Verbraucher gewinnt “Europa-Verfahren”: 1.600 Euro für Sammelfigur eingeklagt

Verbraucher gewinnt “Europa-Verfahren”: 1.600 Euro für Sammelfigur eingeklagt

Ein Samm­ler aus Deutsch­land hat ein euro­päi­sches Ver­fah­ren für gering­fü­gi­ge For­de­run­gen gewon­nen, nach­dem eine kost­ba­re Sam­mel­fi­gur nie bei ihm ankam. Er lei­te­te den für Lai­en oft unzu­gäng­li­chen Pro­zess mit der Hil­fe von “Jus­tiz ohne Gren­zen” ein.

Samm­ler gewinnt dank “Jus­tiz ohne Gren­zen” – der Hintergrund

Alex­an­der aus Deutsch­land erwirbt eine Samu­rai-Figur bei einem fran­zö­si­schen Online-Shop. Es han­delt sich um ein Samm­ler­stück im Wert von rund 1.600 Euro mit Ver­sand­kos­ten. Lei­der währt die Vor­freu­de nicht lan­ge, denn der Arti­kel wird nie gelie­fert. Der Online-Shop schiebt die Ver­ant­wor­tung auf das Ver­sand­un­ter­neh­men und will den Kauf­preis nicht erstatten.

Also wen­det sich der Samm­ler an das Zen­trum für Euro­päi­schen Ver­brau­cher­schutz e. V. (ZEV). Der Ver­ein wirkt auf eine güt­li­che Eini­gung hin, aber das Unter­neh­men reagiert zunächst nicht und zeigt sich spä­ter unein­sich­tig. Dabei ist die Geset­zes­la­ge ein­deu­tig: Bei Nicht-Lie­fe­rung muss der Online-Händ­ler erstatten.

Glück­li­cher­wei­se hat das ZEV ein wei­te­res Ass im Ärmel. Seit 2023 unter­stützt es im Rah­men sei­nes EU-finan­zier­ten Pro­jekts ” Jus­tiz ohne Gren­zen” bei der Ein­lei­tung von soge­nann­ten ver­ein­fach­ten euro­päi­schen Gerichts­ver­fah­ren im deutsch-fran­zö­si­schen Kon­text. Mit Unter­stüt­zung des Pro­jekt­teams füllt Alex­an­der das erfor­der­li­che Form­blatt aus – auf Fran­zö­sisch, da ein Amts­ge­richt im Land des Online-Shops zustän­dig ist. Das Gericht akzep­tiert das Ver­fah­ren und gibt Alex­an­der Recht. Der Online-Shop wird zur Zah­lung der 1.600 Euro plus Zin­sen verurteilt.

Was es mit dem “Euro­pa-Ver­fah­ren” auf sich hat

Das euro­päi­sche Ver­fah­ren für gering­fü­gi­ge For­de­run­gen ist eines von zwei soge­nann­ten ver­ein­fach­ten euro­päi­schen Gerichts­ver­fah­ren. Die Bezeich­nung „ver­ein­facht“ trifft es jedoch nicht ganz, da es für juris­ti­sche Lai­en nahe­zu unmög­lich ist, das Ver­fah­ren eigen­stän­dig ein­zu­lei­ten. Vie­le schei­tern bereits an der ers­ten Fra­ge des Form­blatts, näm­lich der nach dem zustän­di­gen Gericht.

Für die Nut­zung des Ver­fah­rens müs­sen drei Bedin­gun­gen erfüllt sein: Es muss sich um einen grenz­über­schrei­ten­den Fall in einem ande­ren EU-Land han­deln. Eine Aus­nah­me bil­det Däne­mark. Zudem muss es sich um eine Strei­tig­keit im Han­dels- oder Zivil­recht han­deln, typi­scher­wei­se eine Ver­brau­cher­strei­tig­keit. Öffent­li­che Geg­ner wie der Zoll oder eine Steu­er­be­hör­de fal­len raus. Die drit­te Bedin­gung betrifft den Streit­wert, der unter 5.000 Euro lie­gen muss.

Das Ver­fah­ren erfolgt meist schrift­lich und ohne phy­si­sche Ver­hand­lung. Eine anwalt­li­che Ver­tre­tung ist nicht ver­pflich­tend. Um das Ver­fah­ren ein­zu­lei­ten, müs­sen Klä­ge­rin­nen und Klä­ger ein Form­blatt aus­fül­len, das auf dem Por­tal e‑justice.europa.eu zur Ver­fü­gung steht.

Um das For­mu­lar kor­rekt aus­zu­fül­len bedarf es trotz der ver­ein­fach­ten Struk­tur einer gewis­sen Rechts­exper­ti­se. Eine offi­zi­el­le Anlauf­stel­le, die Unter­stüt­zung bie­tet, fehlt bis­her in Deutsch­land – obwohl eine sol­che eigent­lich per Ver­ord­nung vor­ge­schrie­ben ist.

„Jus­tiz ohne Gren­zen“ nimmt Kla­gen­de an die Hand

Im deutsch-fran­zö­si­schen Kon­text füllt “Jus­tiz ohne Gren­zen” die­se Lücke und ist mit sei­nem Know­how zur Stel­le. Das Pro­jekt­team nimmt Klä­ge­rin­nen und Klä­ger an die Hand und unter­stützt die­se kos­ten­los bei den ein­zel­nen Schrit­ten. In Zukunft könn­te der Ser­vice auf wei­te­re Län­der zusätz­lich zu Frank­reich aus­ge­wei­tet werden.

Das Pro­jekt orga­ni­siert außer­dem ein­mal im Monat kos­ten­lo­se juris­ti­sche Erst­be­ra­tun­gen mit zwei­spra­chi­gen Rechts­exper­tin­nen und Rechts­exper­ten – ent­we­der online oder beim Pro­jekt­trä­ger ZEV in Kehl. Auch Alex­an­der nutzt eine die­ser Sprech­stun­den und spricht mit einem Gerichts­voll­zie­her. Er erfährt, wie er das Urteil, das er nun in den Hän­den hält, effek­tiv durch­set­zen kann. Der Samm­ler hat den ihm zuste­hen­den Betrag mitt­ler­wei­le erhalten.

“Alex­an­ders Fall hat eine gan­ze Band­brei­te an juris­ti­schen Schrit­ten durch­lau­fen, und wir konn­ten ihm bei jedem davon zur Sei­te ste­hen”, freut sich Lion-Joed Char, Pro­jekt­lei­ter von “Jus­tiz ohne Grenzen”.

“Jus­tiz ohne Gren­zen” wird finan­ziert von:

  • Inter­reg Oberrhein
  • dem Minis­te­ri­um der Jus­tiz und für Migra­ti­on Baden-Württemberg
  • dem Minis­te­ri­um für Ernäh­rung, Länd­li­chen Raum und Ver­brau­cher­schutz Baden-Württemberg
  • dem fran­zö­si­schen Minis­te­ri­um für Euro­pa und Äußeres
  • dem Con­seil Dépar­te­men­tal de l‘Accès au Droit du Bas-Rhin
  • der Région Grand Est
  • der Coll­ec­ti­vi­té euro­pé­en­ne d’Alsace
  • der Stadt und Euro­me­tro­po­le Straßburg

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Bild: Sam­mel­fi­gu­ren sind bei Fans beliebt. In Alex­an­ders Fall han­del­te es sich um eine wert­vol­le Samurai-Figur.
Quel­le: Zen­trum für Euro­päi­schen Ver­brau­cher­schutz e. V.
Foto­credits: pexels​.com/​E​rik Mclean

 

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