Stichwort der Woche : Gerechtigkeit für Huaraz ?

Stichwort der Woche – von Norbert Schnellen…

win­ter­berg-total­lo­kal : Frü­her kann­te jedes Kind in Deutsch­land die Geschich­te des Mül­lers von Sans­sou­ci. Ein ein­fa­cher Mül­ler droh­te dem abso­lu­tis­ti­schen Herr­scher Fried­rich II von Preu­ßen, bes­ser bekannt als der alte Fritz, mit einer gericht­li­chen Kla­ge. Das war in Zei­ten in denen in Preu­ßen die Bau­ern noch Leib­ei­ge­ne waren, schon sehr mutig. Zum Hin­ter­grund : Der Mon­arch fühl­te sich durch das Klap­pern der Wind­müh­le gestört und droh­te dem Mül­ler die Ent­eig­nung an, um die Müh­le dann abzu­rei­ßen. Die­ser ant­wor­te­te, dass er einen sol­chen Über­griff nicht fürch­te, weil es „ja noch Rich­ter in Ber­lin gäbe“. Die­se Geschich­te, die tat­säch­lich nie so pas­siert ist, soll­te den preu­ßi­schen Staat als Rechts­staat dar­stel­len, in dem jeder, ohne Anse­hen sei­nes Stan­des, die Gerich­te anru­fen und Gerech­tig­keit erfah­ren konnte.

Heu­te ist es kein Mül­ler, son­dern ein Klein­bau­er aus Peru, der sich mit den mäch­ti­gen Ener­gie­kon­zer­nen anlegt. Der gute Mann heißt Saúl Lucia­no Lli­uya und reis­te aus der Klein­stadt Hua­raz in den perua­ni­schen Anden nach Essen, um die RWE wegen ihrer Betei­li­gung an der welt­wei­ten Luft­ver­schmut­zung zu ver­kla­gen. Die­se gilt als Haupt­ur­sa­che für den Kli­ma­wan­del. Zum Hin­ter­grund : Der Hof von Lli­uya befin­det sich in einem Tal, über dem sich ein mäch­ti­ger Glet­scher befin­det. Seit 2003 ist ein ver­stärk­tes Abtau­en die­ses Glet­schers zu beob­ach­ten. Das Tau­was­ser fließt in einen Stau­see, des­sen Damm durch die Was­ser­mas­sen zu bre­chen droht. In die­sem Fall wür­de eine rie­si­ge Flut­wel­le das Tal über­flu­ten, es wäre mit Tau­sen­den von Toten zu rech­nen. Um die­ses Sze­na­rio zu ver­hin­dern sol­len Däm­me errich­tet wer­den, die die Was­ser­mas­sen im Ernst­fall auf­hal­ten und so eine Kata­stro­phe ver­hin­dern könn­ten. Zur Finan­zie­rung die­ser Maß­nah­men möch­te er, nach dem Ver­ur­sa­cher­prin­zip, die RWE zur Zah­lung her­an­zie­hen und wenn er damit Erfolg hat, ver­mut­lich auch noch vie­le ande­re Kon­zer­ne. Die gefor­der­te Sum­me beläuft sich nur auf „läp­pi­sche“ 23.300 Euro, einen Betrag, den ein sol­cher Kon­zern sicher aus der Por­to­kas­se beglei­chen könn­te. Falls die RWE jedoch zur Zah­lung ver­ur­teilt wür­de, ent­stün­de dadurch ein Prä­ze­denz­fall, der die Ener­gie­kon­zer­ne welt­weit mit einer Kla­ge­flut kon­fron­tie­ren wür­de, die unwei­ger­lich das Ende unse­res gesam­ten Wirt­schafts­sys­tems zur Fol­ge hät­te. Beim Schei­tern der Kla­ge von Lli­uya wür­de jedoch das deut­sche Rechts­sys­tem Scha­den erlei­den, weil dem perua­ni­schen Klein­bau­ern heu­te weni­ger Gerech­tig­keit wie­der­fah­ren wür­de, als dem Pots­da­mer Mül­ler vor 250 Jah­ren. Kei­ne leich­te Auf­ga­be für die Esse­ner Richter.

Egal wie der Pro­zess aus­geht, eines wird uns dadurch bewusst : Die Indus­trie­na­tio­nen haben durch die Glo­ba­li­sie­rung jah­re­lang gut ver­dient. Auf der ande­ren Sei­te haben sie durch immens hohe Schad­stoff­emis­sio­nen für rie­si­ge glo­ba­le Pro­ble­me gesorgt. Es war nur eine Fra­ge der Zeit, wann die von ihnen geschä­dig­ten Men­schen Gerech­tig­keit for­dern. Da kön­nen sich unse­re Gerich­te noch ganz schön auf was gefasst machen.

Ihr Nor­bert Schnellen

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