Erntedank – Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche – Erntedank 

win­ter­berg-total­lo­kal : Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag wur­de das Ern­te­dank­fest gefeiert.

Für unzäh­li­ge Gene­ra­tio­nen vor uns war das tat­säch­lich noch ein Anlass dem Schöp­fer dafür zu dan­ken, dass die Erde genug her­gab um davon satt zu wer­den und ein, mehr oder weni­ger, beschei­de­nes Leben zu füh­ren. Die Getrei­de­ern­te war ein­ge­bracht, in unse­rer Gegend stand die Kar­tof­fel­ern­te zwar noch bevor, aber man konn­te jetzt schon abse­hen, ob die Win­ter­vor­rä­te rei­chen wür­den. Es war schon eine lan­ge Zeit in der man von der ein­ge­fah­re­nen Ern­te leben muss­te, denn in den Zei­ten vor dem glo­ba­len Welt­han­del war es nicht mög­lich sich anders als durch die eige­nen Ern­te­vor­rä­te zu ernäh­ren. Miss­ern­ten bedeu­te­ten daher auch hier­zu­lan­de oft fürch­ter­li­che Hungersnöte.

Heu­te, in Zei­ten prall gefüll­ter Super­markt­re­ga­le, ist Ern­te­dank eigent­lich nur noch eine hoh­le Tra­di­ti­on. Die brei­te Mas­se der Bevöl­ke­rung hat mit der Erzeu­gung von Lebens­mit­teln nichts mehr am Hut. Even­tu­el­le Ern­te­aus­fäl­le hier­zu­lan­de wer­den durch das über­rei­che Ange­bot auf dem Welt­markt auf­ge­fan­gen, sodass der Ver­brau­cher sie nur in Cent Beträ­gen am Kauf­preis zu spü­ren bekommt. Die hie­si­gen Lebens­mit­tel­groß­erzeu­ger gehen auch sel­ten durch Ern­te­aus­fäl­le in  Kon­kurs, denn dank EU-Sub­ven­tio­nen aus Brüs­sel wer­den die finan­zi­el­len Ver­lus­te meist abge­fe­dert. Hat also heu­te noch wirk­lich jemand einen trif­ti­gen Grund sei­nem Schöp­fer für die Früch­te der Erde zu dan­ken ? Eigent­lich schon, denn wir wer­den ja schließ­lich jeden Tag satt (wenn wir es wol­len und nicht gera­de eine Diät machen). Wenn wir jedoch unser Fer­tig­ge­richt in den Ein­kaufs­wa­gen packen und uns anschlie­ßend beim Bäcker auf­re­gen, dass es kei­ne zwan­zig Sor­ten Brot und Bröt­chen mehr gibt, stel­len wir fest, dass wir eigent­lich kei­nen Bezug mehr zu unse­rer Nah­rung haben. Wir müs­sen uns zwar auch für das täg­li­che Brot quä­len, aber durch den lan­gen Umweg von unse­rer Arbeits­leis­tung über die Gehalts­ab­rech­nung bis zur Super­markt­kas­se, erken­nen wir den Zusam­men­hang nicht mehr.

Eigent­lich wäre es wün­schens­wert, wenn wir die Tra­di­ti­on des Ern­te­dank­fes­tes zum Anlass neh­men wür­den, über unse­re Ernäh­rung und die Ernäh­rungs­si­tua­ti­on auf die­sem Pla­ne­ten nach­zu­den­ken. Wir gehö­ren zu den weni­gen Men­schen auf der Welt, die sich kei­ne Gedan­ken machen müs­sen, ob sie heu­te, mor­gen oder nächs­ten Monat noch satt wer­den. Im Gegen­teil, unser Ver­hal­ten als Kon­su­men­ten einer indus­tri­el­len Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on, ist eine der Haupt­ur­sa­chen für den Hun­ger in vie­len Regio­nen der Welt. Die­ser Ver­ant­wor­tung soll­ten wir uns, gera­de zu Ern­te­dank, mal wie­der bewusst werden. 

Ihr Nor­bert Schnellen

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