Vom Hansekaufmann zum „Global Player“

Stichwort der Woche von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : Wenn wir uns heu­te in Bri­lon und im gesam­ten Alt­kreis glück­lich schät­zen kön­nen eine Viel­zahl von inter­na­tio­nal ope­rie­ren­den Unter­neh­men zu haben, soll­ten wir nicht ver­ges­sen, dass unse­re Regi­on schon im Mit­tel­al­ter eine inter­na­tio­nal bedeu­ten­de Rol­le spiel­te. Lan­ge vor dem Ruhr­ge­biet war das Sau­er­land die Berg­bau- und Indus­trie­re­gi­on in West­fa­len. Wich­ti­ge Han­dels­stra­ßen, wie die alte Heer­stra­ße und die Hei­den­stra­ße führ­ten durch unse­re Regi­on. Da auf unse­ren kar­gen Böden kein Bau­er reich wer­den konn­te, muss­ten sich die Bewoh­ner schon früh nach ande­ren Erwerbs­mög­lich­kei­ten umschau­en. So wuch­sen in unse­ren Städ­ten vie­le Hand­werks­be­trie­be her­an, die eine rela­tiv gro­ße Band­brei­te von Waren her­stell­ten, mit denen die Städ­te dann auch Han­del trei­ben konn­ten. Die Lage an den Han­dels­stra­ßen, die unter ande­rem auch nach Lübeck führ­ten, sorg­te dafür, dass sich die Städ­te im Alt­kreis schon recht früh der Städ­teh­an­se anschlos­sen. In Mede­bach wird schon im Jahr 1165 ein Ost­han­del erwähnt, spä­ter wech­sel­te sich Bri­lon mit Soest als Haupt­ort der west­fä­li­schen Städ­teh­an­se ab.

Heut­zu­ta­ge kön­nen wir kaum nach­voll­zie­hen wel­chen Wage­mut unse­re Vor­fah­ren auf­brin­gen muss­ten und wel­che Stra­pa­zen sie auf sich neh­men muss­ten um einen regen Waren­ver­kehr mit den Län­dern im Bal­ti­kum, mit Eng­land, Russ­land und Skan­di­na­vi­en zu bewerk­stel­li­gen. Wochen, oft Mona­te waren die Han­se­kauf­leu­te mit Plan­wa­gen und Schif­fen unter­wegs um ihre Waren an den Mann zu brin­gen, also zu expor­tie­ren und auf der ande­ren Sei­te im Gegen­zug wie­der wich­ti­ge Waren mit­zu­brin­gen, also zu impor­tie­ren. Das Risi­ko von Raub­über­fäl­len und Schiffs­ka­ta­stro­phen muss­ten sie voll­kom­men allein tra­gen, es gab damals noch kei­ne Ver­si­che­rung, die für sol­che Schä­den auf­kam. Wäh­rend heu­te eine E‑Mail gan­ze Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se in Gang setzt und der Trans­port per LKW, Schiffs­con­tai­ner oder Luft­fracht halb­wegs zügig und sicher von­stat­ten geht, muss­te man bei den dama­li­gen kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­schen und logis­ti­schen Mög­lich­kei­ten viel mehr Zeit für den Fern­han­del ein­kal­ku­lie­ren. Zudem waren die Anfor­de­run­gen an die kör­per­li­che Fit­ness bei den dama­li­gen Kauf­leu­ten ungleich höher als bei den heu­ti­gen „Schreib­tisch­ho­ckern“. Wir kön­nen daher heu­te schon mit einer gewis­sen Hoch­ach­tung und mit Stolz auf unse­re han­sea­ti­schen Vor­fah­ren blicken.

Wenn in Bri­lon im Jubi­lä­ums­jahr 2020 die 40. Han­se­ta­ge der Neu­zeit statt­fin­den, so ist das für unse­re gan­ze Regi­on ein beson­de­res Ereig­nis. Einer­seits besin­nen wir uns auf unse­re Wur­zeln, auf die lan­ge Tra­di­ti­on als ein wirt­schaft­li­ches Zen­trum mit­ten in Euro­pa. Auf der ande­ren Sei­te bli­cken wir natür­lich auch (opti­mis­tisch) in die Zukunft als Pro­duk­ti­ons­stand­ort im Her­zen Euro­pas. Vie­le Tau­send Men­schen aus ganz Euro­pa wer­den dann hier zu Besuch sein. Es wer­den neue Kon­tak­te geknüpft und sicher­lich auch gute Geschäfts­be­zie­hun­gen ange­bahnt. Gera­de in Zei­ten, in denen die Regie­ren­den das ver­ein­te Euro­pa auf eine har­te Zer­reiß­pro­be stel­len, ist die Rück­be­sin­nung auf ein Euro­pa der Kauf­leu­te, das ja auch ein Euro­pa der Men­schen ist, nöti­ger denn je.

Text : Nor­bert Schnellen

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