Neustart: Es hat einige Wochen gedauert, bis US-Präsident Joe Biden das Richtige erkannt und akzeptiert hat …

Ber­li­ner Mor­gen­post: Neu­start, end­lich. Leit­ar­ti­kel von Dirk Haut­kapp zu Biden

Es hat eini­ge Wochen gedau­ert, bis US-Prä­si­dent Joe Biden das Rich­ti­ge erkannt und akzep­tiert hat. Es ging ein­fach nicht mehr. Er muss­te den Weg frei­ma­chen. Vier Mona­te vor den Prä­si­dent­schafts­wah­len wer­den in Ame­ri­ka die Kar­ten bei den Demo­kra­ten völ­lig neu gemischt.

Alle Ver­su­che, den beim Kreis­klas­sen-Auf­tritt im Fern­seh-Duell mit Donald Trump ent­stan­de­nen Scha­den zu repa­rie­ren, muss­ten letz­ten Endes fehl­schla­gen. Bidens Alters­ver­schleiß in men­ta­ler Stär­ke und rhe­to­ri­scher Über­zeu­gungs­kraft ist ein­fach zu mas­siv. Wei­te­re vier Jah­re in einem der schwie­rigs­ten Jobs der Welt hät­te der 81-Jäh­ri­ge nie­mals durchgehalten.

Selbst auf sei­ner Wie­der­gut­ma­chungs­tour, die etwas bemit­lei­dens­wert Unwür­di­ges hat­te, stol­per­te Biden zu oft beim Schil­dern simp­ler Zusam­men­hän­ge. Er ver­sprach und ver­hed­der­te sich. Das wäre nicht bes­ser gewor­den bis Novem­ber. Und mit jedem Auf­tritt hät­te sich der Mann mit der strah­len­den Leis­tungs­bi­lanz, nach der sich Ame­ri­ka noch ein­mal zurück­seh­nen wird, wei­ter zum Gespött gemacht und sein in 50 Jah­ren auf­ge­bau­tes Ver­mächt­nis geschreddert.

Mit dem Ver­zicht auf die Kan­di­da­tur in letz­ter Minu­te ver­hin­dert Biden ein inner­par­tei­li­ches Blut­bad. Vie­le Abge­ord­ne­te droh­ten, von dem Biden-Effekt her­un­ter­ge­zo­gen zu wer­den. Ver­lö­ren sie am 5. Novem­ber an brei­ter Front an die Oppo­si­ti­on von den Repu­bli­ka­nern, könn­te Trump im Fal­le eines Sie­ges mit bei­den Kam­mern des Kon­gres­se unge­bremst durch­re­gie­ren. Dann: Gute Nacht.

Im ame­ri­ka­ni­schen Par­la­ment gewan­nen bei den Demo­kra­ten zuletzt jene die Ober­hand, die beim Prä­si­den­ten 81 Jah­re alten Alters­starr­sinn und Nar­ziss­mus fest­stell­ten, wo sie Ein­sichts­fä­hig­keit und Grö­ße erhofft hatten.

Die hei­ße Wahl­kampf­pha­se September/​Oktober wäre für den ältes­ten Prä­si­den­ten in der Geschich­te der Ver­ei­nig­ten Staa­ten zu einer Tour der Lei­den mit häss­li­chem Aus­gang gewor­den: dem mög­li­chen Total­ab­sturz am 5. Novem­ber. Zwei Drit­tel der demo­kra­ti­schen Wäh­ler haben das längst erkannt. War­um sei­ne engs­ten Bera­ter Biden lan­ge in dem Glau­ben hiel­ten, das Blatt wer­de sich dre­hen, bleibt schleierhaft.

Wenn es stimmt, und viel spricht dafür, dass Donald Trump eine fun­da­men­ta­le Bedro­hung für die ame­ri­ka­ni­sche Demo­kra­tie und die Welt­ord­nung ist, dann kön­nen die Demo­kra­ten nicht mit einem Gehan­di­cap­ten an den Start gehen. Dann muss, auch wenn die­ser Schritt mit Risi­ken ver­bun­den ist, der Neu­an­fang mit einem fri­schen Gesicht gewagt wer­den. In der Hoff­nung, dass die Lethar­gie beim Sou­ve­rän auf­bricht und Begeis­te­rung für einen neu­en Auf­bruch ent­steht. Vor nichts hat das nach dem Par­tei­tag in Mil­wau­kee wie ein öli­ger Body­buil­der beim Posing auf­ge­pump­te Trump-Lager mehr Angst.

Eine jün­ge­re Demo­kra­tin wie Kama­la Har­ris kann rund 35 Pro­zent par­tei­unge­bun­de­ne Wech­sel­wäh­ler anspre­chen, die mit Repu­bli­ka­nern wie Demo­kra­ten seit Lan­gem gebro­chen haben. Das ist eine rea­le Gefahr für den wie Biden lan­des­weit betrach­tet äußerst unbe­lieb­ten Trump. Trotz des neu­en Möch­te­gern-Arbei­ter­füh­rers J.D. Van­ce an sei­ner Seite.

Ame­ri­kas Demo­kra­ten betre­ten Neu­land. So kurz vor einer Wahl wur­den sel­ten die Pfer­de gewech­selt. Wenn die nächs­ten Wochen mit Anstand zu einer breit getra­ge­nen Lösung füh­ren, kann das heik­le Unter­neh­men klap­pen. Einen ver­ur­teil­ten Straf­tä­ter vom Ein­zug ins Wei­ße Haus abzu­hal­ten, der die ame­ri­ka­ni­sche Demo­kra­tie per­ver­tie­ren will – die­ser Ver­such ist aller Ehren wert.

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Quel­le: BER­LI­NER MORGENPOST
Ori­gi­nal-Con­tent von: BER­LI­NER MOR­GEN­POST, über­mit­telt durch news aktuell

Foto­credit: Ado­be­Stock 300029601 / Brisystem

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