten“ sowie „Home­of­fice : schö­ne neue Arbeits­welt?“ lau­te­ten die The­men, zu denen Dr. Johan­na Wen­cke­bach sprach. Die Trans­for­ma­ti­on der Arbeits­welt habe drei wesent­li­che Trei­ber : Digi­ta­li­sie­rung, Glo­ba­li­sie­rung und Dekar­bo­ni­sie­rung. „Alle waren schon vor Coro­na da, haben sich aber durch die Pan­de­mie beschleu­nigt“, so die Refe­ren­tin. Mit Gig Work, Agi­ler und Mobi­ler Arbeit neh­me New Work wei­ter zu. Auch schrei­te die Digi­ta­li­sie­rung mit Algo­rith­mi­schem Manage­ment, Mensch-Robo­ter-Koope­ra­tio­nen und Künst­li­cher Intel­li­genz (KI) im HR-Bereich vor­an. „In den Indus­trie­be­rei­chen ver­än­dert sich per­spek­ti­visch sehr viel. Machen Robo­ter irgend­wann unse­re Arbeit ? Nein, das wer­den sie nicht, aber sie wer­den Tei­le der Arbeit über­neh­men und die­se ins­ge­samt ver­än­dern.“ Dies wie­der­um wer­de Ein­fluss auch auf die sozia­le Gerech­tig­keit in Deutsch­land haben. Umfra­gen der Hans-Böck­ler-Stif­tung hät­ten gezeigt, dass die Pan­de­mie die sozia­le Ungleich­heit wei­ter ver­stärkt. Über­all da, wo es einen Betriebs­rat gibt, füh­len sich die Men­schen bes­ser – und die Trans­for­ma­ti­on gelingt bes­ser. Dies haben Umfra­gen der Hans-Böck­ler-Stif­tung erge­ben. „Es ist zudem über­all da bes­ser, wo es einen Tarif­ver­trag gibt – ins­be­son­de­re aber nicht nur in der Kri­se“, erklär­te Dr. Johan­na Wen­cke­bach. Umso besorg­nis­er­re­gen­der sei der Umstand, dass es mit der Tarif­bin­dung in West­deutsch­land „rapi­de berg­ab“ gehe. Ins­ge­samt mach­te sich Dr. Johan­na Wen­cke­bach für eine Neu­re­ge­lung der Arbeits­zeit­mo­del­le stark. „Arbeits­zeit ist eine Macht­fra­ge. Es geht nur soli­da­risch. Damit das gelin­gen kann, müs­sen wir Gewerk­schaf­ten und Betriebs­rä­te stär­ken. Wan­del gestal­ten geht nur mit­be­stimmt“, hob sie her­vor. Im zwei­ten The­men­block befass­te sich die Refe­ren­tin mit der Arbeit im Home Office. „In der Coro­na-Kri­se ist plötz­lich etwas mög­lich gewor­den, von dem es frü­her immer hieß, es sei nicht mög­lich“, so Dr. Wen­cke­bach. Hier brau­che es einen Rechts­an­spruch, der die Mög­lich­keit, im Home Office zu arbei­ten, fest ver­brie­fe, dabei aber auch die Wahl las­se, dies zu tun – oder eben nicht. Auch müss­ten Arbeits- und Pau­sen­zei­ten klar defi­niert wer­den. „Hier darf es kei­ne Ent­gren­zung geben. Die Leu­te wol­len auch zu Hau­se Fei­er­abend haben“, hob sie hervor.

„Auch Gewerk­schafts­ar­beit funk­tio­niert nicht aus­schließ­lich digi­tal. Wir brau­chen den per­sön­li­chen und kol­le­gia­len Kon­takt“, erklär­te Ingo Degen­hardt, Regi­ons­ge­schäfts­füh­rer DGB Süd­west­fa­len. „Das The­ma Home Office wird blei­ben – auch nach Coro­na“, pro­gnos­ti­zier­te Mar­co Schmidt, Res­sort­lei­ter Ange­stell­te, IT, Engi­nee­ring beim Vor­stand der IG Metall in Frank­furt am Main. Gene­rell gel­te hier aller­dings das Mot­to : „Die Mischung macht’s ! Vie­le Men­schen wol­len gar nicht aus­schließ­lich im Home Office sein, son­dern die Anbin­dung an den Betrieb nicht ver­lie­ren. Nehmt eure Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen im Betrieb bei die­sem The­ma mit – das ist das Bes­te, was wir tun kön­nen!“, appel­lier­te Schmidt. Auch die Arbeit der Betriebs­rä­te hat sich in Zei­ten der Pan­de­mie ver­än­dert. „Wie soll man zum Bei­spiel einen Warn­streik orga­ni­sie­ren, wenn die Leu­te aus dem öffent­li­chen Dienst im Home Office sit­zen“, gab Jür­gen Weis­kirch, Bezirks­ge­schäfts­füh­rer der Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di in Süd­west­fa­len, zu bedenken.

Mit die­ser Ver­an­stal­tung, mode­riert vom Olper DGB-Vor­sit­zen­den André Are­nz hat der DGB ein völ­lig neu­es Ver­an­stal­tungs­kon­zept aus­pro­biert und das erfolg­reich. „In der Spit­ze waren knapp 60 Teil­neh­men­de online zuge­schal­tet. Das zeigt, dass wir inter­es­san­te The­men in ein anspre­chen­des For­mat inte­griert haben“, so Ingo Degenhardt.
Wei­te­re Dia­log­ver­an­stal­tun­gen im glei­chen For­mat sol­len folgen.

Bild : Dr. Johan­na Wen­cke­bach, wis­sen­schaft­li­che Direk­to­rin Hugo Sinz­hei­mer Institut

Quel­le : Petra Schö­nau­er – DGB-Regi­on Südwestfalen

Print Friendly, PDF & Email