Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche : Aus in der Vorrunde
winterberg-totallokal : Wer hoch steigt kann tief fallen. Diese alte Weisheit gilt momentan für Fußball-Deutschland. Als amtierender Weltmeister rechnete man sich die besten Chancen bei der WM in Russland aus. Nicht wenige sahen es als durchaus realistisch an mit dem fünften Stern auf dem Trikot nach Hause zurückzukehren. Seit vergangenem Mittwoch ist dieser Traum ausgeträumt. Was jetzt kommt ist : Wunden lecken, schauen, ob man noch mit dem richtigen Personal agiert und sich dann vielleicht langsam wieder nach oben kämpfen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Fußball und der politischen Lage in unserem Land ? Betrachten wir doch einfach mal die Meilensteine der deutschen Nationalmannschaft. Nach dem verlorenen Krieg und den Verbrechen in der Nazizeit waren die Deutschen von der internationalen Gemeinschaft ausgegrenzt. Sie trugen, zu Recht, schwer an ihrer jüngsten Vergangenheit. Das „Wunder von Bern“ im Jahr 1954 hat mit dazu beigetragen, dass sie sich ein neues Selbstvertrauen aneigneten und dieses neu gewonnene Selbstbewusstsein hatte sicher einen Anteil am deutschen „Wirtschaftswunder“. 1974 strotzte die Bundesrepublik vor Selbstbewusstsein und nahm inzwischen eine führende Rolle in der europäischen Union ein. 1990 war der Gewinn des WM-Titels sicher ein Meilenstein auf dem Weg zum wiedervereinigten Deutschland und 2014 sah sich Deutschland auf dem besten Wege eine der Führungsnationen in der westlichen Welt zu werden.
Jetzt, vier Jahre später, hat sich die Welt total verändert. Die „westliche Wertegemeinschaft“ hat quasi aufgehört zu existieren und die Europäische Union droht auseinanderzubrechen. Die alte Taktik der langjährigen „Bundestrainerin“ greift nicht mehr und der Spielablauf wird zunehmend von den anderen bestimmt. Die Medien, die früher „Hosianna“ gerufen haben, warten inzwischen mit Spannung (und teilweise unverhohlener Schadenfreude) auf die Kreuzigung. Die kritischen Stimmen, die fragen, ob eine Vertragsverlängerung bis 2021 die richtige Entscheidung war, nehmen zu. Nun, nach dem bisher schlechtesten Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft kann die Regierung auch nicht darauf hoffen, dass sie von einer Fußballeuphorie getragen wird. Schonungslos werden jetzt alle Schwächen einer ohnehin schwachen „Großen Koalition“ genussvoll ausgeschlachtet. Die Auseinandersetzung in der Flüchtlingsfrage in der Union ist nur ein Lackmustest der tiefen Spaltung zwischen den beiden Schwesterparteien. Selbst wenn sich diese Regierung noch über die Spielzeit rettet, wird dieses Land zur nächsten WM in Katar nicht mehr das gleiche sein wie jetzt. Die bevorstehenden politischen Veränderungen werden den Fußball dann vermutlich wirklich zur Nebensache werden lassen.
P.S.: Das schlechteste Abschneiden einer deutschen Nationalmannschaft vor diesem historischen Vorrundenaus war bei der Weltmeisterschaft 1938 in Frankreich. Ein Jahr später begann der zweite Weltkrieg ! Man darf die Lage zwar sicher nicht ganz so negativ sehen, aber vielleicht sollte man jetzt nicht nur bei der Nationalmannschaft einen Neuanfang wagen.
Ihr Norbert Schnellen