Evangelische Kirche will sich von jeder zweiten Kirche trennen – Gebäudebestand nicht finanzierbar

Evangelische Kirche will sich von jeder zweiten Kirche trennen – Verwaltungsleiter empfiehlt deutliche Reduzierung des Gebäudebestandes: Nicht länger finanzierbar

Soest-Arns­berg: Die Kir­che, so wie wir sie heu­te ken­nen und erle­ben, wird ihr Gesicht ver­än­dern; radi­kal ver­än­dern. Und die­se Ver­än­de­rung wird sicht­bar sein. Dar­auf mach­te Bernd Göbert, der Ver­wal­tungs­lei­ter des Evan­ge­li­schen Kir­chen­krei­ses Soest-Arns­berg, bei der Som­mer­syn­ode in der Fach­hoch­schu­le Mesche­de auf­merk­sam: „Was wir brau­chen, ist eine deut­li­che Gebäu­de­re­du­zie­rung. Das betrifft auch unse­re schö­nen his­to­ri­schen Kir­chen.“ Die sei­en auf Dau­er ganz ein­fach nicht mehr finanzierbar.

Da die Zahl der Kir­chen­mit­glie­der von Jahr zu Jahr sin­ke und sich von den Spit­zen­zei­ten inzwi­schen nahe­zu hal­biert haben, mache es auch kei­nen Sinn, einen Gebäu­de­be­stand wie in der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten vor­zu­hal­ten: „Das tut zwar weh, aber ist alter­na­tiv­los.“ Göbert geht davon aus, dass der Gebäu­de­be­stand um 50 Pro­zent redu­ziert wer­den muss. Und zwar nicht irgend­wann: „Son­dern bis 2030.“ Also inner­halb der nächs­ten sechs Jahre.

Dabei hel­fe die nüch­ter­ne Erkennt­nis, dass Gebäu­de immer nur Mit­tel zum Zweck sei­en. Und wenn weni­ger Men­schen die Got­tes­diens­te auf­su­chen, so Göbert ganz prag­ma­tisch, dann brau­che man eben auch weni­ger Kir­chen im Bestand des Kir­chen­krei­ses und damit in den Gemein­den. Was die kul­tu­rel­le Bedeu­tung his­to­ri­scher Kir­chen angeht, sieht der Ver­wal­tungs­chef dies als eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Auf­ga­be. Damit müs­se man auch mit der Poli­tik in den Dia­log tre­ten: „Wir allei­ne kön­nen das nicht schaffen.“

Nach­dem die ers­ten vier Mona­te des lau­fen­den Haus­halts­jah­res noch von deut­li­chen Defi­zi­ten gekenn­zeich­net waren, zeich­ne sich aktu­ell eine leich­te Beru­hi­gung ab. Aller­dings weist der Haus­halts­plan 2024 des Evan­ge­li­schen Kir­chen­krei­ses ein Plan­de­fi­zit von fast 500.000 Euro aus. Bis Anfang 2028 erwar­tet Göbert auf der Haben­sei­te gar einen Rück­gang von 1,25 Mil­lio­nen Euro: „Unse­re Rück­la­gen­si­tua­ti­on ist aller­dings so gut, dass wir das bis 2027 aus­glei­chen können.“
Den­noch müs­se es gelin­gen, die struk­tu­rel­len Defi­zi­te, unter der nahe­zu auch jede ein­zel­ne Kir­chen­ge­mein­de ächzt, aus­zu­glei­chen. Aus die­sem Grund wur­de eine Arbeits­grup­pe gegrün­det, die nach Lösun­gen suchen soll. Eine Hoff­nung ruht dar­auf, dass die Kir­chen als Trä­ger für Kin­der­ta­ges­stät­ten und Offe­ne Ganz­tags­schu­len gleich­ge­stellt wer­den mit den so genann­ten armen Trä­gern. Dann wür­den die staat­li­chen Zuwei­sun­gen deut­lich steigen.

Dass der Kita­be­reich der kos­ten­in­ten­sivs­te Bereich ist, ver­deut­lich­te Tobi­as Eikel, Geschäfts­füh­rer des Kin­der­gar­ten­ver­bun­des, als er den Haus­halt ein­brach­te: Mit 28 Mil­lio­nen Euro wer­den hier fast 50 Pro­zent der Kir­chen­steu­er-Zuwei­sun­gen an den Kir­chen­kreis ver­an­schlagt. Mit die­ser Sum­me wer­den im Kir­chen­kreis 33 Ein­rich­tun­gen mit über 2000 Kin­dern von 500 Mit­ar­bei­ten­den betreut.

Super­in­ten­dent Dr. Manu­el Schil­ling ging in sei­nem Bericht nur kurz „auf die wahr­lich düs­te­ren Hori­zon­te des kirch­li­chen Lebens“ ein. Der Rück­tritt von Prä­ses Annet­te Kur­schus , die so genann­ten Forums­stu­die, die eine uner­war­tet hohe Zahl an Fäl­len sexua­li­sier­te Gewalt in der Evan­ge­li­schen Kir­che nach­ge­wie­sen habe, „ist ein Scher­ben­ge­richt für unse­re Kir­che. Wir sind seit­dem mehr noch als zuvor auf der Suche nach die­sem Umgang mit die­ser dunk­len Sei­te unse­rer Kirche.“

Aber nicht nur auf lan­des­kirch­li­cher Ebe­ne habe es nega­ti­ve Ent­wick­lun­gen gege­ben. Auch im Kir­chen­kreis und in den Gemein­den sei­en vie­le Umbrü­che zu ver­zeich­nen. Exem­pla­risch erwähn­te der Super­in­ten­den­tin die­sem Zusam­men­gang, das im Janu­ar in Lipp­stadt an einem ein­zi­gen Wochen­en­de vier Pre­digt­stät­ten geschlos­sen wer­den muss­ten: „Ähn­li­che Ent­wick­lun­gen beob­ach­ten wir an allen Orten.“

Vor die­sem Hin­ter­grund sei es kein Wun­der, dass die Kir­che oft wie gelähmt erschei­ne und wahr­ge­nom­men wer­de und dass häu­fig der Mut feh­le, auf­zu­bre­chen und Neu­es zu wagen. Schil­ling emp­fahl daher Mut und Zuver­sicht, um aus gewach­se­nen Struk­tu­ren aus­zu­bre­chen: „Die Kir­che der Zukunft wird dar­aus erwach­sen, dass wir bewusst und unab­läs­sig in den Aus­tausch tre­ten, dass alte Hier­ar­chien abge­löst wer­den von einer bun­ten Schar viel­fäl­tig begab­ter Men­schen, die ein­an­der zuarbeiten.“

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Bild: Sieht trotz schwie­ri­ger Bedin­gun­gen eine Chan­ce für eine Kir­che der Zukunft: Super­in­ten­dent Dr. Manu­el Schilling.
Quel­le: Ev. Kir­chen­kreis Soest-Arnsberg
Foto­credits: Hans-Albert Limbrock

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