Schierlingsbecher statt Rettungsanker

Zur Forderung führender protestantischer Theologen, in kirchlichen Einrichtungen einen professionellen assistierten Suizid zu ermöglichen, sagte Alexandra Linder, Vorsitzende des Bundesverband Lebensrecht e.V. (BVL), in Berlin

win­ter­berg-total­lo­kal : Die Stel­lung­nah­me von Ver­tre­tern der pro­tes­tan­ti­schen Kir­che, dar­un­ter auch ein Lan­des­bi­schof und der Prä­si­dent der Dia­ko­nie, ist kurz gesagt men­schen­ver­ach­tend. Ja, auch Ver­tre­ter von Kir­chen sind im Lau­fe der Geschich­te mit vie­len Men­schen unge­recht umge­gan­gen : mit Men­schen, die sich selbst getö­tet haben, mit ledi­gen Müt­tern oder unehe­li­chen Kin­dern. Aus die­ser „lan­gen Schuld­ge­schich­te“ jedoch die Kon­se­quenz zu zie­hen, dass kirch­li­che Ein­rich­tun­gen künf­tig ein beson­ders siche­rer Tötungs­ort wer­den wol­len, ist der voll­kom­men fal­sche Weg. In schlimms­ten Zei­ten, im Krieg, in Hun­gers­nö­ten oder Pest­epi­de­mien, bot die Kir­che Hil­fe, Ver­sor­gung, Seel­sor­ge, Lebens­per­spek­ti­ven, Bei­stand. Men­schen in see­li­scher Not, die gemäß der Sui­zid­for­schung durch Schmer­zen, feh­len­den Bei­stand und vie­les mehr nach­weis­lich über­wie­gend fremd­be­stimmt sind, wenn sie über Sui­zid nach­den­ken, brau­chen genau die­sen umfas­sen­den Ret­tungs­an­ker, mit Sicher­heit aber kei­ne kirch­li­che Ein­rich­tung, die ihnen den, wie es in der Erklä­rung heißt, „siche­ren und nicht qual­vol­len“ Schier­lings­be­cher reicht.

Bei der Abtrei­bung lädt die evan­ge­li­sche Kir­che sich aktu­ell eine neue, gro­ße „Schuld­ge­schich­te“ auf. Was wird sie tun, wenn die Eutha­na­sie, wie sie zum Bei­spiel in Bel­gi­en oder den Nie­der­lan­den auch bei Min­der­jäh­ri­gen bezie­hungs­wei­se Neu­ge­bo­re­nen zuläs­sig ist, in Deutsch­land legal wird ? Kirch­li­che Ein­rich­tun­gen müs­sen immer und aus­schließ­lich eine men­schen­wür­di­ge, siche­re Oase sein, in der nie­mand dar­über nach­denkt, Men­schen dem Tode zu über­las­sen oder gar zuzu­füh­ren. Der Begriff „Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Selbst­tö­tung“ aus dem Mun­de von sich christ­lich nen­nen­den Kir­chen­ver­tre­tern ist para­dox und zynisch.

Sobald man die Selbst­be­stim­mung über alles stellt, auch über das eige­ne Recht auf Leben oder das Lebens­recht ande­rer, wird die Lega­li­sie­rung des assis­tier­ten Sui­zids, der Selek­ti­on von Kin­dern vor der Geburt, der Pro­duk­ti­on von gewünsch­ten Kin­dern oder der Abtrei­bung ein­fa­cher. Die­se Umkeh­rung der Wer­tig­keit wird zum Vor­teil für die Lau­te­ren und Stär­ke­ren und zum Nach­teil für die Selbst­be­stim­mung ande­rer. Die pro­tes­tan­ti­sche Kir­che soll­te sich die Fra­ge stel­len, die sie in ande­ren Berei­chen so ger­ne stellt : „Was hät­te Jesus getan?“

Quel­le : Alex­an­dra Maria Lin­der – Bun­des­ver­band Lebens­recht e.V.

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