Bundeswehr: Die nächste Reform. Die Verantwortlichen sind alle weg. Aber die Probleme sind geblieben.

Berliner Morgenpost: Die nächste Reform, ein Kommentar von Jörg Quoos zur Bundeswehr

Es ist lobens­wert, dass Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us heu­te sei­ne „Grob­struk­tur“ für die Bun­des­wehr­re­form vor­stellt. Gemes­sen an der Dau­er für den Beschaf­fungs­vor­gang von Sol­da­ten­un­ter­wä­sche hat der Minis­ter sei­ne Vor­schlä­ge in Über­schall­ge­schwin­dig­keit erstellt. Dafür gebührt ihm Respekt. Aber man soll­te die Erwar­tung an die­se Reform nicht über­hö­hen. Bis­her hat sich jede Minis­te­rin und jeder Minis­ter mit Refor­men der Bun­des­wehr pro­fi­liert. Die Ver­ant­wort­li­chen sind alle weg.Aber die Pro­ble­me sind geblieben.

Pis­to­ri­us setzt mit sei­nem Reform­vor­ha­ben bei der Orga­ni­sa­ti­on an und erhofft sich so schnel­le Veränderungen.

Die­se Idee ist nicht neu. Auch die geschei­ter­te Kramp-Kar­ren­bau­er woll­te die Füh­rungs­struk­tu­ren ver­än­dern, aber ihr Eck­punk­te­pa­pier kam zu spät und zeig­te kei­ne Wir­kung mehr. Zuvor woll­te Ursu­la von der Ley­en die kom­pli­zier­ten Struk­tu­ren mit Exter­nen über­win­den und setz­te teu­re Unter­neh­mens­be­ra­ter zu Tages­sät­zen von 2000 Euro wie Bypäs­se im Sys­tem ein. Den Sol­da­ten unter­stell­te sie pau­schal ein „Hal­tungs­pro­blem“, was die Minis­te­rin den letz­ten Rück­halt in der Trup­pe kostete.

Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg wie­der­um schaff­te kopf­los die Wehr­pflicht ab und spar­te Mil­li­ar­den ein.

Aus­rei­chend Per­so­nal und Geld sind genau die Fak­to­ren, die jetzt feh­len und müh­sam wie­der­be­schafft wer­den müs­sen. Peter Struck, der frü­he­re sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter, sah die Bun­des­wehr am Hin­du­kusch, um den Frie­den zu ver­tei­di­gen. Ent­spre­chend bau­te er die Trup­pe um. Gut, dass er die chao­ti­sche Flucht vor den Tali­ban nicht mehr mit­er­le­ben musste.

Die poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen sind gut bera­ten, mehr Ver­ant­wor­tung in die Hän­de der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten zu legen.

Eine poli­ti­sche Füh­rung der Streit­kräf­te ist wich­tig, aber die Sol­da­ten ken­nen ihren Auf­trag und ihr Geschäft am bes­ten. Es geht im Kern um die Ver­tei­di­gung des Lan­des und sei­ner Men­schen und die­sem Gedan­ken muss alle Pla­nung unter­ge­ord­net wer­den. Dabei muss man mili­tä­risch auch in guten Zei­ten das Schlech­tes­te anneh­men. Das fällt Poli­ti­kern immer schwe­rer als den Mili­tärs. Aber nur so ent­steht eine Ver­tei­di­gung, die funk­tio­niert. Hät­te die Poli­tik kon­se­quent nach die­sem Prin­zip gehan­delt, gäbe es in Deutsch­land genug Pan­zer und Muni­ti­on, und man ver­füg­te wie in Isra­el heu­te über einen funk­tio­nie­ren­den Rake­ten­schirm und wäre nicht schutz­los einem Angriff ausgeliefert.

Und man darf auch nicht ver­ges­sen: Die mäch­ti­gen, kon­ven­tio­nel­len deut­schen Land­streit­kräf­te wur­den radi­kal abge­baut, nach­dem man den Kal­ten Krieg auf ewig über­wun­den glaubte.

Hel­mut Kohl stritt nicht wie Olaf Scholz mit einem rus­si­schen Prä­si­den­ten am lan­gen Tisch im Kreml über Krieg und Frie­den, son­dern schwitz­te mit ihm in der Sau­na, und man unter­nahm gemein­sa­me Aus­flü­ge mit den Frau­en. Es ist mensch­lich, dass ein neu­er Krieg in der Poli­tik und in der Gesell­schaft damals unvor­stell­bar schien. Aber es ist die Auf­ga­be der Mili­tärs, genau damit zu rech­nen, und dafür benö­ti­gen sie kon­ti­nu­ier­lich Unter­stüt­zung aus der Poli­tik. Egal ob eine Ampel, Schwarz-Rot, oder ande­re poli­ti­sche Kon­stel­la­tio­nen regie­ren. Die­se Unter­stüt­zung muss kom­men in Form von Ver­trau­en, aus­rei­chend finan­zi­el­len Mit­teln, Schutz vor den mäch­ti­gen Lob­by­is­ten der Waf­fen­in­dus­trie und lang­fris­tig ver­läss­li­chen Zusa­gen. Reform­pa­pie­re gibt es in den Akten­schrän­ken des Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums schon mehr als genug.

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BER­LI­NER MOR­GEN­POST, Redaktion
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